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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
immer eine große thatsächliche Bedeutung haben. Das Gesetz schreibt
deshalb für diese vor, daß immer zuerst der Ausgang des Straf-
verfahrens abzuwarten sei, oder daß das Strafurteil maßgebend ist,
wenn es auf Freisprechung lautet. Da wird dann gegebenen Falls
wegen Verneinung des Thatbestandes einer Verfehlung das Disciplinar-
verfahren ausgeschlossen sein. --

Dagegen ist die Disciplinarstrafe von selbst ausgeschlossen durch
die Endigung der Dienstpflicht: wenn der Schuldige aus dem
Dienstverhältnisse ausgeschieden ist, ist am Dienste nichts mehr zu
bessern durch ein Vorgehen gegen ihn; die Disciplinarstrafe hat ihren
Zweck verloren und damit auch ihre Berechtigung20. Dieser Grund
wirkt nicht, soweit trotz dieser Endigung der Dienstpflicht für das
Disciplinarverfahren noch ein selbständiger Zweck übrig bleibt. Es
kann sich nur um einen Nebenzweck handeln, um Erstattung der im
Verfahren bisher schon erwachsenen Kosten, oder um Entziehung der
dem Schuldigen sonst verbleibenden Ansprüche auf Titel, Rang und
Ruhegehalt21. Der Grund wirkt auch nicht gegenüber den vor Auflösung
des Dienstverhältnisses bereits erkannten Disciplinarstrafen22. Diese
können dadurch nur je nach dem gegenstandslos oder unvollstreckbar
geworden sein: gegenstandslos, soweit eben die Endigung des Dienst-

20 Der leitende Gedanke findet sich in aller Klarheit ausgesprochen in Bl. f.
adm. Pr. 16 S. 39. Vgl. auch Kanngießer, ReichsB.R. S. 162. 163; F. Seydel,
Dienstvergehen S. 150 ff.; Gaupp, Württemb. St.R. S. 97. -- Mit der Annahme
eines bloßen Specialstrafrechts verträgt sich das nicht; daher erklärt G. Meyer
in Annalen 1876 S. 677 die betreffenden Bestimmungen des R.B.G. §§ 75. 100 für
eine Unüberlegtheit des Reichstags. In unseren Partikularrechten gilt aber das
Nämliche. -- Hierin liegt wohl auch der wahre Grund, weshalb über Geschworene
und Schöffen keine Disciplinarstrafgewalt eingerichtet ist: reinigende Disciplin ist
bei der Zwangsdienstpflicht ausgeschlossen und Zuchtdisciplin zu üben an dem
Mann, den man nach Schluß der Sitzung niemals wieder sieht, hat keinen Zweck.
Die gemeinrechtlichen Strafen wegen Nichtleistung des Zwangsdienstes genügen;
Seuffert, Erörterungen über die Besetzung des Schöffengerichts und Schwur-
gerichts S. 81 ff. Laband, St.R. I S. 448 (3. Aufl. S. 426), will das daraus er-
klären, daß die disciplinarischen Folgen der Pflichtverletzung nur bei eigentlichen
Beamten eintreten. Aber der Soldat unterliegt doch solchen Folgen.
21 Beispiele aus der Praxis bei F. Seydel, Dienstvergehen S. 150, 151. --
O.Tr. 1. Dez. 1871 (J.M.Bl. 1872 S. 14) hält auch nach eingetretener Entlassung
das Disciplinarverfahren fest, um auf einen Verweis zu erkennen. Der in erster
Instanz Verurteilte hatte selbst Berufung eingelegt; das Gericht glaubte also viel-
leicht zu seinen Gunsten fortfahren zu sollen. Kanngießer, ReichsB.R. S. 163,
findet das mit Recht zu weit gegangen.
22 Ebenso wie bereits ausgesprochene Ungehorsamsstrafen, die ja auch reine
Zweckstrafen sind, bei nachträglichem Wegfall des Zweckes bestehen bleiben:
Bd. I § 23, I S. 333.

