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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Beurteilung des Aktes selbst richtig, aber die Folgerung, die daraus
gezogen wird, trifft doch nur zu vom Standpunkte des Polizeistaates
aus, für welchen öffentliches Recht gleichbedeutend ist mit Verneinung
alles Rechtes der Unterthanen.

Die dritte Meinung, und zwar die herrschende, ist die, daß aller-
dings die Verleihung ein Akt öffentlichrechtlicher Natur ist, daß aber
gleichwohl nicht bloß Pflichten, sondern auch Rechte des Unterthanen,
des Beliehenen dadurch begründet werden können. Dabei ist es aber
üblich, dieses Ergebnis, wenigstens was die Rechte des Beliehenen
anlangt, noch besonders zu rechtfertigen, um nicht zu sagen: zu ent-
schuldigen. Man erklärt wohl die Konzession für einen Akt der Ge-
setzgebung,
ein Specialgesetz, ein Privilegium18. Allein die Kon-
zessionen werden doch nur in seltenen Fällen in Form eines Ge-
setzes erteilt; soll es aber heißen: die Konzession sei Gesetz im
materiellen Sinn, Rechtssatz, so ist das eine leere Titulatur, die dem
Rechtsgeschäft verliehen wird und dient in keiner Weise dazu, uns
seine Wirkung klarer zu machen19. Andere glauben wieder dadurch
zu helfen, daß sie sagen, der Akt selbst sei wohl rein öffentlich-
rechtlicher Natur, aber seine Wirkung gemischt, teils öffentlich-
rechtlich, teils privatrechtlich, und in letzterer Beziehung könne er
dann auch Privatrechte erzeugen. Darin steckt aber nur wieder der
falsche Gedanke, daß alle Rechte der Privaten gegen den Staat privat-
rechtliche Rechte sein müßten. Den zwiespältigen Rechtsinstituten,
die man in dieser Zwangslage gestaltet, sind wir ja auch sonst schon
begegnet20. Wir brauchen all dieses Gewirre nicht. Die Sache ist
viel einfacher.

der Eisenbahnkonzession S. 24. -- So im wesentlichen auch Zachariae, St.R.
§ 164, II Note 5, § 165 a. E., § 196 III; ein Privilegium kann sich mit der für
den Staat stets unverbindlichen Konzession nur insoweit verbinden, als Rechte
gegen andere Unterthanen begründet werden, z. B. ausschließliche Gewerberechte
(§ 165 a. E.)
18 So Meili in Ztschft. f. H.R. XXIV S. 359; Koch, Deutschl. Eisenbahnen
II S. 489; Heusler in s. Rechtsgutachten S. 9; Seiler, Rechtl. Natur der Eisenb.
Konz. S. 28. Nach Endemann, R. der Eisenb. S. 280--282, ist die Konzession
"nicht ein nach den Grundsätzen des Privatrechts zu beurteilender Vertrag"; das
daraus entstehende Verhältnis ist aber "als ein vertragsmäßiges zu bezeichnen";
allein ihrem Wesen nach ist die Konzession "ein Verwaltungsakt"; "für den Er-
werber" ist sie ein "Privileg"; "als Specialgesetz darf sie nicht behandelt werden."
Was mag da wohl eigentlich gemeint sein?
19 R.O.H.G. 18. März 1874 (Samml. XIII S. 123).
20 Vgl. oben § 34 Note 12; § 39 Note 9; Bd. I § 11 Note 13. Hier ist
vor allen Heusler zu erwähnen, der in seinem Rechtsgutachten aus dem Satze,
daß das durch die Konzession Zugesicherte ein Privatrecht bilde (S. 6), allmählich
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 20

§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Beurteilung des Aktes selbst richtig, aber die Folgerung, die daraus
gezogen wird, trifft doch nur zu vom Standpunkte des Polizeistaates
aus, für welchen öffentliches Recht gleichbedeutend ist mit Verneinung
alles Rechtes der Unterthanen.

Die dritte Meinung, und zwar die herrschende, ist die, daß aller-
dings die Verleihung ein Akt öffentlichrechtlicher Natur ist, daß aber
gleichwohl nicht bloß Pflichten, sondern auch Rechte des Unterthanen,
des Beliehenen dadurch begründet werden können. Dabei ist es aber
üblich, dieses Ergebnis, wenigstens was die Rechte des Beliehenen
anlangt, noch besonders zu rechtfertigen, um nicht zu sagen: zu ent-
schuldigen. Man erklärt wohl die Konzession für einen Akt der Ge-
setzgebung,
ein Specialgesetz, ein Privilegium18. Allein die Kon-
zessionen werden doch nur in seltenen Fällen in Form eines Ge-
setzes erteilt; soll es aber heißen: die Konzession sei Gesetz im
materiellen Sinn, Rechtssatz, so ist das eine leere Titulatur, die dem
Rechtsgeschäft verliehen wird und dient in keiner Weise dazu, uns
seine Wirkung klarer zu machen19. Andere glauben wieder dadurch
zu helfen, daß sie sagen, der Akt selbst sei wohl rein öffentlich-
rechtlicher Natur, aber seine Wirkung gemischt, teils öffentlich-
rechtlich, teils privatrechtlich, und in letzterer Beziehung könne er
dann auch Privatrechte erzeugen. Darin steckt aber nur wieder der
falsche Gedanke, daß alle Rechte der Privaten gegen den Staat privat-
rechtliche Rechte sein müßten. Den zwiespältigen Rechtsinstituten,
die man in dieser Zwangslage gestaltet, sind wir ja auch sonst schon
begegnet20. Wir brauchen all dieses Gewirre nicht. Die Sache ist
viel einfacher.

