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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
des Nichtsollens, das er für diesen Fall gesetzt hatte. Die Rück-
zahlung wird damit von selbst zum Gegenstand eines subjektiven
öffentlichen Rechts des Verletzten, gerade so wie die Wiederaufhebung
der rechtswidrigen Maßregel. Das ist aber keine Eigentümlichkeit
der Ansprüche zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
sondern die gemeinsame Ordnung der Wirksamkeit aller öffentlich-
rechtlichen Verpflichtungsgründe, wo ihrem Gegenstande nach eine
Rückerstattung denkbar ist13.

2. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erhalten,
wie wir sahen, vielfach durch die über ihnen stehende Rechtsordnung
gemeinsame Aufgaben gesetzt, so daß jedem Körper bestimmt ist, was
er zur Erfüllung dieser Aufgabe beizutragen hat. Dadurch entstehen
jedesmal zugleich Rechte und Pflichten zwischen ihnen: jeder ist auch
dem anderen gegenüber verpflichtet, den ihn treffenden Anteil zu
leisten und zu tragen. Eine solche Gemeinsamkeit kann mit der
gleichen Wirkung auch hergestellt werden für einzelne Geschäfte
der von jedem zu führenden Verwaltung. Die Form ist die überein-
stimmender Willenserklärungen der beteiligten juristischen Personen,
welche den Gegenstand des gemeinsamen Unternehmens und den An-
teil einer jeden festsetzen. Man bezeichnet das als Vertrag14. Das

13 Bd. I S. 425. In dem obigen Gedankengange wird der Rückforderungs-
anspruch begründet in R.G. 2. Febr. 1884 (Samml. XI S. 70). Glaessing, cond.
ind. S. 119, will versuchen, "ob nicht ein öffentlichrechtlicher Kondiktionsbegriff
auf den Sätzen des öffentlichen Rechts aufgebaut werden kann". Er findet diesen
in dem Rechtsmittel einer öffentlichrechtlichen restitutio in integrum. Unseres
Erachtens kommt es vor allem darauf an, wie aus dem Vollzug des ungültigen
öffentlichrechtlichen Forderungstitels der Rückforderungsanspruch entsteht auch
ohne die nicht nachweisbare besondere Rechtsgrundlage; das Rechtsmittel, um
diesen geltend zu machen, findet sich bei uns wohl von selbst in der grundsätz-
lichen Zuständigkeit der Civilgerichte.
14 Seydel, Bayr. St.R. III S. 64 ff.; Roesler, V.R. I S. 187; v. Stengel,
V.R. S. 131; Jellinek, Subj. öff. R. S. 195. -- Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 31:
Übereinkunft zwischen Gemeinde und Staat wegen Bau und Unterhaltung eines
Gemeindewegs, der dem Staate zugleich als Leinpfad dienen soll; das Ministerium
erklärt das für einen öffentlichrechtlichen Vertrag. Ebenso in Bl. f. adm. Pr. 1874
S. 379 die Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Straßenbau. Bl. f. adm.
Pr. 1885 S. 396: Vertrag über gemeinsamen Brückenbau ist öffentlichrechtlicher
Natur, "weil die Ortsgemeinden dabei in Erfüllung öffentlicher Pflichten gehandelt
haben". Solche "Gemeindeverbindungen zu einzelnen Anstalten und Unter-
nehmungen" können auch in der Weise geschlossen werden, daß der eine Gesell-
schafter die Anstalt herstellt und betreibt, der andere einen Beitrag zahlen soll.
Um die Zuständigkeit der Civilgerichte für diese Forderung zu gewinnen, be-
handelt man das gern als civilrechtlichen Vertrag. O.Tr. 12. Juni 1859 (Str. 14
S. 52): Straßenbau mit Zuschußversprechen der Gemeinde; O.V.G. 3. Sept. 1884:

Das Recht der juristischen Personen.
des Nichtsollens, das er für diesen Fall gesetzt hatte. Die Rück-
zahlung wird damit von selbst zum Gegenstand eines subjektiven
öffentlichen Rechts des Verletzten, gerade so wie die Wiederaufhebung
der rechtswidrigen Maßregel. Das ist aber keine Eigentümlichkeit
der Ansprüche zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
sondern die gemeinsame Ordnung der Wirksamkeit aller öffentlich-
rechtlichen Verpflichtungsgründe, wo ihrem Gegenstande nach eine
Rückerstattung denkbar ist13.

2. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erhalten,
wie wir sahen, vielfach durch die über ihnen stehende Rechtsordnung
gemeinsame Aufgaben gesetzt, so daß jedem Körper bestimmt ist, was
er zur Erfüllung dieser Aufgabe beizutragen hat. Dadurch entstehen
jedesmal zugleich Rechte und Pflichten zwischen ihnen: jeder ist auch
dem anderen gegenüber verpflichtet, den ihn treffenden Anteil zu
leisten und zu tragen. Eine solche Gemeinsamkeit kann mit der
gleichen Wirkung auch hergestellt werden für einzelne Geschäfte
der von jedem zu führenden Verwaltung. Die Form ist die überein-
stimmender Willenserklärungen der beteiligten juristischen Personen,
welche den Gegenstand des gemeinsamen Unternehmens und den An-
teil einer jeden festsetzen. Man bezeichnet das als Vertrag14. Das

