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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.

3. Unsere Selbstverwaltungskörper stehen sämtlich, obwohl Per-
sonen für sich, in einem ganz besonderen Zusammenhange
mit dem Staate,
als dem obersten Ausgangspunkte aller öffent-
lichen Verwaltung, von der sie ein Stück haben. Das äußert sich in
verschiedenen Eigentümlichkeiten ihrer Stellung. Keine für sich allein
ist geeignet, ein durchgehendes Unterscheidungsmerkmal abzugeben;
immer umfaßt das entweder zu viel, d. h. auch anderes als juristische
Personen des öffentlichen Rechtes, oder zu wenig, d. h. nicht alle.

Man bezeichnet sie wohl als Glieder des staatlichen Or-
ganismus
. Soll das bloß heißen, daß sie zu dem Apparate gehören,
durch welchen im Staate öffentliche Verwaltung geführt wird, so ist
es nicht mehr als eine Tautologie. Sollen sie aber dadurch in An-
spruch genommen werden als wesentliche Stücke der staatlichen Be-
hördenorganisation, welche sie vervollständigen, so trifft das nur zu
bei den Gemeinden unterer und oberer Gattung, wohl auch bei
manchen Stiftungen; die große Masse der öffentlichen Stiftungen und
Genossenschaften hat aber ganz abseits dieser großen Ordnung ihren
stillen Platz.

Dieselbe Thatsache, daß sie öffentliche Verwaltung haben sollen,
die ja eigentlich in vollem Umfange dem Staate gehört, bringt es mit
sich, daß die Entstehung solcher Körper bedingt wird durch einen
schöpferischen Akt der Staatsgewalt, die Anerkennung des Selbst-
verwaltungskörpers
. Allein einerseits sind gerade die wichtigsten
darunter, die Gemeinden, einfach übernommen aus geschichtlichen Vor-
stufen, wo der Staat in ganz anderem Verhältnisse dazu stand. Und
andererseits finden solche Anerkennungen der juristischen Persönlich-
keit, je nach dem Stande des Civilrechtes, ihren Platz auch bei Ent-
stehung juristischer Personen, die diesem angehören; der Unterschied
ist nur, daß diese nicht anerkannt werden behufs Führung öffentlicher

Verhältnis des Selbstverwaltungskörpers zu der ihm gebührenden Verwaltung sehr
gut gekennzeichnet, indem er fordert, daß dieser Zweck sein "Lebenszweck", das
"Centrum der Persönlichkeit" sein müsse. Er widerspricht deshalb mit Recht
(Seite 24 Note) v. Stengel, V.R. S. 15, der auch Eisenbahn-Aktiengesellschaften
und Zettelbanken von Aktienvereinen zu den Selbstverwaltungskörpern rechnet.
Aber auch die Reichsbank, welche Rosin geneigt ist den juristischen Personen
des öffentlichen Rechtes beizuzählen (Öff. Gen. S. 50), ist nichts anderes, als eine
beliehene juristische Person nach diesem Muster; der Betrieb der öffentlichen An-
stalt, die ihr überlassen wurde, (ist für sie "nur das Mittel, durch dessen Ver-
wendung sie ihren eigentlichen Zweck, den Vermögensvorteil ihrer Mitglieder, zu
erreichen glaubt".
Das Recht der juristischen Personen.

3. Unsere Selbstverwaltungskörper stehen sämtlich, obwohl Per-
sonen für sich, in einem ganz besonderen Zusammenhange
mit dem Staate,
als dem obersten Ausgangspunkte aller öffent-
lichen Verwaltung, von der sie ein Stück haben. Das äußert sich in
verschiedenen Eigentümlichkeiten ihrer Stellung. Keine für sich allein
ist geeignet, ein durchgehendes Unterscheidungsmerkmal abzugeben;
immer umfaßt das entweder zu viel, d. h. auch anderes als juristische
Personen des öffentlichen Rechtes, oder zu wenig, d. h. nicht alle.

Man bezeichnet sie wohl als Glieder des staatlichen Or-
ganismus
. Soll das bloß heißen, daß sie zu dem Apparate gehören,
durch welchen im Staate öffentliche Verwaltung geführt wird, so ist
es nicht mehr als eine Tautologie. Sollen sie aber dadurch in An-
spruch genommen werden als wesentliche Stücke der staatlichen Be-
hördenorganisation, welche sie vervollständigen, so trifft das nur zu
bei den Gemeinden unterer und oberer Gattung, wohl auch bei
manchen Stiftungen; die große Masse der öffentlichen Stiftungen und
Genossenschaften hat aber ganz abseits dieser großen Ordnung ihren
stillen Platz.

