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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
nur das ist eine Last, die ihm auferlegt wird. Dem entspricht auch
der Begriff des Opfers: ein Opfer kann nur bringen, wer etwas hat.
Auch wo es nicht ausdrücklich gesagt ist, ist also der Rechtssatz, der
öffentlichrechtliche Entschädigung zusagt, nur so zu verstehen, daß
ein Eingriff in den unmittelbaren rechtlichen Machtkreis
des Individuums
vorausgesetzt wird9. Dazu gehört als eigenstes
Rechtsgut die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit
und Arbeitskraft. Darum lagern sich Sachgüter, welche durch irgend
eine rechtliche Zugehörigkeit mit der Person verbunden sind: Eigen-
tum, Recht an fremder Sache, obligatorisches Gebrauchsrecht, Besitz.
Sodann erworbene Rechte auf ein bestimmtes Verhalten Anderer, auf
Leisten oder Unterlassen: Privilegien, Monopole, ausschließliche
Gewerberechte, aus neuerer Zeit das sogenannte geistige oder ge-
werbliche Eigentum. Auch subjektive öffentliche Rechte sind hierher
zu zählen; die Verleihung in ihren verschiedenen Anwendungen hat
dafür schon Beispiele geliefert.

Der Nachteil, der zugefügt wird, ohne ein derartiges Gut un-
mittelbar zu entziehen oder in seinem Bestande zu verletzen, macht
den Rechtssatz über öffentlichrechtliche Entschädigung nicht an-
wendbar10.

9 Das ist gemeint, wenn immer wieder gesagt wird, die Entschädigung setze
voraus einen Eingriff in erworbene Rechte, wohlerworbene Rechte, individuelle
Rechte, Privatrechte: Zachariae, St.R. II §§ 152, 153; Pfeiffer, Prakt.
Ausf. III S. 258; v. Sarwey, Off. R. u. V.R.Pfl. S. 373; Grünhut, Ent.R.
S. 10; Preuß. Ges. v. 11. Mai 1841 § 4 (dazu Oppenhoff, Ressortverf. S. 354
n. 101 ff.); Bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877 (Samml. VII S. 50). Eine Rechtsverletzung
ist damit nicht in Frage; der Zwang, "Rechte und Vorteile aufzuopfern" genügt
(A.L.R. Einl. § 75), oder die "Verletzung eines bestehenden rechtlichen Zustandes"
(R.G. 28. Mai 1880; Samml. II S. 353). -- Die französischen Juristen bezeichnen
übereinstimmend damit als Voraussetzung der öffentlichrechtlichen Entschädigung
das dommage directe et materiel, wobei natürlich auch wieder von einem droit
lese geredet wird; Theorie des Franz. V.R. S. 356.
10 Diese Grenze haben wir schon oben S. 141, 142 bei Beurteilung der Ent-
schädigungsansprüche von Hausbesitzern wegen Straßenänderung hervorgehoben
und mit Beispielen belegt. Nicht selten suchen Wirte und andere Gewerbtreibende,
deren Geschäft durch veränderten Eisenbahnbetrieb, Verlegung des Bahnhofs,
Weiterführung der Linie, an deren Kopf sie lagen, und dergl. Schaden leidet,
Ansprüche auf Ersatz geltend zu machen, die ja von vornherein nur denkbar sind
auf den Rechtsgrundlagen der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Daß sie nichts
erhalten, beruht einzig darauf, daß ein Schade in dem engen Sinne des besonderen
Opfers bei ihnen nicht vorliegt. -- Hierher gehört auch der Fall O.Tr. 25. Sept.
1856 (Str. 24 S. 1): Einer bestehenden Fährgerechtigkeit entzieht der Staat durch
Anlage einer neuen Brücke die Kundschaft; die Klage nach A.L.R. Einl. § 75
wird abgewiesen. Das Gericht sagt: "weil kein Mißbrauch eines fiskalischen
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 23