13 Bd. I S. 425. In dem obigen Gedankengange wird der Rückforderungs-
anspruch begründet in R.G. 2. Febr. 1884 (Samml. XI S. 70). Glaessing, cond.
ind. S. 119, will versuchen, „ob nicht ein öffentlichrechtlicher Kondiktionsbegriff
auf den Sätzen des öffentlichen Rechts aufgebaut werden kann“. Er findet diesen
in dem Rechtsmittel einer öffentlichrechtlichen restitutio in integrum. Unseres
Erachtens kommt es vor allem darauf an, wie aus dem Vollzug des ungültigen
öffentlichrechtlichen Forderungstitels der Rückforderungsanspruch entsteht auch
ohne die nicht nachweisbare besondere Rechtsgrundlage; das Rechtsmittel, um
diesen geltend zu machen, findet sich bei uns wohl von selbst in der grundsätz-
lichen Zuständigkeit der Civilgerichte.
14 Seydel, Bayr. St.R. III S. 64 ff.; Roesler, V.R. I S. 187; v. Stengel,
V.R. S. 131; Jellinek, Subj. öff. R. S. 195. — Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 31:
Übereinkunft zwischen Gemeinde und Staat wegen Bau und Unterhaltung eines
Gemeindewegs, der dem Staate zugleich als Leinpfad dienen soll; das Ministerium
erklärt das für einen öffentlichrechtlichen Vertrag. Ebenso in Bl. f. adm. Pr. 1874
S. 379 die Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Straßenbau. Bl. f. adm.
Pr. 1885 S. 396: Vertrag über gemeinsamen Brückenbau ist öffentlichrechtlicher
Natur, „weil die Ortsgemeinden dabei in Erfüllung öffentlicher Pflichten gehandelt
haben“. Solche „Gemeindeverbindungen zu einzelnen Anstalten und Unter-
nehmungen“ können auch in der Weise geschlossen werden, daß der eine Gesell-
schafter die Anstalt herstellt und betreibt, der andere einen Beitrag zahlen soll.
Um die Zuständigkeit der Civilgerichte für diese Forderung zu gewinnen, be-
handelt man das gern als civilrechtlichen Vertrag. O.Tr. 12. Juni 1859 (Str. 14
S. 52): Straßenbau mit Zuschußversprechen der Gemeinde; O.V.G. 3. Sept. 1884:
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[430/0442] Das Recht der juristischen Personen. des Nichtsollens, das er für diesen Fall gesetzt hatte. Die Rück- zahlung wird damit von selbst zum Gegenstand eines subjektiven öffentlichen Rechts des Verletzten, gerade so wie die Wiederaufhebung der rechtswidrigen Maßregel. Das ist aber keine Eigentümlichkeit der Ansprüche zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern die gemeinsame Ordnung der Wirksamkeit aller öffentlich- rechtlichen Verpflichtungsgründe, wo ihrem Gegenstande nach eine Rückerstattung denkbar ist 13. 2. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erhalten, wie wir sahen, vielfach durch die über ihnen stehende Rechtsordnung gemeinsame Aufgaben gesetzt, so daß jedem Körper bestimmt ist, was er zur Erfüllung dieser Aufgabe beizutragen hat. Dadurch entstehen jedesmal zugleich Rechte und Pflichten zwischen ihnen: jeder ist auch dem anderen gegenüber verpflichtet, den ihn treffenden Anteil zu leisten und zu tragen. Eine solche Gemeinsamkeit kann mit der gleichen Wirkung auch hergestellt werden für einzelne Geschäfte der von jedem zu führenden Verwaltung. Die Form ist die überein- stimmender Willenserklärungen der beteiligten juristischen Personen, welche den Gegenstand des gemeinsamen Unternehmens und den An- teil einer jeden festsetzen. Man bezeichnet das als Vertrag 14. Das 13 Bd. I S. 425. In dem obigen Gedankengange wird der Rückforderungs- anspruch begründet in R.G. 2. Febr. 1884 (Samml. XI S. 70). Glaessing, cond. ind. S. 119, will versuchen, „ob nicht ein öffentlichrechtlicher Kondiktionsbegriff auf den Sätzen des öffentlichen Rechts aufgebaut werden kann“. Er findet diesen in dem Rechtsmittel einer öffentlichrechtlichen restitutio in integrum. Unseres Erachtens kommt es vor allem darauf an, wie aus dem Vollzug des ungültigen öffentlichrechtlichen Forderungstitels der Rückforderungsanspruch entsteht auch ohne die nicht nachweisbare besondere Rechtsgrundlage; das Rechtsmittel, um diesen geltend zu machen, findet sich bei uns wohl von selbst in der grundsätz- lichen Zuständigkeit der Civilgerichte. 14 Seydel, Bayr. St.R. III S. 64 ff.; Roesler, V.R. I S. 187; v. Stengel, V.R. S. 131; Jellinek, Subj. öff. R. S. 195. — Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 31: Übereinkunft zwischen Gemeinde und Staat wegen Bau und Unterhaltung eines Gemeindewegs, der dem Staate zugleich als Leinpfad dienen soll; das Ministerium erklärt das für einen öffentlichrechtlichen Vertrag. Ebenso in Bl. f. adm. Pr. 1874 S. 379 die Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Straßenbau. Bl. f. adm. Pr. 1885 S. 396: Vertrag über gemeinsamen Brückenbau ist öffentlichrechtlicher Natur, „weil die Ortsgemeinden dabei in Erfüllung öffentlicher Pflichten gehandelt haben“. Solche „Gemeindeverbindungen zu einzelnen Anstalten und Unter- nehmungen“ können auch in der Weise geschlossen werden, daß der eine Gesell- schafter die Anstalt herstellt und betreibt, der andere einen Beitrag zahlen soll. Um die Zuständigkeit der Civilgerichte für diese Forderung zu gewinnen, be- handelt man das gern als civilrechtlichen Vertrag. O.Tr. 12. Juni 1859 (Str. 14 S. 52): Straßenbau mit Zuschußversprechen der Gemeinde; O.V.G. 3. Sept. 1884:

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/442>, abgerufen am 25.11.2024.