Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 4. Die Vorzugslast bedeutet nicht, wie die gemeine, ein zur Daher ist hier von einer öffentlichrechtlichen Entschädigung Gesuchsteller einen Abzugskanal baue, dessen Anlage im gesundheitlichen Interesse infolge seiner Ansiedlung der Gemeinde obliegen würde. Die Stadt baut alsdann den Kanal selbst und der Ansiedler ist schuldig, ihr die Kosten zu ersetzen. -- O.V.G. 25. April 1878: An noch nicht fertig gestellten Straßen darf laut Orts- statut nicht gebaut werden; Ausnahmen bewilligt die Gemeindeverwaltung, wobei sie ihre Bedingungen stellt wegen der nötigen vorläufigen Anlagen; mit Erteilung der Erlaubnis werden diese Pflichten auferlegt. -- O.V.G. 1. Nov. 1887 erklärt es in solchem Falle für zulässig, auch Sicherheitsleistung für die künftigen Straßen- gebühren zu verlangen (vgl. oben § 46 Note 32). -- Solche Bedingungen können nur zu Gunsten derjenigen Einrichtungen auferlegt werden, um deren willen eben der Erlaubnisvorbehalt gemacht ist. Eine willkürliche Verbindung mit anderen Gelegenheiten, namentlich mit reinen Polizeierlaubnissen ist unzulässig; so erklärt sich O.V.G. 6. Dez. 1878: Die Polizeibehörde erteilt eine Polizeierlaubnis unter der Bedingung, daß die geschuldeten Straßengebühren bezahlt werden; das geht nicht an. -- Einen besonders schönen Fall besprechen Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 352: Eine öffentliche Straße soll durchgraben werden mit einem Mühlkanal; dazu be- darf es der behördlichen (polizeilichen) Genehmigung. Diese wird erteilt nach Verständigung der Beteiligten, des Müllers und der Gemeinde, welcher der Weg gehört, wegen Bestellung einer Brückenbaulast; der Müller verpflichtet dabei sich und alle Nachfolger in seinem Anwesen, die durch dessen Übernahme von selbst in die Verpflichtung eintreten, die Brücke zu bauen und zu unterhalten. Diese Verständigung "erlangt erst definitive Existenz durch die polizeiliche Genehmi- gung". Kommt eine Verständigung nicht zu stande, so kann die Genehmigung doch erteilt werden; dann "ist der Beschluß allein die Rechtsquelle für die beider- seitigen Rechtsverhältnisse". Vorausgesetzt immer, daß wenigstens der zu be- lastende Müller ihn annimmt, ausdrücklich oder stillschweigend durch Benützung der erteilten Erlaubnis; dann begründet auf Grund seiner Unterwerfung der Ver- waltungsakt seine Vorzugslast. 7 Der Punkt ist namentlich bedeutsam geworden bei den Straßengebühren.
Die Straße ist vollendet, das Haus gebaut; bevor eine Festsetzung und Anforde- Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 4. Die Vorzugslast bedeutet nicht, wie die gemeine, ein zur Daher ist hier von einer öffentlichrechtlichen Entschädigung Gesuchsteller einen Abzugskanal baue, dessen Anlage im gesundheitlichen Interesse infolge seiner Ansiedlung der Gemeinde obliegen würde. Die Stadt baut alsdann den Kanal selbst und der Ansiedler ist schuldig, ihr die Kosten zu ersetzen. — O.V.G. 25. April 1878: An noch nicht fertig gestellten Straßen darf laut Orts- statut nicht gebaut werden; Ausnahmen bewilligt die Gemeindeverwaltung, wobei sie ihre Bedingungen stellt wegen der nötigen vorläufigen Anlagen; mit Erteilung der Erlaubnis werden diese Pflichten auferlegt. — O.V.G. 1. Nov. 1887 erklärt es in solchem Falle für zulässig, auch Sicherheitsleistung für die künftigen Straßen- gebühren zu verlangen (vgl. oben § 46 Note 32). — Solche Bedingungen können nur zu Gunsten derjenigen Einrichtungen auferlegt werden, um deren willen eben der Erlaubnisvorbehalt gemacht ist. Eine willkürliche Verbindung mit anderen Gelegenheiten, namentlich mit reinen Polizeierlaubnissen ist unzulässig; so erklärt sich O.V.G. 6. Dez. 1878: Die Polizeibehörde erteilt eine Polizeierlaubnis unter der Bedingung, daß die geschuldeten Straßengebühren bezahlt werden; das geht nicht an. — Einen besonders schönen Fall besprechen Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 352: Eine öffentliche Straße soll durchgraben werden mit einem Mühlkanal; dazu be- darf es der behördlichen (polizeilichen) Genehmigung. Diese wird erteilt nach Verständigung der Beteiligten, des Müllers und der Gemeinde, welcher der Weg gehört, wegen Bestellung einer Brückenbaulast; der Müller verpflichtet dabei sich und alle Nachfolger in seinem Anwesen, die durch dessen Übernahme von selbst in die Verpflichtung eintreten, die Brücke zu bauen und zu unterhalten. Diese Verständigung „erlangt erst definitive Existenz durch die polizeiliche Genehmi- gung“. Kommt eine Verständigung nicht zu stande, so kann die Genehmigung doch erteilt werden; dann „ist der Beschluß allein die Rechtsquelle für die beider- seitigen Rechtsverhältnisse“. Vorausgesetzt immer, daß wenigstens der zu be- lastende Müller ihn annimmt, ausdrücklich oder stillschweigend durch Benützung der erteilten Erlaubnis; dann begründet auf Grund seiner Unterwerfung der Ver- waltungsakt seine Vorzugslast. 7 Der Punkt ist namentlich bedeutsam geworden bei den Straßengebühren.
