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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
widrig ist der Schade, der dem Dienstherrn zugefügt wird, jedesmal,
wo es geschieht unter Verletzung der Dienstpflicht. Allein dadurch
wird das Dienstverhältnis nicht selbst die Grundlage der Schadens-
ersatzpflicht23. Der Maßstab für die Bemessung des Verschuldens
wird von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht ex delicto auch
sonst wohl anderen Verhältnissen entnommen, in welchen der Schädiger
steht, aus öffentlichen Pflichtverhältnissen zumal; besondere Berufs-
pflichten und namentlich polizeiliche Pflichten geben Beispiele24. Noch
mehr: gerade die öffentliche Dienstpflicht liefert den Maßstab zur Be-
messung des Verschuldens für einen Schadensersatzanspruch, dessen
civilrechtliche und außerkontraktliche Grundlage außer Zweifel ist.
Wie wir in der Lehre von der Haftung aus rechtswidrigen Amts-
handlungen (Bd. I § 17, I n. 2) dargethan haben, ist der Beamte
auch dem verletzten Privaten gegenüber verantwortlich für den Schaden,
den er durch Nichterfüllung oder schlechte Erfüllung seiner Dienst-
pflicht diesem verursacht. Erst dadurch wird ja der Satz erst mög-
lich, daß die Haftung des Beamten gegenüber dem Dritten die näm-
liche ist, wie gegenüber seinem Dienstherrn. Denn daß diesem
gegenüber die versäumte Dienstpflicht nicht außer Ansatz bleiben kann,
ist selbstverständlich25.

Wenn somit der Ersatzanspruch des Dienstherrn im Rechte des
öffentlichen Dienstverhältnisses nicht begriffen ist, so ist es doch für
dieses nicht gleichgültig, daß er möglicherweise dahinter steht. Mit
Rücksicht auf ihn enthält das öffentliche Dienstverhältnis selbst schon
gewisse Vorkehrungen und Einrichtungen, welche bestimmt sind, ihn
wahrzunehmen und zu sichern.

Dazu dienen einmal die Finanzkontrollen der Dienst-
führung
. Bei der oben (II n. 1) erwähnten Rechnungskontrolle ist
die Spitze sofort auf einen möglichen Ersatzanspruch des Rechnungs-

23 So Seydel, Bayr. St.R. II S. 405: "Der Titel, aus dem geklagt wird, ge-
hört lediglich dem öffentlichen Rechte an". Das Beispiel von dem unbrauchbar
gemachten Wege, das er Grundzüge S. 43 gegeben hatte, bedeutet zweifellos einen
civilrechtlichen Schadensersatzanspruch. In Arch. f. öff. R. III S. 75 hatte ich
ähnlich gefolgert; ich erkenne jetzt an, daß ich damals noch zu sehr unter dem
Einfluß des französischen Rechts gestanden habe und Labands Auffassung in
diesem Punkte die richtige ist.
24 A.L.R. I, 6 § 26; hierzu R.G. 21. Dez. 1881 (Samml. 6 S. 62).
25 Beispiel dieser Schadensersatzpflicht des Beamten: O.Tr. 9. April 1853
(Str. 9 S. 86), 10. Okt. 1856 (Str. 23 S. 1), 4. April 1870 (Str. 77 S. 295); O.V.G.
2. Juli 1879 (Samml. V S. 77); R.G. 15. Nov. 1883 (Samml. 10 S. 231), 29. Jan.
1885 (Samml. 13 S. 220), 9. April 1885 (Samml. 13 S. 258), 19. März 1889
(Samml. 23 S. 326).

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
widrig ist der Schade, der dem Dienstherrn zugefügt wird, jedesmal,
wo es geschieht unter Verletzung der Dienstpflicht. Allein dadurch
wird das Dienstverhältnis nicht selbst die Grundlage der Schadens-
ersatzpflicht23. Der Maßstab für die Bemessung des Verschuldens
wird von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht ex delicto auch
sonst wohl anderen Verhältnissen entnommen, in welchen der Schädiger
steht, aus öffentlichen Pflichtverhältnissen zumal; besondere Berufs-
pflichten und namentlich polizeiliche Pflichten geben Beispiele24. Noch
mehr: gerade die öffentliche Dienstpflicht liefert den Maßstab zur Be-
messung des Verschuldens für einen Schadensersatzanspruch, dessen
civilrechtliche und außerkontraktliche Grundlage außer Zweifel ist.
Wie wir in der Lehre von der Haftung aus rechtswidrigen Amts-
handlungen (Bd. I § 17, I n. 2) dargethan haben, ist der Beamte
auch dem verletzten Privaten gegenüber verantwortlich für den Schaden,
den er durch Nichterfüllung oder schlechte Erfüllung seiner Dienst-
pflicht diesem verursacht. Erst dadurch wird ja der Satz erst mög-
lich, daß die Haftung des Beamten gegenüber dem Dritten die näm-
liche ist, wie gegenüber seinem Dienstherrn. Denn daß diesem
gegenüber die versäumte Dienstpflicht nicht außer Ansatz bleiben kann,
ist selbstverständlich25.