der Eisenbahnkonzession S. 24. — So im wesentlichen auch Zachariae, St.R.
§ 164, II Note 5, § 165 a. E., § 196 III; ein Privilegium kann sich mit der für
den Staat stets unverbindlichen Konzession nur insoweit verbinden, als Rechte
gegen andere Unterthanen begründet werden, z. B. ausschließliche Gewerberechte
(§ 165 a. E.)
18 So Meili in Ztschft. f. H.R. XXIV S. 359; Koch, Deutschl. Eisenbahnen
II S. 489; Heusler in s. Rechtsgutachten S. 9; Seiler, Rechtl. Natur der Eisenb.
Konz. S. 28. Nach Endemann, R. der Eisenb. S. 280—282, ist die Konzession
„nicht ein nach den Grundsätzen des Privatrechts zu beurteilender Vertrag“; das
daraus entstehende Verhältnis ist aber „als ein vertragsmäßiges zu bezeichnen“;
allein ihrem Wesen nach ist die Konzession „ein Verwaltungsakt“; „für den Er-
werber“ ist sie ein „Privileg“; „als Specialgesetz darf sie nicht behandelt werden.“
Was mag da wohl eigentlich gemeint sein?
19 R.O.H.G. 18. März 1874 (Samml. XIII S. 123).
20 Vgl. oben § 34 Note 12; § 39 Note 9; Bd. I § 11 Note 13. Hier ist
vor allen Heusler zu erwähnen, der in seinem Rechtsgutachten aus dem Satze,
daß das durch die Konzession Zugesicherte ein Privatrecht bilde (S. 6), allmählich
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 20
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[305/0317] § 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen. Beurteilung des Aktes selbst richtig, aber die Folgerung, die daraus gezogen wird, trifft doch nur zu vom Standpunkte des Polizeistaates aus, für welchen öffentliches Recht gleichbedeutend ist mit Verneinung alles Rechtes der Unterthanen. Die dritte Meinung, und zwar die herrschende, ist die, daß aller- dings die Verleihung ein Akt öffentlichrechtlicher Natur ist, daß aber gleichwohl nicht bloß Pflichten, sondern auch Rechte des Unterthanen, des Beliehenen dadurch begründet werden können. Dabei ist es aber üblich, dieses Ergebnis, wenigstens was die Rechte des Beliehenen anlangt, noch besonders zu rechtfertigen, um nicht zu sagen: zu ent- schuldigen. Man erklärt wohl die Konzession für einen Akt der Ge- setzgebung, ein Specialgesetz, ein Privilegium 18. Allein die Kon- zessionen werden doch nur in seltenen Fällen in Form eines Ge- setzes erteilt; soll es aber heißen: die Konzession sei Gesetz im materiellen Sinn, Rechtssatz, so ist das eine leere Titulatur, die dem Rechtsgeschäft verliehen wird und dient in keiner Weise dazu, uns seine Wirkung klarer zu machen 19. Andere glauben wieder dadurch zu helfen, daß sie sagen, der Akt selbst sei wohl rein öffentlich- rechtlicher Natur, aber seine Wirkung gemischt, teils öffentlich- rechtlich, teils privatrechtlich, und in letzterer Beziehung könne er dann auch Privatrechte erzeugen. Darin steckt aber nur wieder der falsche Gedanke, daß alle Rechte der Privaten gegen den Staat privat- rechtliche Rechte sein müßten. Den zwiespältigen Rechtsinstituten, die man in dieser Zwangslage gestaltet, sind wir ja auch sonst schon begegnet 20. Wir brauchen all dieses Gewirre nicht. Die Sache ist viel einfacher. 17 18 So Meili in Ztschft. f. H.R. XXIV S. 359; Koch, Deutschl. Eisenbahnen II S. 489; Heusler in s. Rechtsgutachten S. 9; Seiler, Rechtl. Natur der Eisenb. Konz. S. 28. Nach Endemann, R. der Eisenb. S. 280—282, ist die Konzession „nicht ein nach den Grundsätzen des Privatrechts zu beurteilender Vertrag“; das daraus entstehende Verhältnis ist aber „als ein vertragsmäßiges zu bezeichnen“; allein ihrem Wesen nach ist die Konzession „ein Verwaltungsakt“; „für den Er- werber“ ist sie ein „Privileg“; „als Specialgesetz darf sie nicht behandelt werden.“ Was mag da wohl eigentlich gemeint sein? 19 R.O.H.G. 18. März 1874 (Samml. XIII S. 123). 20 Vgl. oben § 34 Note 12; § 39 Note 9; Bd. I § 11 Note 13. Hier ist vor allen Heusler zu erwähnen, der in seinem Rechtsgutachten aus dem Satze, daß das durch die Konzession Zugesicherte ein Privatrecht bilde (S. 6), allmählich 17 der Eisenbahnkonzession S. 24. — So im wesentlichen auch Zachariae, St.R. § 164, II Note 5, § 165 a. E., § 196 III; ein Privilegium kann sich mit der für den Staat stets unverbindlichen Konzession nur insoweit verbinden, als Rechte gegen andere Unterthanen begründet werden, z. B. ausschließliche Gewerberechte (§ 165 a. E.) Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 20

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/317>, abgerufen am 24.11.2024.