Die Straße ist vollendet, das Haus gebaut; bevor eine Festsetzung und Anforde- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0294" n="282"/> <fw place="top" type="header">Recht der besonderen Schuldverhältnisse.</fw><lb/> <p>4. Die Vorzugslast bedeutet nicht, wie die gemeine, ein zur<lb/> Verfügung stehen der Verpflichtbaren, von welchem nach Ermessen des<lb/> Bedürfnisses des öffentlichen Unternehmens Gebrauch gemacht werden<lb/> kann. Es handelt sich um Pflichten, die <hi rendition="#g">bestimmt</hi> sein sollen nach<lb/> dem angenommenen Maß der Beteiligung des Pflichtigen.</p><lb/> <p>Daher ist hier von einer öffentlichrechtlichen <hi rendition="#g">Entschädigung</hi><lb/> keine Rede. Daher entwickelt sich auch die Pflicht nicht in der<lb/> regelmäßigen Stufenfolge der gemeinen Last. Der Inhalt der Leistung<lb/> kann im voraus festgesetzt sein durch den Begründungsakt selbst;<lb/> das ist bei der Einzelauflage der Hauptsache nach immer der Fall.<lb/> Der Eintritt eines Bedürfnisfalles wird nicht durchweg bedeutsam;<lb/> statt dessen finden wir in regelmäßigen Terminen wiederkehrende<lb/> feste Beiträge. Die Leistungspflicht ist auch in ihrer Vollendung<lb/> nicht bedingt durch eine Anforderung; sie wird fertig <hi rendition="#g">unmittelbar</hi><lb/> mit dem Zusammentreffen der thatsächlichen Voraussetzungen<note xml:id="seg2pn_82_1" next="#seg2pn_82_2" place="foot" n="7">Der Punkt ist namentlich bedeutsam geworden bei den Straßengebühren.<lb/> Die Straße ist vollendet, das Haus gebaut; bevor eine Festsetzung und Anforde-</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_81_2" prev="#seg2pn_81_1" place="foot" n="6">Gesuchsteller einen Abzugskanal baue, dessen Anlage im gesundheitlichen Interesse<lb/> infolge seiner Ansiedlung der Gemeinde obliegen würde. Die Stadt baut alsdann<lb/> den Kanal selbst und der Ansiedler ist schuldig, ihr die Kosten zu ersetzen. —<lb/> O.V.G. 25. April 1878: An noch nicht fertig gestellten Straßen darf laut Orts-<lb/> statut nicht gebaut werden; Ausnahmen bewilligt die Gemeindeverwaltung, wobei<lb/> sie ihre Bedingungen stellt wegen der nötigen vorläufigen Anlagen; mit Erteilung<lb/> der Erlaubnis werden diese Pflichten auferlegt. — O.V.G. 1. Nov. 1887 erklärt es<lb/> in solchem Falle für zulässig, auch Sicherheitsleistung für die künftigen Straßen-<lb/> gebühren zu verlangen (vgl. oben § 46 Note 32). — Solche Bedingungen können<lb/> nur zu Gunsten derjenigen Einrichtungen auferlegt werden, um deren willen eben<lb/> der Erlaubnisvorbehalt gemacht ist. Eine willkürliche Verbindung mit anderen<lb/> Gelegenheiten, namentlich mit reinen Polizeierlaubnissen ist unzulässig; so erklärt<lb/> sich O.V.G. 6. Dez. 1878: Die Polizeibehörde erteilt eine Polizeierlaubnis unter<lb/> der Bedingung, daß die geschuldeten Straßengebühren bezahlt werden; das geht<lb/> nicht an. — Einen besonders schönen Fall besprechen Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 352:<lb/> Eine öffentliche Straße soll durchgraben werden mit einem Mühlkanal; dazu be-<lb/> darf es der behördlichen (polizeilichen) Genehmigung. Diese wird erteilt nach<lb/> Verständigung der Beteiligten, des Müllers und der Gemeinde, welcher der Weg<lb/> gehört, wegen Bestellung einer Brückenbaulast; der Müller verpflichtet dabei sich<lb/> und alle Nachfolger in seinem Anwesen, die durch dessen Übernahme von selbst<lb/> in die Verpflichtung eintreten, die Brücke zu bauen und zu unterhalten. Diese<lb/> Verständigung „erlangt erst definitive Existenz durch die polizeiliche Genehmi-<lb/> gung“. Kommt eine Verständigung nicht zu stande, so kann die Genehmigung<lb/> doch erteilt werden; dann „ist der Beschluß allein die Rechtsquelle für die beider-<lb/> seitigen Rechtsverhältnisse“. Vorausgesetzt immer, daß wenigstens der zu be-<lb/> lastende Müller ihn annimmt, ausdrücklich oder stillschweigend durch Benützung<lb/> der erteilten Erlaubnis; dann begründet auf Grund seiner Unterwerfung der Ver-<lb/> waltungsakt seine Vorzugslast.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [282/0294]
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
4. Die Vorzugslast bedeutet nicht, wie die gemeine, ein zur
Verfügung stehen der Verpflichtbaren, von welchem nach Ermessen des
Bedürfnisses des öffentlichen Unternehmens Gebrauch gemacht werden
kann. Es handelt sich um Pflichten, die bestimmt sein sollen nach
dem angenommenen Maß der Beteiligung des Pflichtigen.
