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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
denn gegenüber dem Willen des Gesetzes giebt es kein subjektives
Recht. Nur die Regierung und ihre Behörden bedürfen eines be-
sondern Grundes, um auch ihrerseits den Eingriff machen zu können.
Und wo für sie ein derartiger besonderer Grund gegeben ist, sprechen
wir von einem Aufsichtsrechte des Staates.

Solche Aufsichtsrechte des Staates können auf zweierlei Weise
begründet sein: durch gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Rechts-
satz,
welcher der Regierung die Ermächtigung zu solchen Eingriffen
erteilt3, oder durch einen Vorbehalt im Statut. Das letztere be-
deutet die Begründung eines Aufsichtsrechtes durch Verwaltungsakt.
Vorausgesetzt ist, daß es sich um eine juristische Person handelt,
deren Anerkennung ganz oder in gewissem Maße der Regierung an-
heimgestellt ist. Das ist das Gewöhnliche bei öffentlichen Stiftungen,
Anstalten und Genossenschaften. Die Anerkennung erfolgt durch
Verwaltungsakt und dieser bestimmt zugleich das Nähere über die
Verfassung durch Verleihung oder Genehmigung eines Statuts (vgl.
oben § 57, I n. 3). Dieses Statut nun kann Aufsichtsrechte vor-
behalten. Dazu bedarf es keiner besondern gesetzlichen Ermächtigung.
Es ist keine neue Belastung, keine Auflage, welche die Regierung
damit macht: sie giebt nur weniger, als sie geben könnte. Die
juristische Persönlichkeit wird von vornherein geschaffen mit einer
geminderten Freiheit und Selbständigkeit, welche eben der Aufsichts-
gewalt entspricht. Durch derartige Bestimmungen wird daher das
verfassungsmäßig dem Gesetze vorbehaltene Gebiet nicht berührt4.

Wo weder in der einen, noch in der anderen Weise ein Aufsichts-
recht begründet worden ist, besteht keines: das wird ja thatsächlich
nicht leicht vorkommen. Denn dem Selbstverwaltungskörper ist es

3 Wenn als solcher im preuß. Recht A.L.R. II, 6 § 191 gilt, so ist davon
das nämliche zu sagen, wie von den bekannten polizeilichen Ermächtigungen in
A.L.R. II, 17 § 10 (Bd. I § 20 Note 3): der Form des Verfassungsstaates ist durch
solche übernommene Gesetze genügt, aber im Sinne des Rechtsstaates sind der-
artige schrankenlose Ermächtigungen nicht. Vgl. v. Roenne, Preuß. St.R. II
S. 205 Note 2; Foerster-Eccius, Preuß. Priv.R. IV S. 66a Note.
4 Rosin, Öff. Gen. S. 109, geht also zu weit, wenn er meint: "Nach den
Grundsätzen des Rechtsstaates (richtiger: Verfassungsstaates) ... stehen der staat-
lichen Aufsichtsbehörde zur Geltendmachung ihres Aufsichtsrechts nur diejenigen
Mittel zu Gebote, welche ihr das Gesetz bewilligt". Bei den Gemeinden, auf die
er sich beruft (S. 107 Note 19; S. 119 Note 26), trifft das allerdings zu; aber bei
diesen findet sich eben auch kein Verfassungsstatut (oben § 57, I n. 3). -- Der
Umstand, daß das Statut Verwaltungsakt ist, kann bedeutsam werden, wo etwa
ein Rechtsschutzmittel nur für Verletzung eines "Gesetzes" gegeben ist (Bd. I
S. 192).

Das Recht der juristischen Personen.
denn gegenüber dem Willen des Gesetzes giebt es kein subjektives
Recht. Nur die Regierung und ihre Behörden bedürfen eines be-
sondern Grundes, um auch ihrerseits den Eingriff machen zu können.
Und wo für sie ein derartiger besonderer Grund gegeben ist, sprechen
wir von einem Aufsichtsrechte des Staates.

Solche Aufsichtsrechte des Staates können auf zweierlei Weise
begründet sein: durch gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Rechts-
satz,
welcher der Regierung die Ermächtigung zu solchen Eingriffen
erteilt3, oder durch einen Vorbehalt im Statut. Das letztere be-
deutet die Begründung eines Aufsichtsrechtes durch Verwaltungsakt.
Vorausgesetzt ist, daß es sich um eine juristische Person handelt,
deren Anerkennung ganz oder in gewissem Maße der Regierung an-
heimgestellt ist. Das ist das Gewöhnliche bei öffentlichen Stiftungen,
Anstalten und Genossenschaften. Die Anerkennung erfolgt durch
Verwaltungsakt und dieser bestimmt zugleich das Nähere über die
Verfassung durch Verleihung oder Genehmigung eines Statuts (vgl.
oben § 57, I n. 3). Dieses Statut nun kann Aufsichtsrechte vor-
behalten. Dazu bedarf es keiner besondern gesetzlichen Ermächtigung.
Es ist keine neue Belastung, keine Auflage, welche die Regierung
damit macht: sie giebt nur weniger, als sie geben könnte. Die
juristische Persönlichkeit wird von vornherein geschaffen mit einer
geminderten Freiheit und Selbständigkeit, welche eben der Aufsichts-
gewalt entspricht. Durch derartige Bestimmungen wird daher das
verfassungsmäßig dem Gesetze vorbehaltene Gebiet nicht berührt4.

