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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Finanzgewalt (Bd. I § 30 S. 441). Wie dort von dem Gewaltverhältnis
nicht bloß erfaßt wird der Inhaber der besonderen Zollerleichterung
und seine Leute, sondern jeder, der den dafür vorbehaltenen Raum
betritt, so hier nicht bloß derjenige, der die Benutzung der öffent-
lichen Anstalt in Anspruch genommen hat, sondern auch jeder Dritte,
der im Zusammenhange damit in die Anstalt gerät, der Besucher des
Kranken z. B. Auf einen Willensakt der Unterwerfung ist die Wirk-
samkeit der Anstaltsgewalt nicht zurückzuführen. Denn sie erfaßt
mit voller Kraft auch den Geisteskranken, der in die Irrenanstalt sich
begiebt, und das Poststück, das ein Kind aufgegeben hat. Von einem
Vertrag ist schon gar keine Rede5.

2. Vermöge dieses Gewaltverhältnisses können den darin Be-
griffenen nur solche Lasten und Beschränkungen auferlegt werden,
welche den Zweck haben, sie mit ihrer Person und ihren Sachen,
soweit sie damit in die Anstalt eingetreten sind, dem Interesse des
guten Ganges dieser Anstalt anzupassen und fügsam zu machen. Dem
Inhalte nach sind diese Anordnungen zum Teil Befehle, sofern sie
ein bestimmtes persönliches Verhalten vorschreiben; zum Teil legen
sie nur ein Dulden auf durch Entziehung von Vorteilen und Zufügung
von Übeln als Strafe und Zuchtmittel; zum Teil bestimmen sie Ein-
griffe in das Eigentum der eingebrachten Sachen, die vorenthalten,
vernichtet, veräußert werden sollen6.

5 Über den Gegensatz zur Gebührenpflicht vgl. unten III n. 1. -- Nach
Postges. § 50 Ziff. 10 soll die Post-Ord. auch enthalten: "Anordnungen zur Aufrecht-
erhaltung der Ordnung, der Sicherheit und des Anstandes auf den Posten, in den
Postlokalen und Passagierstuben." Laband, St.R. II S. 87 Note 3 (3. Aufl. S. 81
Note 2), bemerkt mit Recht, daß das mit dem Posttransportvertrage nichts zu thun
habe. Jedenfalls werden davon auch Leute getroffen, die noch keinen solchen
"Vertrag" geschlossen haben, oder überhaupt keinen beabsichtigen. Wie kommen
also diese Bestimmungen der Post-Ord. zur Wirkung? Nach Dambach, Postges.
S. 208, wären sie "wirkliche Rechtsnormen", im Gegensatz zu den übrigen Stücken
der Post-Ord., welche nur "Vertragsbestimmungen, nicht aber Gesetz" sind. Die
Ernennung zur wirklichen Rechtsnorm soll offenbar nur aushelfen statt der Krücke
des Vertrags, die man hier vermißt. Es wird aber ja die ganze Post-Ord. nur
als Verwaltungsvorschrift und nicht in den Formen reichsrechtlicher Rechtssätze
veröffentlicht: Mittelstein, Beiträge S. 1; G. Meyer, V.R. I S. 573;
Sydow in Post-Arch. 1891 S. 520. -- Nach unserer Auffassung wirkt die Post-
Ord. auch in diesem Punkte kraft des Gewaltverhältnisses, das durch den Eintritt
in die Anstaltsräume begründet ist; die betreffenden Bestimmungen könnten eben-
sowohl erlassen werden ohne gesetzliche Grundlage und werden für die meisten
Anstalten so erlassen. Über die wirkliche Bedeutung des Gesetzes vgl. unten
Note 7.
6 Beispiele in Post-Ord. § 31, § 40, § 57.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 22

§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Finanzgewalt (Bd. I § 30 S. 441). Wie dort von dem Gewaltverhältnis
nicht bloß erfaßt wird der Inhaber der besonderen Zollerleichterung
und seine Leute, sondern jeder, der den dafür vorbehaltenen Raum
betritt, so hier nicht bloß derjenige, der die Benutzung der öffent-
lichen Anstalt in Anspruch genommen hat, sondern auch jeder Dritte,
der im Zusammenhange damit in die Anstalt gerät, der Besucher des
Kranken z. B. Auf einen Willensakt der Unterwerfung ist die Wirk-
samkeit der Anstaltsgewalt nicht zurückzuführen. Denn sie erfaßt
mit voller Kraft auch den Geisteskranken, der in die Irrenanstalt sich
begiebt, und das Poststück, das ein Kind aufgegeben hat. Von einem
Vertrag ist schon gar keine Rede5.

2. Vermöge dieses Gewaltverhältnisses können den darin Be-
griffenen nur solche Lasten und Beschränkungen auferlegt werden,
welche den Zweck haben, sie mit ihrer Person und ihren Sachen,
soweit sie damit in die Anstalt eingetreten sind, dem Interesse des
guten Ganges dieser Anstalt anzupassen und fügsam zu machen. Dem
Inhalte nach sind diese Anordnungen zum Teil Befehle, sofern sie
ein bestimmtes persönliches Verhalten vorschreiben; zum Teil legen
sie nur ein Dulden auf durch Entziehung von Vorteilen und Zufügung
von Übeln als Strafe und Zuchtmittel; zum Teil bestimmen sie Ein-
griffe in das Eigentum der eingebrachten Sachen, die vorenthalten,
vernichtet, veräußert werden sollen6.

