Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Das öffentliche Sachenrecht.
schädigungsleistung24. Das Recht der Selbsthülfe der öffentlichen
Verwaltung ist hier vorläufig ausgesetzt; Zwang behufs der Besitz-
ergreifung ist mithin unzulässig, Widerstand nicht strafbar (mit
selbstverständlichem Vorbehalt des besonderen Rechts der polizeilichen
Vollstreckungsbeamten, Bd. I § 25, I); gegen eine gleichwohl vor-
genommene Besitzergreifung steht die Besitzstörungsklage zu. --

An diese Schutzvorkehrungen zur Sicherung des Entschädigungs-
anspruches schließt sich nun das zweite Rechtsinstitut an. Zu Gunsten
des Unternehmers wird ein Dringlichkeitsverfahren vorge-
sehen, um ihn, unbehindert von den Verzögerungen, welche die
völlige Erledigung des Entschädigungspunktes mit sich führen mag,
der Gegenstände der Enteignung sich bemächtigen zu lassen25.

Wenn die Entschädigung festgesetzt ist und nur die Auszahlung
nicht erfolgen kann, sei es, daß der Enteignete die Annahme ver-
weigert, sei es, daß Dritte Ansprüche darauf erheben, mag das Rechts-
institut der Hinterlegung genügende Aushülfe bieten, wenigstens
scheint seine Anwendbarkeit nach der Art, wie diese Entschädigungs-
forderungen angesehen werden, thatsächlich keinem Bedenken zu
unterliegen (so ganz selbstverständlich ist die Sache freilich nicht).
Die rechtmäßig vollzogene Hinterlegung der Entschädigungssumme
steht alsdann für die Wirksammachung der Enteignung der Zahlung
gleich.

Das Dringlichkeitsverfahren hat seinen Platz da, wo das ge-
wöhnliche Hinterlegungsverfahren nicht aushelfen kann, weil die Ent-
schädigungssumme selbst noch nicht festgestellt ist.

Voraussetzung ist die Anerkennung der Dringlichkeit des Unter-
nehmens durch die hiefür zuständige Behörde auf Antrag des Unter-
nehmers. Alsdann kann die vorgängige Entschädigung ersetzt werden
durch eine Sicherstellung des Eigentümers mit einer nach vorläufiger
Schätzung bestimmten Geldsumme, die für ihn hinterlegt oder ihm
ausbezahlt werden muß.

24 Dies ist vor allem die Form des französischen und els.lothr. Rechts;
Ges. v. 3. Mai 1841 art. 53; de Lalleau, traite de l'expropr. I n. 272. Es ist
richtig, wenn G. Meyer in Wörterbuch I S. 359, Art. Enteignung § 7, aufstellt:
"Nach französischem Rechte hat der Enteigner die Befugnis, nach Zahlung oder
Hinterlegung der Entschädigung sich selbst in Besitz zu setzen", das ist überall
die Folge der rechtswirksam gewordenen Enteignung; aber unrichtig ist es, wenn
er hinzufügt: "mit dieser Besitzergreifung findet auch der Eigentumsübergang
statt". Der Eigentumsübergang hat schon vorher stattgefunden in Kraft des Ent-
eignungsausspruches unmittelbar.
25 Über das Dringlichkeitsverfahren im allgemeinen: Grünhut, Ent.R.
S. 264 ff.

Das öffentliche Sachenrecht.
schädigungsleistung24. Das Recht der Selbsthülfe der öffentlichen
Verwaltung ist hier vorläufig ausgesetzt; Zwang behufs der Besitz-
ergreifung ist mithin unzulässig, Widerstand nicht strafbar (mit
selbstverständlichem Vorbehalt des besonderen Rechts der polizeilichen
Vollstreckungsbeamten, Bd. I § 25, I); gegen eine gleichwohl vor-
genommene Besitzergreifung steht die Besitzstörungsklage zu. —

An diese Schutzvorkehrungen zur Sicherung des Entschädigungs-
anspruches schließt sich nun das zweite Rechtsinstitut an. Zu Gunsten
des Unternehmers wird ein Dringlichkeitsverfahren vorge-
sehen, um ihn, unbehindert von den Verzögerungen, welche die
völlige Erledigung des Entschädigungspunktes mit sich führen mag,
der Gegenstände der Enteignung sich bemächtigen zu lassen25.