§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
nur das ist eine Last, die ihm auferlegt wird. Dem entspricht auch
der Begriff des Opfers: ein Opfer kann nur bringen, wer etwas hat.
Auch wo es nicht ausdrücklich gesagt ist, ist also der Rechtssatz, der
öffentlichrechtliche Entschädigung zusagt, nur so zu verstehen, daß
ein Eingriff in den unmittelbaren rechtlichen Machtkreis
des Individuums
vorausgesetzt wird9. Dazu gehört als eigenstes
Rechtsgut die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit
und Arbeitskraft. Darum lagern sich Sachgüter, welche durch irgend
eine rechtliche Zugehörigkeit mit der Person verbunden sind: Eigen-
tum, Recht an fremder Sache, obligatorisches Gebrauchsrecht, Besitz.
Sodann erworbene Rechte auf ein bestimmtes Verhalten Anderer, auf
Leisten oder Unterlassen: Privilegien, Monopole, ausschließliche
Gewerberechte, aus neuerer Zeit das sogenannte geistige oder ge-
werbliche Eigentum. Auch subjektive öffentliche Rechte sind hierher
zu zählen; die Verleihung in ihren verschiedenen Anwendungen hat
dafür schon Beispiele geliefert.

Der Nachteil, der zugefügt wird, ohne ein derartiges Gut un-
mittelbar zu entziehen oder in seinem Bestande zu verletzen, macht
den Rechtssatz über öffentlichrechtliche Entschädigung nicht an-
wendbar10.

