Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.

Die Zwangsmittel vermischen sich hier gänzlich mit den
polizeilichen, sofern das Gesetz die öffentliche Last selbst, älteren
Anschauungen entsprechend, als eine polizeiliche Pflicht behandelt wissen
will und die allgemeine polizeiliche Befehls- und Zwangsgewalt darauf
anwendet. In diesem Falle können namentlich auch die polizeilichen
Ungehorsamsstrafen hier Anwendung finden.

Die Ersatzvornahme wird, auch abgesehen davon, hier von
Bedeutung in denjenigen Fällen, wo die Naturalleistung nur eine er-
leichternde Form statt der sonst durchgeführten Geldleistung vorstellt,
also bei den geordneten Lasten. Hand- und Spanndienste, gemeindliche
Reihendienste, Quartierleistung können im Falle der Nichterfüllung
ohne weiteres ersetzt werden durch anderweite Beschaffung des Er-
forderlichen auf Kosten des Schuldners. Die Kosten werden alsdann
gegen ihn festgesetzt und im Zwangsbeitreibungsverfahren erhoben
(Bd. I § 32). Bei Hand- und Spanndiensten, die geradezu nach Art
der Steuern auferlegt werden, ist der an Stelle der schuldigen Natural-
leistung tretende Geldbetrag manchmal im voraus katastermäßig fest-
gesetzt, so daß die Leistung des Dienstes dem Pflichtigen nur zur
Wahl steht; die Geldleistung wird von selbst geschuldet und bei-
getrieben, wenn die begünstigende Form der Erfüllung nicht ge-
wählt ist15.

Das wichtigste Zwangsmittel ist hier die Gewaltanwendung.
Im Gegensatz zur Polizei hat die Last nicht ein bloßes Unterlassen,
sondern ein Leisten zum Gegenstand, darunter auch eine Gewährung
von Sachen, die der Polizei ganz fremd ist. Für diese ist die
Gewaltanwendung die angemessene Form des Zwangs: Quartier,
Nahrungsmittel, Futter, Gerätschaften und Materialien aller Art werden
zur Erzwingung der Lastpflicht mit Gewaltanwendung beschafft durch
einfache thatsächliche Inbesitznahme unter Brechung des etwaigen
Widerstandes. Für persönliche Leistungen ist auch hier dieses Zwangs-

hat der Richter nicht zu untersuchen; für ihn genügt es, daß eine Mobilmachungs-
ordre vorlag. Ebenso wird behandelt die Strafe auf Nichterfüllung der Zeugen-
und Sachverständigenpflicht; C.Pr.O. § 345, Stf.Pr.O. § 50.
15 C.C.H. 11. Jan. 1873 (J.M.Bl. S. 73) behandelt einen Fall, wo die Servis-
deputation (Einquartierungsamt) von den Hausbesitzern ohne weiteres statt der
Naturalleistung Einquartierungskosten erhoben hat. Das wurde für unzulässig er-
klärt. Die Naturalleistung ist im Sinne des Gesetzes als eine Vergünstigung an-
zusehen, die dem Pflichtigen nicht entzogen werden darf. Die Umwandlung in
Geld ist immer nur Zwangsmittel.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 18
§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.

Die Zwangsmittel vermischen sich hier gänzlich mit den
polizeilichen, sofern das Gesetz die öffentliche Last selbst, älteren
Anschauungen entsprechend, als eine polizeiliche Pflicht behandelt wissen
will und die allgemeine polizeiliche Befehls- und Zwangsgewalt darauf
anwendet. In diesem Falle können namentlich auch die polizeilichen
Ungehorsamsstrafen hier Anwendung finden.

Die Ersatzvornahme wird, auch abgesehen davon, hier von
Bedeutung in denjenigen Fällen, wo die Naturalleistung nur eine er-
leichternde Form statt der sonst durchgeführten Geldleistung vorstellt,
also bei den geordneten Lasten. Hand- und Spanndienste, gemeindliche
Reihendienste, Quartierleistung können im Falle der Nichterfüllung
ohne weiteres ersetzt werden durch anderweite Beschaffung des Er-
forderlichen auf Kosten des Schuldners. Die Kosten werden alsdann
gegen ihn festgesetzt und im Zwangsbeitreibungsverfahren erhoben
(Bd. I § 32). Bei Hand- und Spanndiensten, die geradezu nach Art
der Steuern auferlegt werden, ist der an Stelle der schuldigen Natural-
leistung tretende Geldbetrag manchmal im voraus katastermäßig fest-
gesetzt, so daß die Leistung des Dienstes dem Pflichtigen nur zur
Wahl steht; die Geldleistung wird von selbst geschuldet und bei-
getrieben, wenn die begünstigende Form der Erfüllung nicht ge-
wählt ist15.