Wo weder in der einen, noch in der anderen Weise ein Aufsichts-
recht begründet worden ist, besteht keines: das wird ja thatsächlich
nicht leicht vorkommen. Denn dem Selbstverwaltungskörper ist es

3 Wenn als solcher im preuß. Recht A.L.R. II, 6 § 191 gilt, so ist davon
das nämliche zu sagen, wie von den bekannten polizeilichen Ermächtigungen in
A.L.R. II, 17 § 10 (Bd. I § 20 Note 3): der Form des Verfassungsstaates ist durch
solche übernommene Gesetze genügt, aber im Sinne des Rechtsstaates sind der-
artige schrankenlose Ermächtigungen nicht. Vgl. v. Roenne, Preuß. St.R. II
S. 205 Note 2; Foerster-Eccius, Preuß. Priv.R. IV S. 66a Note.
4 Rosin, Öff. Gen. S. 109, geht also zu weit, wenn er meint: „Nach den
Grundsätzen des Rechtsstaates (richtiger: Verfassungsstaates) … stehen der staat-
lichen Aufsichtsbehörde zur Geltendmachung ihres Aufsichtsrechts nur diejenigen
Mittel zu Gebote, welche ihr das Gesetz bewilligt“. Bei den Gemeinden, auf die
er sich beruft (S. 107 Note 19; S. 119 Note 26), trifft das allerdings zu; aber bei
diesen findet sich eben auch kein Verfassungsstatut (oben § 57, I n. 3). — Der
Umstand, daß das Statut Verwaltungsakt ist, kann bedeutsam werden, wo etwa
ein Rechtsschutzmittel nur für Verletzung eines „Gesetzes“ gegeben ist (Bd. I
S. 192).
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[412/0424] Das Recht der juristischen Personen. denn gegenüber dem Willen des Gesetzes giebt es kein subjektives Recht. Nur die Regierung und ihre Behörden bedürfen eines be- sondern Grundes, um auch ihrerseits den Eingriff machen zu können. Und wo für sie ein derartiger besonderer Grund gegeben ist, sprechen wir von einem Aufsichtsrechte des Staates. Solche Aufsichtsrechte des Staates können auf zweierlei Weise begründet sein: durch gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Rechts- satz, welcher der Regierung die Ermächtigung zu solchen Eingriffen erteilt 3, oder durch einen Vorbehalt im Statut. Das letztere be- deutet die Begründung eines Aufsichtsrechtes durch Verwaltungsakt. Vorausgesetzt ist, daß es sich um eine juristische Person handelt, deren Anerkennung ganz oder in gewissem Maße der Regierung an- heimgestellt ist. Das ist das Gewöhnliche bei öffentlichen Stiftungen, Anstalten und Genossenschaften. Die Anerkennung erfolgt durch Verwaltungsakt und dieser bestimmt zugleich das Nähere über die Verfassung durch Verleihung oder Genehmigung eines Statuts (vgl. oben § 57, I n. 3). Dieses Statut nun kann Aufsichtsrechte vor- behalten. Dazu bedarf es keiner besondern gesetzlichen Ermächtigung. Es ist keine neue Belastung, keine Auflage, welche die Regierung damit macht: sie giebt nur weniger, als sie geben könnte. Die juristische Persönlichkeit wird von vornherein geschaffen mit einer geminderten Freiheit und Selbständigkeit, welche eben der Aufsichts- gewalt entspricht. Durch derartige Bestimmungen wird daher das verfassungsmäßig dem Gesetze vorbehaltene Gebiet nicht berührt 4. Wo weder in der einen, noch in der anderen Weise ein Aufsichts- recht begründet worden ist, besteht keines: das wird ja thatsächlich nicht leicht vorkommen. Denn dem Selbstverwaltungskörper ist es 3 Wenn als solcher im preuß. Recht A.L.R. II, 6 § 191 gilt, so ist davon das nämliche zu sagen, wie von den bekannten polizeilichen Ermächtigungen in A.L.R. II, 17 § 10 (Bd. I § 20 Note 3): der Form des Verfassungsstaates ist durch solche übernommene Gesetze genügt, aber im Sinne des Rechtsstaates sind der- artige schrankenlose Ermächtigungen nicht. Vgl. v. Roenne, Preuß. St.R. II S. 205 Note 2; Foerster-Eccius, Preuß. Priv.R. IV S. 66a Note. 4 Rosin, Öff. Gen. S. 109, geht also zu weit, wenn er meint: „Nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (richtiger: Verfassungsstaates) … stehen der staat- lichen Aufsichtsbehörde zur Geltendmachung ihres Aufsichtsrechts nur diejenigen Mittel zu Gebote, welche ihr das Gesetz bewilligt“. Bei den Gemeinden, auf die er sich beruft (S. 107 Note 19; S. 119 Note 26), trifft das allerdings zu; aber bei diesen findet sich eben auch kein Verfassungsstatut (oben § 57, I n. 3). — Der Umstand, daß das Statut Verwaltungsakt ist, kann bedeutsam werden, wo etwa ein Rechtsschutzmittel nur für Verletzung eines „Gesetzes“ gegeben ist (Bd. I S. 192).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/424>, abgerufen am 22.11.2024.