Dieselbe Thatsache, daß sie öffentliche Verwaltung haben sollen,
die ja eigentlich in vollem Umfange dem Staate gehört, bringt es mit
sich, daß die Entstehung solcher Körper bedingt wird durch einen
schöpferischen Akt der Staatsgewalt, die Anerkennung des Selbst-
verwaltungskörpers
. Allein einerseits sind gerade die wichtigsten
darunter, die Gemeinden, einfach übernommen aus geschichtlichen Vor-
stufen, wo der Staat in ganz anderem Verhältnisse dazu stand. Und
andererseits finden solche Anerkennungen der juristischen Persönlich-
keit, je nach dem Stande des Civilrechtes, ihren Platz auch bei Ent-
stehung juristischer Personen, die diesem angehören; der Unterschied
ist nur, daß diese nicht anerkannt werden behufs Führung öffentlicher

Verhältnis des Selbstverwaltungskörpers zu der ihm gebührenden Verwaltung sehr
gut gekennzeichnet, indem er fordert, daß dieser Zweck sein „Lebenszweck“, das
„Centrum der Persönlichkeit“ sein müsse. Er widerspricht deshalb mit Recht
(Seite 24 Note) v. Stengel, V.R. S. 15, der auch Eisenbahn-Aktiengesellschaften
und Zettelbanken von Aktienvereinen zu den Selbstverwaltungskörpern rechnet.
Aber auch die Reichsbank, welche Rosin geneigt ist den juristischen Personen
des öffentlichen Rechtes beizuzählen (Öff. Gen. S. 50), ist nichts anderes, als eine
beliehene juristische Person nach diesem Muster; der Betrieb der öffentlichen An-
stalt, die ihr überlassen wurde, (ist für sie „nur das Mittel, durch dessen Ver-
wendung sie ihren eigentlichen Zweck, den Vermögensvorteil ihrer Mitglieder, zu
erreichen glaubt“.
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[374/0386] Das Recht der juristischen Personen. 3. Unsere Selbstverwaltungskörper stehen sämtlich, obwohl Per- sonen für sich, in einem ganz besonderen Zusammenhange mit dem Staate, als dem obersten Ausgangspunkte aller öffent- lichen Verwaltung, von der sie ein Stück haben. Das äußert sich in verschiedenen Eigentümlichkeiten ihrer Stellung. Keine für sich allein ist geeignet, ein durchgehendes Unterscheidungsmerkmal abzugeben; immer umfaßt das entweder zu viel, d. h. auch anderes als juristische Personen des öffentlichen Rechtes, oder zu wenig, d. h. nicht alle. Man bezeichnet sie wohl als Glieder des staatlichen Or- ganismus. Soll das bloß heißen, daß sie zu dem Apparate gehören, durch welchen im Staate öffentliche Verwaltung geführt wird, so ist es nicht mehr als eine Tautologie. Sollen sie aber dadurch in An- spruch genommen werden als wesentliche Stücke der staatlichen Be- hördenorganisation, welche sie vervollständigen, so trifft das nur zu bei den Gemeinden unterer und oberer Gattung, wohl auch bei manchen Stiftungen; die große Masse der öffentlichen Stiftungen und Genossenschaften hat aber ganz abseits dieser großen Ordnung ihren stillen Platz. Dieselbe Thatsache, daß sie öffentliche Verwaltung haben sollen, die ja eigentlich in vollem Umfange dem Staate gehört, bringt es mit sich, daß die Entstehung solcher Körper bedingt wird durch einen schöpferischen Akt der Staatsgewalt, die Anerkennung des Selbst- verwaltungskörpers. Allein einerseits sind gerade die wichtigsten darunter, die Gemeinden, einfach übernommen aus geschichtlichen Vor- stufen, wo der Staat in ganz anderem Verhältnisse dazu stand. Und andererseits finden solche Anerkennungen der juristischen Persönlich- keit, je nach dem Stande des Civilrechtes, ihren Platz auch bei Ent- stehung juristischer Personen, die diesem angehören; der Unterschied ist nur, daß diese nicht anerkannt werden behufs Führung öffentlicher 11 11 Verhältnis des Selbstverwaltungskörpers zu der ihm gebührenden Verwaltung sehr gut gekennzeichnet, indem er fordert, daß dieser Zweck sein „Lebenszweck“, das „Centrum der Persönlichkeit“ sein müsse. Er widerspricht deshalb mit Recht (Seite 24 Note) v. Stengel, V.R. S. 15, der auch Eisenbahn-Aktiengesellschaften und Zettelbanken von Aktienvereinen zu den Selbstverwaltungskörpern rechnet. Aber auch die Reichsbank, welche Rosin geneigt ist den juristischen Personen des öffentlichen Rechtes beizuzählen (Öff. Gen. S. 50), ist nichts anderes, als eine beliehene juristische Person nach diesem Muster; der Betrieb der öffentlichen An- stalt, die ihr überlassen wurde, (ist für sie „nur das Mittel, durch dessen Ver- wendung sie ihren eigentlichen Zweck, den Vermögensvorteil ihrer Mitglieder, zu erreichen glaubt“.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/386>, abgerufen am 22.11.2024.