Wenn somit der Ersatzanspruch des Dienstherrn im Rechte des
öffentlichen Dienstverhältnisses nicht begriffen ist, so ist es doch für
dieses nicht gleichgültig, daß er möglicherweise dahinter steht. Mit
Rücksicht auf ihn enthält das öffentliche Dienstverhältnis selbst schon
gewisse Vorkehrungen und Einrichtungen, welche bestimmt sind, ihn
wahrzunehmen und zu sichern.

Dazu dienen einmal die Finanzkontrollen der Dienst-
führung
. Bei der oben (II n. 1) erwähnten Rechnungskontrolle ist
die Spitze sofort auf einen möglichen Ersatzanspruch des Rechnungs-

23 So Seydel, Bayr. St.R. II S. 405: „Der Titel, aus dem geklagt wird, ge-
hört lediglich dem öffentlichen Rechte an“. Das Beispiel von dem unbrauchbar
gemachten Wege, das er Grundzüge S. 43 gegeben hatte, bedeutet zweifellos einen
civilrechtlichen Schadensersatzanspruch. In Arch. f. öff. R. III S. 75 hatte ich
ähnlich gefolgert; ich erkenne jetzt an, daß ich damals noch zu sehr unter dem
Einfluß des französischen Rechts gestanden habe und Labands Auffassung in
diesem Punkte die richtige ist.
24 A.L.R. I, 6 § 26; hierzu R.G. 21. Dez. 1881 (Samml. 6 S. 62).
25 Beispiel dieser Schadensersatzpflicht des Beamten: O.Tr. 9. April 1853
(Str. 9 S. 86), 10. Okt. 1856 (Str. 23 S. 1), 4. April 1870 (Str. 77 S. 295); O.V.G.
2. Juli 1879 (Samml. V S. 77); R.G. 15. Nov. 1883 (Samml. 10 S. 231), 29. Jan.
1885 (Samml. 13 S. 220), 9. April 1885 (Samml. 13 S. 258), 19. März 1889
(Samml. 23 S. 326).
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[260/0272] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. widrig ist der Schade, der dem Dienstherrn zugefügt wird, jedesmal, wo es geschieht unter Verletzung der Dienstpflicht. Allein dadurch wird das Dienstverhältnis nicht selbst die Grundlage der Schadens- ersatzpflicht 23. Der Maßstab für die Bemessung des Verschuldens wird von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht ex delicto auch sonst wohl anderen Verhältnissen entnommen, in welchen der Schädiger steht, aus öffentlichen Pflichtverhältnissen zumal; besondere Berufs- pflichten und namentlich polizeiliche Pflichten geben Beispiele 24. Noch mehr: gerade die öffentliche Dienstpflicht liefert den Maßstab zur Be- messung des Verschuldens für einen Schadensersatzanspruch, dessen civilrechtliche und außerkontraktliche Grundlage außer Zweifel ist. Wie wir in der Lehre von der Haftung aus rechtswidrigen Amts- handlungen (Bd. I § 17, I n. 2) dargethan haben, ist der Beamte auch dem verletzten Privaten gegenüber verantwortlich für den Schaden, den er durch Nichterfüllung oder schlechte Erfüllung seiner Dienst- pflicht diesem verursacht. Erst dadurch wird ja der Satz erst mög- lich, daß die Haftung des Beamten gegenüber dem Dritten die näm- liche ist, wie gegenüber seinem Dienstherrn. Denn daß diesem gegenüber die versäumte Dienstpflicht nicht außer Ansatz bleiben kann, ist selbstverständlich 25. Wenn somit der Ersatzanspruch des Dienstherrn im Rechte des öffentlichen Dienstverhältnisses nicht begriffen ist, so ist es doch für dieses nicht gleichgültig, daß er möglicherweise dahinter steht. Mit Rücksicht auf ihn enthält das öffentliche Dienstverhältnis selbst schon gewisse Vorkehrungen und Einrichtungen, welche bestimmt sind, ihn wahrzunehmen und zu sichern. Dazu dienen einmal die Finanzkontrollen der Dienst- führung. Bei der oben (II n. 1) erwähnten Rechnungskontrolle ist die Spitze sofort auf einen möglichen Ersatzanspruch des Rechnungs- 23 So Seydel, Bayr. St.R. II S. 405: „Der Titel, aus dem geklagt wird, ge- hört lediglich dem öffentlichen Rechte an“. Das Beispiel von dem unbrauchbar gemachten Wege, das er Grundzüge S. 43 gegeben hatte, bedeutet zweifellos einen civilrechtlichen Schadensersatzanspruch. In Arch. f. öff. R. III S. 75 hatte ich ähnlich gefolgert; ich erkenne jetzt an, daß ich damals noch zu sehr unter dem Einfluß des französischen Rechts gestanden habe und Labands Auffassung in diesem Punkte die richtige ist. 24 A.L.R. I, 6 § 26; hierzu R.G. 21. Dez. 1881 (Samml. 6 S. 62). 25 Beispiel dieser Schadensersatzpflicht des Beamten: O.Tr. 9. April 1853 (Str. 9 S. 86), 10. Okt. 1856 (Str. 23 S. 1), 4. April 1870 (Str. 77 S. 295); O.V.G. 2. Juli 1879 (Samml. V S. 77); R.G. 15. Nov. 1883 (Samml. 10 S. 231), 29. Jan. 1885 (Samml. 13 S. 220), 9. April 1885 (Samml. 13 S. 258), 19. März 1889 (Samml. 23 S. 326).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/272>, abgerufen am 24.11.2024.