5 Über den Gegensatz zur Gebührenpflicht vgl. unten III n. 1. — Nach
Postges. § 50 Ziff. 10 soll die Post-Ord. auch enthalten: „Anordnungen zur Aufrecht-
erhaltung der Ordnung, der Sicherheit und des Anstandes auf den Posten, in den
Postlokalen und Passagierstuben.“ Laband, St.R. II S. 87 Note 3 (3. Aufl. S. 81
Note 2), bemerkt mit Recht, daß das mit dem Posttransportvertrage nichts zu thun
habe. Jedenfalls werden davon auch Leute getroffen, die noch keinen solchen
„Vertrag“ geschlossen haben, oder überhaupt keinen beabsichtigen. Wie kommen
also diese Bestimmungen der Post-Ord. zur Wirkung? Nach Dambach, Postges.
S. 208, wären sie „wirkliche Rechtsnormen“, im Gegensatz zu den übrigen Stücken
der Post-Ord., welche nur „Vertragsbestimmungen, nicht aber Gesetz“ sind. Die
Ernennung zur wirklichen Rechtsnorm soll offenbar nur aushelfen statt der Krücke
des Vertrags, die man hier vermißt. Es wird aber ja die ganze Post-Ord. nur
als Verwaltungsvorschrift und nicht in den Formen reichsrechtlicher Rechtssätze
veröffentlicht: Mittelstein, Beiträge S. 1; G. Meyer, V.R. I S. 573;
Sydow in Post-Arch. 1891 S. 520. — Nach unserer Auffassung wirkt die Post-
Ord. auch in diesem Punkte kraft des Gewaltverhältnisses, das durch den Eintritt
in die Anstaltsräume begründet ist; die betreffenden Bestimmungen könnten eben-
sowohl erlassen werden ohne gesetzliche Grundlage und werden für die meisten
Anstalten so erlassen. Über die wirkliche Bedeutung des Gesetzes vgl. unten
Note 7.
6 Beispiele in Post-Ord. § 31, § 40, § 57.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 22
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[337/0349] § 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt. Finanzgewalt (Bd. I § 30 S. 441). Wie dort von dem Gewaltverhältnis nicht bloß erfaßt wird der Inhaber der besonderen Zollerleichterung und seine Leute, sondern jeder, der den dafür vorbehaltenen Raum betritt, so hier nicht bloß derjenige, der die Benutzung der öffent- lichen Anstalt in Anspruch genommen hat, sondern auch jeder Dritte, der im Zusammenhange damit in die Anstalt gerät, der Besucher des Kranken z. B. Auf einen Willensakt der Unterwerfung ist die Wirk- samkeit der Anstaltsgewalt nicht zurückzuführen. Denn sie erfaßt mit voller Kraft auch den Geisteskranken, der in die Irrenanstalt sich begiebt, und das Poststück, das ein Kind aufgegeben hat. Von einem Vertrag ist schon gar keine Rede 5. 2. Vermöge dieses Gewaltverhältnisses können den darin Be- griffenen nur solche Lasten und Beschränkungen auferlegt werden, welche den Zweck haben, sie mit ihrer Person und ihren Sachen, soweit sie damit in die Anstalt eingetreten sind, dem Interesse des guten Ganges dieser Anstalt anzupassen und fügsam zu machen. Dem Inhalte nach sind diese Anordnungen zum Teil Befehle, sofern sie ein bestimmtes persönliches Verhalten vorschreiben; zum Teil legen sie nur ein Dulden auf durch Entziehung von Vorteilen und Zufügung von Übeln als Strafe und Zuchtmittel; zum Teil bestimmen sie Ein- griffe in das Eigentum der eingebrachten Sachen, die vorenthalten, vernichtet, veräußert werden sollen 6. 5 Über den Gegensatz zur Gebührenpflicht vgl. unten III n. 1. — Nach Postges. § 50 Ziff. 10 soll die Post-Ord. auch enthalten: „Anordnungen zur Aufrecht- erhaltung der Ordnung, der Sicherheit und des Anstandes auf den Posten, in den Postlokalen und Passagierstuben.“ Laband, St.R. II S. 87 Note 3 (3. Aufl. S. 81 Note 2), bemerkt mit Recht, daß das mit dem Posttransportvertrage nichts zu thun habe. Jedenfalls werden davon auch Leute getroffen, die noch keinen solchen „Vertrag“ geschlossen haben, oder überhaupt keinen beabsichtigen. Wie kommen also diese Bestimmungen der Post-Ord. zur Wirkung? Nach Dambach, Postges. S. 208, wären sie „wirkliche Rechtsnormen“, im Gegensatz zu den übrigen Stücken der Post-Ord., welche nur „Vertragsbestimmungen, nicht aber Gesetz“ sind. Die Ernennung zur wirklichen Rechtsnorm soll offenbar nur aushelfen statt der Krücke des Vertrags, die man hier vermißt. Es wird aber ja die ganze Post-Ord. nur als Verwaltungsvorschrift und nicht in den Formen reichsrechtlicher Rechtssätze veröffentlicht: Mittelstein, Beiträge S. 1; G. Meyer, V.R. I S. 573; Sydow in Post-Arch. 1891 S. 520. — Nach unserer Auffassung wirkt die Post- Ord. auch in diesem Punkte kraft des Gewaltverhältnisses, das durch den Eintritt in die Anstaltsräume begründet ist; die betreffenden Bestimmungen könnten eben- sowohl erlassen werden ohne gesetzliche Grundlage und werden für die meisten Anstalten so erlassen. Über die wirkliche Bedeutung des Gesetzes vgl. unten Note 7. 6 Beispiele in Post-Ord. § 31, § 40, § 57. Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 22

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/349>, abgerufen am 22.11.2024.