Hierauf setzte er sich vor sie auf die Bank, und hatten sie beide alsogleich ihr Geschwätze, was mich fast heftig verdroß, insonderheit als ich sahe, daß sie die Nadel we¬ nig rührete, aber sage, Lieber, was kunnte ich dabei thun? -- Ging also meiner Straßen und ließ sie schwätzen bis gegen den Mittag, wo der Junker endlich sich wieder aufmachete. Doch versprach er am Dienstag, wenn der König käm, sich auch einzustellen, gläube auch, daß die ganze Insel alsdann wohl bei Coserow zusammen lau¬ fen würde. Als er fort war, und mir die vena poe¬ tica *) wie leicht zu erachten, noch verstopfet war, ließ ich meinen Wagen anspannen und fuhre im ganzen Kap¬ sel umbher, in allen Dörfern das Volk vermahnende, daß sie am Dienstag umb 9 Uhren an dem Hühnenstein vor Coserow wären, und sollten sie alle niederfallen auf ihre Kniee, wenn sie sähen, daß der König käm, und ich auf meine Knie fallen würd, item gleich einstimmen, wenn die Glocken anhüben zu läuten und ich den ambrosiani¬ schen Lobgesang intonirete. Solches versprachen sie auch alle zu thun, und nachdeme ich am Sonntag in der Kir¬ chen sie noch einmahl hiezu vermahnt und vor Se. Ma¬ jestät von ganzem Herzen, zu dem Herrn gebetet, kun¬ ten wir kaum den lieben Dienstag vor großen Freuden erharren.
*) poetische Ader.
Hierauf ſetzte er ſich vor ſie auf die Bank, und hatten ſie beide alſogleich ihr Geſchwätze, was mich faſt heftig verdroß, inſonderheit als ich ſahe, daß ſie die Nadel we¬ nig rührete, aber ſage, Lieber, was kunnte ich dabei thun? — Ging alſo meiner Straßen und ließ ſie ſchwätzen bis gegen den Mittag, wo der Junker endlich ſich wieder aufmachete. Doch verſprach er am Dienſtag, wenn der König käm, ſich auch einzuſtellen, gläube auch, daß die ganze Inſel alsdann wohl bei Coſerow zuſammen lau¬ fen würde. Als er fort war, und mir die vena poe¬ tica *) wie leicht zu erachten, noch verſtopfet war, ließ ich meinen Wagen anſpannen und fuhre im ganzen Kap¬ ſel umbher, in allen Dörfern das Volk vermahnende, daß ſie am Dienſtag umb 9 Uhren an dem Hühnenſtein vor Coſerow wären, und ſollten ſie alle niederfallen auf ihre Kniee, wenn ſie ſähen, daß der König käm, und ich auf meine Knie fallen würd, item gleich einſtimmen, wenn die Glocken anhüben zu läuten und ich den ambroſiani¬ ſchen Lobgeſang intonirete. Solches verſprachen ſie auch alle zu thun, und nachdeme ich am Sonntag in der Kir¬ chen ſie noch einmahl hiezu vermahnt und vor Se. Ma¬ jeſtät von ganzem Herzen, zu dem Herrn gebetet, kun¬ ten wir kaum den lieben Dienſtag vor großen Freuden erharren.
*) poetiſche Ader.
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Hierauf ſetzte er ſich vor ſie auf die Bank, und hatten
ſie beide alſogleich ihr Geſchwätze, was mich faſt heftig
verdroß, inſonderheit als ich ſahe, daß ſie die Nadel we¬
nig rührete, aber ſage, Lieber, was kunnte ich dabei thun?
— Ging alſo meiner Straßen und ließ ſie ſchwätzen bis
gegen den Mittag, wo der Junker endlich ſich wieder
aufmachete. Doch verſprach er am Dienſtag, wenn der
König käm, ſich auch einzuſtellen, gläube auch, daß die
ganze Inſel alsdann wohl bei Coſerow zuſammen lau¬
fen würde. Als er fort war, und mir die vena poe¬
tica *) wie leicht zu erachten, noch verſtopfet war, ließ
ich meinen Wagen anſpannen und fuhre im ganzen Kap¬
ſel umbher, in allen Dörfern das Volk vermahnende, daß
ſie am Dienſtag umb 9 Uhren an dem Hühnenſtein vor
Coſerow wären, und ſollten ſie alle niederfallen auf ihre
Kniee, wenn ſie ſähen, daß der König käm, und ich auf
meine Knie fallen würd, item gleich einſtimmen, wenn
die Glocken anhüben zu läuten und ich den ambroſiani¬
ſchen Lobgeſang intonirete. Solches verſprachen ſie auch
alle zu thun, und nachdeme ich am Sonntag in der Kir¬
chen ſie noch einmahl hiezu vermahnt und vor Se. Ma¬
jeſtät von ganzem Herzen, zu dem Herrn gebetet, kun¬
ten wir kaum den lieben Dienſtag vor großen Freuden
erharren.
*) poetiſche Ader.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/121>, abgerufen am 31.01.2025.
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