Das wichtigste Zwangsmittel ist hier die Gewaltanwendung.
Im Gegensatz zur Polizei hat die Last nicht ein bloßes Unterlassen,
sondern ein Leisten zum Gegenstand, darunter auch eine Gewährung
von Sachen, die der Polizei ganz fremd ist. Für diese ist die
Gewaltanwendung die angemessene Form des Zwangs: Quartier,
Nahrungsmittel, Futter, Gerätschaften und Materialien aller Art werden
zur Erzwingung der Lastpflicht mit Gewaltanwendung beschafft durch
einfache thatsächliche Inbesitznahme unter Brechung des etwaigen
Widerstandes. Für persönliche Leistungen ist auch hier dieses Zwangs-

hat der Richter nicht zu untersuchen; für ihn genügt es, daß eine Mobilmachungs-
ordre vorlag. Ebenso wird behandelt die Strafe auf Nichterfüllung der Zeugen-
und Sachverständigenpflicht; C.Pr.O. § 345, Stf.Pr.O. § 50.
15 C.C.H. 11. Jan. 1873 (J.M.Bl. S. 73) behandelt einen Fall, wo die Servis-
deputation (Einquartierungsamt) von den Hausbesitzern ohne weiteres statt der
Naturalleistung Einquartierungskosten erhoben hat. Das wurde für unzulässig er-
klärt. Die Naturalleistung ist im Sinne des Gesetzes als eine Vergünstigung an-
zusehen, die dem Pflichtigen nicht entzogen werden darf. Die Umwandlung in
Geld ist immer nur Zwangsmittel.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0285" n="273"/>
              <fw place="top" type="header">§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.</fw><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Zwangsmittel</hi> vermischen sich hier gänzlich mit den<lb/>
polizeilichen, sofern das Gesetz die öffentliche Last selbst, älteren<lb/>
Anschauungen entsprechend, als eine polizeiliche Pflicht behandelt wissen<lb/>
will und die allgemeine polizeiliche Befehls- und Zwangsgewalt darauf<lb/>
anwendet. In diesem Falle können namentlich auch die polizeilichen<lb/><hi rendition="#g">Ungehorsamsstrafen</hi> hier Anwendung finden.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Ersatzvornahme</hi> wird, auch abgesehen davon, hier von<lb/>
Bedeutung in denjenigen Fällen, wo die Naturalleistung nur eine er-<lb/>
leichternde Form statt der sonst durchgeführten Geldleistung vorstellt,<lb/>
also bei den geordneten Lasten. Hand- und Spanndienste, gemeindliche<lb/>
Reihendienste, Quartierleistung können im Falle der Nichterfüllung<lb/>
ohne weiteres ersetzt werden durch anderweite Beschaffung des Er-<lb/>
forderlichen auf Kosten des Schuldners. Die Kosten werden alsdann<lb/>
gegen ihn festgesetzt und im Zwangsbeitreibungsverfahren erhoben<lb/>
(Bd. I § 32). Bei Hand- und Spanndiensten, die geradezu nach Art<lb/>
der Steuern auferlegt werden, ist der an Stelle der schuldigen Natural-<lb/>
leistung tretende Geldbetrag manchmal im voraus katastermäßig fest-<lb/>
gesetzt, so daß die Leistung des Dienstes dem Pflichtigen nur zur<lb/>
Wahl steht; die Geldleistung wird von selbst geschuldet und bei-<lb/>
getrieben, wenn die begünstigende Form der Erfüllung nicht ge-<lb/>
wählt ist<note place="foot" n="15">C.C.H. 11. Jan. 1873 (J.M.Bl. S. 73) behandelt einen Fall, wo die Servis-<lb/>
deputation (Einquartierungsamt) von den Hausbesitzern ohne weiteres statt der<lb/>
Naturalleistung Einquartierungskosten erhoben hat. Das wurde für unzulässig er-<lb/>
klärt. Die Naturalleistung ist im Sinne des Gesetzes als eine Vergünstigung an-<lb/>
zusehen, die dem Pflichtigen nicht entzogen werden darf. Die Umwandlung in<lb/>
Geld ist immer nur Zwangsmittel.</note>.</p><lb/>
              <p>Das wichtigste Zwangsmittel ist hier die <hi rendition="#g">Gewaltanwendung</hi>.<lb/>
Im Gegensatz zur Polizei hat die Last nicht ein bloßes Unterlassen,<lb/>
sondern ein Leisten zum Gegenstand, darunter auch eine Gewährung<lb/>