Wenn die Entschädigung festgesetzt ist und nur die Auszahlung
nicht erfolgen kann, sei es, daß der Enteignete die Annahme ver-
weigert, sei es, daß Dritte Ansprüche darauf erheben, mag das Rechts-
institut der Hinterlegung genügende Aushülfe bieten, wenigstens
scheint seine Anwendbarkeit nach der Art, wie diese Entschädigungs-
forderungen angesehen werden, thatsächlich keinem Bedenken zu
unterliegen (so ganz selbstverständlich ist die Sache freilich nicht).
Die rechtmäßig vollzogene Hinterlegung der Entschädigungssumme
steht alsdann für die Wirksammachung der Enteignung der Zahlung
gleich.

Das Dringlichkeitsverfahren hat seinen Platz da, wo das ge-
wöhnliche Hinterlegungsverfahren nicht aushelfen kann, weil die Ent-
schädigungssumme selbst noch nicht festgestellt ist.

Voraussetzung ist die Anerkennung der Dringlichkeit des Unter-
nehmens durch die hiefür zuständige Behörde auf Antrag des Unter-
nehmers. Alsdann kann die vorgängige Entschädigung ersetzt werden
durch eine Sicherstellung des Eigentümers mit einer nach vorläufiger
Schätzung bestimmten Geldsumme, die für ihn hinterlegt oder ihm
ausbezahlt werden muß.