Daher ist hier von einer öffentlichrechtlichen Entschädigung
keine Rede. Daher entwickelt sich auch die Pflicht nicht in der
regelmäßigen Stufenfolge der gemeinen Last. Der Inhalt der Leistung
kann im voraus festgesetzt sein durch den Begründungsakt selbst;
das ist bei der Einzelauflage der Hauptsache nach immer der Fall.
Der Eintritt eines Bedürfnisfalles wird nicht durchweg bedeutsam;
statt dessen finden wir in regelmäßigen Terminen wiederkehrende
feste Beiträge. Die Leistungspflicht ist auch in ihrer Vollendung
nicht bedingt durch eine Anforderung; sie wird fertig unmittelbar
mit dem Zusammentreffen der thatsächlichen Voraussetzungen 7.
6
7 Der Punkt ist namentlich bedeutsam geworden bei den Straßengebühren.
Die Straße ist vollendet, das Haus gebaut; bevor eine Festsetzung und Anforde-
6 Gesuchsteller einen Abzugskanal baue, dessen Anlage im gesundheitlichen Interesse
infolge seiner Ansiedlung der Gemeinde obliegen würde. Die Stadt baut alsdann
den Kanal selbst und der Ansiedler ist schuldig, ihr die Kosten zu ersetzen. —
O.V.G. 25. April 1878: An noch nicht fertig gestellten Straßen darf laut Orts-
statut nicht gebaut werden; Ausnahmen bewilligt die Gemeindeverwaltung, wobei
sie ihre Bedingungen stellt wegen der nötigen vorläufigen Anlagen; mit Erteilung
der Erlaubnis werden diese Pflichten auferlegt. — O.V.G. 1. Nov. 1887 erklärt es
in solchem Falle für zulässig, auch Sicherheitsleistung für die künftigen Straßen-
gebühren zu verlangen (vgl. oben § 46 Note 32). — Solche Bedingungen können
nur zu Gunsten derjenigen Einrichtungen auferlegt werden, um deren willen eben
der Erlaubnisvorbehalt gemacht ist. Eine willkürliche Verbindung mit anderen
Gelegenheiten, namentlich mit reinen Polizeierlaubnissen ist unzulässig; so erklärt
sich O.V.G. 6. Dez. 1878: Die Polizeibehörde erteilt eine Polizeierlaubnis unter
der Bedingung, daß die geschuldeten Straßengebühren bezahlt werden; das geht
nicht an. — Einen besonders schönen Fall besprechen Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 352:
Eine öffentliche Straße soll durchgraben werden mit einem Mühlkanal; dazu be-
darf es der behördlichen (polizeilichen) Genehmigung. Diese wird erteilt nach
Verständigung der Beteiligten, des Müllers und der Gemeinde, welcher der Weg
gehört, wegen Bestellung einer Brückenbaulast; der Müller verpflichtet dabei sich
und alle Nachfolger in seinem Anwesen, die durch dessen Übernahme von selbst
in die Verpflichtung eintreten, die Brücke zu bauen und zu unterhalten. Diese
Verständigung „erlangt erst definitive Existenz durch die polizeiliche Genehmi-
gung“. Kommt eine Verständigung nicht zu stande, so kann die Genehmigung
doch erteilt werden; dann „ist der Beschluß allein die Rechtsquelle für die beider-
seitigen Rechtsverhältnisse“. Vorausgesetzt immer, daß wenigstens der zu be-
lastende Müller ihn annimmt, ausdrücklich oder stillschweigend durch Benützung
der erteilten Erlaubnis; dann begründet auf Grund seiner Unterwerfung der Ver-
waltungsakt seine Vorzugslast.
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