von Sachen, die der Polizei ganz fremd ist. Für diese ist die<lb/>
Gewaltanwendung die angemessene Form des Zwangs: Quartier,<lb/>
Nahrungsmittel, Futter, Gerätschaften und Materialien aller Art werden<lb/>
zur Erzwingung der Lastpflicht mit Gewaltanwendung beschafft durch<lb/>
einfache thatsächliche Inbesitznahme unter Brechung des etwaigen<lb/>
Widerstandes. Für persönliche Leistungen ist auch hier dieses Zwangs-<lb/><note xml:id="seg2pn_77_2" prev="#seg2pn_77_1" place="foot" n="14">hat der Richter nicht zu untersuchen; für ihn genügt es, daß eine Mobilmachungs-<lb/>
ordre vorlag. Ebenso wird behandelt die Strafe auf Nichterfüllung der Zeugen-<lb/>
und Sachverständigenpflicht; C.Pr.O. § 345, Stf.Pr.O. § 50.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Binding,</hi> Handbuch. VI. 2: <hi rendition="#g">Otto Mayer,</hi> Verwaltungsr. II. 18</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0285] § 47. Gemeine öffentliche Lasten. Die Zwangsmittel vermischen sich hier gänzlich mit den polizeilichen, sofern das Gesetz die öffentliche Last selbst, älteren Anschauungen entsprechend, als eine polizeiliche Pflicht behandelt wissen will und die allgemeine polizeiliche Befehls- und Zwangsgewalt darauf anwendet. In diesem Falle können namentlich auch die polizeilichen Ungehorsamsstrafen hier Anwendung finden. Die Ersatzvornahme wird, auch abgesehen davon, hier von Bedeutung in denjenigen Fällen, wo die Naturalleistung nur eine er- leichternde Form statt der sonst durchgeführten Geldleistung vorstellt, also bei den geordneten Lasten. Hand- und Spanndienste, gemeindliche Reihendienste, Quartierleistung können im Falle der Nichterfüllung ohne weiteres ersetzt werden durch anderweite Beschaffung des Er- forderlichen auf Kosten des Schuldners. Die Kosten werden alsdann gegen ihn festgesetzt und im Zwangsbeitreibungsverfahren erhoben (Bd. I § 32). Bei Hand- und Spanndiensten, die geradezu nach Art der Steuern auferlegt werden, ist der an Stelle der schuldigen Natural- leistung tretende Geldbetrag manchmal im voraus katastermäßig fest- gesetzt, so daß die Leistung des Dienstes dem Pflichtigen nur zur Wahl steht; die Geldleistung wird von selbst geschuldet und bei- getrieben, wenn die begünstigende Form der Erfüllung nicht ge- wählt ist 15. Das wichtigste Zwangsmittel ist hier die Gewaltanwendung. Im Gegensatz zur Polizei hat die Last nicht ein bloßes Unterlassen, sondern ein Leisten zum Gegenstand, darunter auch eine Gewährung von Sachen, die der Polizei ganz fremd ist. Für diese ist die Gewaltanwendung die angemessene Form des Zwangs: Quartier, Nahrungsmittel, Futter, Gerätschaften und Materialien aller Art werden zur Erzwingung der Lastpflicht mit Gewaltanwendung beschafft durch einfache thatsächliche Inbesitznahme unter Brechung des etwaigen Widerstandes. Für persönliche Leistungen ist auch hier dieses Zwangs- 14 15 C.C.H. 11. Jan. 1873 (J.M.Bl. S. 73) behandelt einen Fall, wo die Servis- deputation (Einquartierungsamt) von den Hausbesitzern ohne weiteres statt der Naturalleistung Einquartierungskosten erhoben hat. Das wurde für unzulässig er- klärt. Die Naturalleistung ist im Sinne des Gesetzes als eine Vergünstigung an- zusehen, die dem Pflichtigen nicht entzogen werden darf. Die Umwandlung in Geld ist immer nur Zwangsmittel. 14 hat der Richter nicht zu untersuchen; für ihn genügt es, daß eine Mobilmachungs- ordre vorlag. Ebenso wird behandelt die Strafe auf Nichterfüllung der Zeugen- und Sachverständigenpflicht; C.Pr.O. § 345, Stf.Pr.O. § 50. Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/285
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/285>, abgerufen am 24.11.2024.