24 Dies ist vor allem die Form des französischen und els.lothr. Rechts;
Ges. v. 3. Mai 1841 art. 53; de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 272. Es ist
richtig, wenn G. Meyer in Wörterbuch I S. 359, Art. Enteignung § 7, aufstellt:
„Nach französischem Rechte hat der Enteigner die Befugnis, nach Zahlung oder
Hinterlegung der Entschädigung sich selbst in Besitz zu setzen“, das ist überall
die Folge der rechtswirksam gewordenen Enteignung; aber unrichtig ist es, wenn
er hinzufügt: „mit dieser Besitzergreifung findet auch der Eigentumsübergang
statt“. Der Eigentumsübergang hat schon vorher stattgefunden in Kraft des Ent-
eignungsausspruches unmittelbar.
25 Über das Dringlichkeitsverfahren im allgemeinen: Grünhut, Ent.R.
S. 264 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0058" n="46"/><fw place="top" type="header">Das öffentliche Sachenrecht.</fw><lb/>
schädigungsleistung<note place="foot" n="24">Dies ist vor allem die Form des französischen und els.lothr. Rechts;<lb/>
Ges. v. 3. Mai 1841 art. 53; <hi rendition="#g">de Lalleau,</hi> traité de l&#x2019;expropr. I n. 272. Es ist<lb/>
richtig, wenn G. <hi rendition="#g">Meyer</hi> in Wörterbuch I S. 359, Art. Enteignung § 7, aufstellt:<lb/>
&#x201E;Nach französischem Rechte hat der Enteigner die Befugnis, nach Zahlung oder<lb/>
Hinterlegung der Entschädigung sich selbst in Besitz zu setzen&#x201C;, das ist überall<lb/>
die Folge der rechtswirksam gewordenen Enteignung; aber unrichtig ist es, wenn<lb/>
er hinzufügt: &#x201E;mit dieser Besitzergreifung findet auch der Eigentumsübergang<lb/>
statt&#x201C;. Der Eigentumsübergang hat schon vorher stattgefunden in Kraft des Ent-<lb/>
eignungsausspruches unmittelbar.</note>. Das Recht der Selbsthülfe der öffentlichen<lb/>
Verwaltung ist hier vorläufig ausgesetzt; Zwang behufs der Besitz-<lb/>
ergreifung ist mithin unzulässig, Widerstand nicht strafbar (mit<lb/>
selbstverständlichem Vorbehalt des besonderen Rechts der polizeilichen<lb/>
Vollstreckungsbeamten, Bd. I § 25, I); gegen eine gleichwohl vor-<lb/>
genommene Besitzergreifung steht die Besitzstörungsklage zu. &#x2014;</p><lb/>
              <p>An diese Schutzvorkehrungen zur Sicherung des Entschädigungs-<lb/>
anspruches schließt sich nun das zweite Rechtsinstitut an. Zu Gunsten<lb/>
des Unternehmers wird ein <hi rendition="#g">Dringlichkeitsverfahren</hi> vorge-<lb/>
sehen, um ihn, unbehindert von den Verzögerungen, welche die<lb/>
völlige Erledigung des Entschädigungspunktes mit sich führen mag,<lb/>
der Gegenstände der Enteignung sich bemächtigen zu lassen<note place="foot" n="25">Über das Dringlichkeitsverfahren im allgemeinen: <hi rendition="#g">Grünhut,</hi> Ent.R.<lb/>
S. 264 ff.</note>.</p><lb/>
              <p>Wenn die Entschädigung festgesetzt ist und nur die Auszahlung<lb/>
nicht erfolgen kann, sei es, daß der Enteignete die Annahme ver-<lb/>
weigert, sei es, daß Dritte Ansprüche darauf erheben, mag das Rechts-<lb/>
institut der <hi rendition="#g">Hinterlegung</hi> genügende Aushülfe bieten, wenigstens<lb/>
scheint seine Anwendbarkeit nach der Art, wie diese Entschädigungs-<lb/>
forderungen angesehen werden, thatsächlich keinem Bedenken zu<lb/>
unterliegen (so ganz selbstverständlich ist die Sache freilich nicht).<lb/>
Die rechtmäßig vollzogene Hinterlegung der Entschädigungssumme<lb/>
steht alsdann für die Wirksammachung der Enteignung der Zahlung<lb/>
gleich.</p><lb/>
              <p>Das Dringlichkeitsverfahren hat seinen Platz da, wo das ge-<lb/>
wöhnliche Hinterlegungsverfahren nicht aushelfen kann, weil die Ent-<lb/>
schädigungssumme selbst noch nicht festgestellt ist.</p><lb/>
              <p>Voraussetzung ist die Anerkennung der Dringlichkeit des Unter-<lb/>
nehmens durch die hiefür zuständige Behörde auf Antrag des Unter-<lb/>
nehmers. Alsdann kann die vorgängige Entschädigung ersetzt werden<lb/>
durch eine Sicherstellung des Eigentümers mit einer nach vorläufiger<lb/>
Schätzung bestimmten Geldsumme, die für ihn hinterlegt oder ihm<lb/>
ausbezahlt werden muß.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0058] Das öffentliche Sachenrecht. schädigungsleistung 24. Das Recht der Selbsthülfe der öffentlichen Verwaltung ist hier vorläufig ausgesetzt; Zwang behufs der Besitz- ergreifung ist mithin unzulässig, Widerstand nicht strafbar (mit selbstverständlichem Vorbehalt des besonderen Rechts der polizeilichen Vollstreckungsbeamten, Bd. I § 25, I); gegen eine gleichwohl vor- genommene Besitzergreifung steht die Besitzstörungsklage zu. — An diese Schutzvorkehrungen zur Sicherung des Entschädigungs- anspruches schließt sich nun das zweite Rechtsinstitut an. Zu Gunsten des Unternehmers wird ein Dringlichkeitsverfahren vorge- sehen, um ihn, unbehindert von den Verzögerungen, welche die völlige Erledigung des Entschädigungspunktes mit sich führen mag, der Gegenstände der Enteignung sich bemächtigen zu lassen 25. Wenn die Entschädigung festgesetzt ist und nur die Auszahlung nicht erfolgen kann, sei es, daß der Enteignete die Annahme ver- weigert, sei es, daß Dritte Ansprüche darauf erheben, mag das Rechts- institut der Hinterlegung genügende Aushülfe bieten, wenigstens scheint seine Anwendbarkeit nach der Art, wie diese Entschädigungs- forderungen angesehen werden, thatsächlich keinem Bedenken zu unterliegen (so ganz selbstverständlich ist die Sache freilich nicht). Die rechtmäßig vollzogene Hinterlegung der Entschädigungssumme steht alsdann für die Wirksammachung der Enteignung der Zahlung gleich. Das Dringlichkeitsverfahren hat seinen Platz da, wo das ge- wöhnliche Hinterlegungsverfahren nicht aushelfen kann, weil die Ent- schädigungssumme selbst noch nicht festgestellt ist. Voraussetzung ist die Anerkennung der Dringlichkeit des Unter- nehmens durch die hiefür zuständige Behörde auf Antrag des Unter- nehmers. Alsdann kann die vorgängige Entschädigung ersetzt werden durch eine Sicherstellung des Eigentümers mit einer nach vorläufiger Schätzung bestimmten Geldsumme, die für ihn hinterlegt oder ihm ausbezahlt werden muß. 24 Dies ist vor allem die Form des französischen und els.lothr. Rechts; Ges. v. 3. Mai 1841 art. 53; de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 272. Es ist richtig, wenn G. Meyer in Wörterbuch I S. 359, Art. Enteignung § 7, aufstellt: „Nach französischem Rechte hat der Enteigner die Befugnis, nach Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigung sich selbst in Besitz zu setzen“, das ist überall die Folge der rechtswirksam gewordenen Enteignung; aber unrichtig ist es, wenn er hinzufügt: „mit dieser Besitzergreifung findet auch der Eigentumsübergang statt“. Der Eigentumsübergang hat schon vorher stattgefunden in Kraft des Ent- eignungsausspruches unmittelbar. 25 Über das Dringlichkeitsverfahren im allgemeinen: Grünhut, Ent.R. S. 264 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/58
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/58>, abgerufen am 22.11.2024.