9 Das ist gemeint, wenn immer wieder gesagt wird, die Entschädigung setze
voraus einen Eingriff in erworbene Rechte, wohlerworbene Rechte, individuelle
Rechte, Privatrechte: Zachariae, St.R. II §§ 152, 153; Pfeiffer, Prakt.
Ausf. III S. 258; v. Sarwey, Off. R. u. V.R.Pfl. S. 373; Grünhut, Ent.R.
S. 10; Preuß. Ges. v. 11. Mai 1841 § 4 (dazu Oppenhoff, Ressortverf. S. 354
n. 101 ff.); Bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877 (Samml. VII S. 50). Eine Rechtsverletzung
ist damit nicht in Frage; der Zwang, „Rechte und Vorteile aufzuopfern“ genügt
(A.L.R. Einl. § 75), oder die „Verletzung eines bestehenden rechtlichen Zustandes“
(R.G. 28. Mai 1880; Samml. II S. 353). — Die französischen Juristen bezeichnen
übereinstimmend damit als Voraussetzung der öffentlichrechtlichen Entschädigung
das dommage directe et matériel, wobei natürlich auch wieder von einem droit
lésé geredet wird; Theorie des Franz. V.R. S. 356.
10 Diese Grenze haben wir schon oben S. 141, 142 bei Beurteilung der Ent-
schädigungsansprüche von Hausbesitzern wegen Straßenänderung hervorgehoben
und mit Beispielen belegt. Nicht selten suchen Wirte und andere Gewerbtreibende,
deren Geschäft durch veränderten Eisenbahnbetrieb, Verlegung des Bahnhofs,
Weiterführung der Linie, an deren Kopf sie lagen, und dergl. Schaden leidet,
Ansprüche auf Ersatz geltend zu machen, die ja von vornherein nur denkbar sind
auf den Rechtsgrundlagen der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Daß sie nichts
erhalten, beruht einzig darauf, daß ein Schade in dem engen Sinne des besonderen
Opfers bei ihnen nicht vorliegt. — Hierher gehört auch der Fall O.Tr. 25. Sept.
1856 (Str. 24 S. 1): Einer bestehenden Fährgerechtigkeit entzieht der Staat durch
Anlage einer neuen Brücke die Kundschaft; die Klage nach A.L.R. Einl. § 75
wird abgewiesen. Das Gericht sagt: „weil kein Mißbrauch eines fiskalischen
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 23
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[353/0365] § 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung. nur das ist eine Last, die ihm auferlegt wird. Dem entspricht auch der Begriff des Opfers: ein Opfer kann nur bringen, wer etwas hat. Auch wo es nicht ausdrücklich gesagt ist, ist also der Rechtssatz, der öffentlichrechtliche Entschädigung zusagt, nur so zu verstehen, daß ein Eingriff in den unmittelbaren rechtlichen Machtkreis des Individuums vorausgesetzt wird 9. Dazu gehört als eigenstes Rechtsgut die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit und Arbeitskraft. Darum lagern sich Sachgüter, welche durch irgend eine rechtliche Zugehörigkeit mit der Person verbunden sind: Eigen- tum, Recht an fremder Sache, obligatorisches Gebrauchsrecht, Besitz. Sodann erworbene Rechte auf ein bestimmtes Verhalten Anderer, auf Leisten oder Unterlassen: Privilegien, Monopole, ausschließliche Gewerberechte, aus neuerer Zeit das sogenannte geistige oder ge- werbliche Eigentum. Auch subjektive öffentliche Rechte sind hierher zu zählen; die Verleihung in ihren verschiedenen Anwendungen hat dafür schon Beispiele geliefert. Der Nachteil, der zugefügt wird, ohne ein derartiges Gut un- mittelbar zu entziehen oder in seinem Bestande zu verletzen, macht den Rechtssatz über öffentlichrechtliche Entschädigung nicht an- wendbar 10. 9 Das ist gemeint, wenn immer wieder gesagt wird, die Entschädigung setze voraus einen Eingriff in erworbene Rechte, wohlerworbene Rechte, individuelle Rechte, Privatrechte: Zachariae, St.R. II §§ 152, 153; Pfeiffer, Prakt. Ausf. III S. 258; v. Sarwey, Off. R. u. V.R.Pfl. S. 373; Grünhut, Ent.R. S. 10; Preuß. Ges. v. 11. Mai 1841 § 4 (dazu Oppenhoff, Ressortverf. S. 354 n. 101 ff.); Bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877 (Samml. VII S. 50). Eine Rechtsverletzung ist damit nicht in Frage; der Zwang, „Rechte und Vorteile aufzuopfern“ genügt (A.L.R. Einl. § 75), oder die „Verletzung eines bestehenden rechtlichen Zustandes“ (R.G. 28. Mai 1880; Samml. II S. 353). — Die französischen Juristen bezeichnen übereinstimmend damit als Voraussetzung der öffentlichrechtlichen Entschädigung das dommage directe et matériel, wobei natürlich auch wieder von einem droit lésé geredet wird; Theorie des Franz. V.R. S. 356. 10 Diese Grenze haben wir schon oben S. 141, 142 bei Beurteilung der Ent- schädigungsansprüche von Hausbesitzern wegen Straßenänderung hervorgehoben und mit Beispielen belegt. Nicht selten suchen Wirte und andere Gewerbtreibende, deren Geschäft durch veränderten Eisenbahnbetrieb, Verlegung des Bahnhofs, Weiterführung der Linie, an deren Kopf sie lagen, und dergl. Schaden leidet, Ansprüche auf Ersatz geltend zu machen, die ja von vornherein nur denkbar sind auf den Rechtsgrundlagen der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Daß sie nichts erhalten, beruht einzig darauf, daß ein Schade in dem engen Sinne des besonderen Opfers bei ihnen nicht vorliegt. — Hierher gehört auch der Fall O.Tr. 25. Sept. 1856 (Str. 24 S. 1): Einer bestehenden Fährgerechtigkeit entzieht der Staat durch Anlage einer neuen Brücke die Kundschaft; die Klage nach A.L.R. Einl. § 75 wird abgewiesen. Das Gericht sagt: „weil kein Mißbrauch eines fiskalischen Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 23

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/365>, abgerufen am 25.11.2024.