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
immer eine große thatsächliche Bedeutung haben. Das Gesetz schreibt
deshalb für diese vor, daß immer zuerst der Ausgang des Straf-
verfahrens abzuwarten sei, oder daß das Strafurteil maßgebend ist,
wenn es auf Freisprechung lautet. Da wird dann gegebenen Falls
wegen Verneinung des Thatbestandes einer Verfehlung das Disciplinar-
verfahren ausgeschlossen sein. —

Dagegen ist die Disciplinarstrafe von selbst ausgeschlossen durch
die Endigung der Dienstpflicht: wenn der Schuldige aus dem
Dienstverhältnisse ausgeschieden ist, ist am Dienste nichts mehr zu
bessern durch ein Vorgehen gegen ihn; die Disciplinarstrafe hat ihren
Zweck verloren und damit auch ihre Berechtigung20. Dieser Grund
wirkt nicht, soweit trotz dieser Endigung der Dienstpflicht für das
Disciplinarverfahren noch ein selbständiger Zweck übrig bleibt. Es
kann sich nur um einen Nebenzweck handeln, um Erstattung der im
Verfahren bisher schon erwachsenen Kosten, oder um Entziehung der
dem Schuldigen sonst verbleibenden Ansprüche auf Titel, Rang und
Ruhegehalt21. Der Grund wirkt auch nicht gegenüber den vor Auflösung
des Dienstverhältnisses bereits erkannten Disciplinarstrafen22. Diese
können dadurch nur je nach dem gegenstandslos oder unvollstreckbar
geworden sein: gegenstandslos, soweit eben die Endigung des Dienst-

20 Der leitende Gedanke findet sich in aller Klarheit ausgesprochen in Bl. f.
adm. Pr. 16 S. 39. Vgl. auch Kanngießer, ReichsB.R. S. 162. 163; F. Seydel,
Dienstvergehen S. 150 ff.; Gaupp, Württemb. St.R. S. 97. — Mit der Annahme
eines bloßen Specialstrafrechts verträgt sich das nicht; daher erklärt G. Meyer
in Annalen 1876 S. 677 die betreffenden Bestimmungen des R.B.G. §§ 75. 100 für
eine Unüberlegtheit des Reichstags. In unseren Partikularrechten gilt aber das
Nämliche. — Hierin liegt wohl auch der wahre Grund, weshalb über Geschworene
und Schöffen keine Disciplinarstrafgewalt eingerichtet ist: reinigende Disciplin ist
bei der Zwangsdienstpflicht ausgeschlossen und Zuchtdisciplin zu üben an dem
Mann, den man nach Schluß der Sitzung niemals wieder sieht, hat keinen Zweck.
Die gemeinrechtlichen Strafen wegen Nichtleistung des Zwangsdienstes genügen;
Seuffert, Erörterungen über die Besetzung des Schöffengerichts und Schwur-
gerichts S. 81 ff. Laband, St.R. I S. 448 (3. Aufl. S. 426), will das daraus er-
klären, daß die disciplinarischen Folgen der Pflichtverletzung nur bei eigentlichen
Beamten eintreten. Aber der Soldat unterliegt doch solchen Folgen.
21 Beispiele aus der Praxis bei F. Seydel, Dienstvergehen S. 150, 151. —
O.Tr. 1. Dez. 1871 (J.M.Bl. 1872 S. 14) hält auch nach eingetretener Entlassung
das Disciplinarverfahren fest, um auf einen Verweis zu erkennen. Der in erster
Instanz Verurteilte hatte selbst Berufung eingelegt; das Gericht glaubte also viel-
leicht zu seinen Gunsten fortfahren zu sollen. Kanngießer, ReichsB.R. S. 163,
findet das mit Recht zu weit gegangen.
22 Ebenso wie bereits ausgesprochene Ungehorsamsstrafen, die ja auch reine
Zweckstrafen sind, bei nachträglichem Wegfall des Zweckes bestehen bleiben:
Bd. I § 23, I S. 333.
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[246/0258] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. immer eine große thatsächliche Bedeutung haben. Das Gesetz schreibt deshalb für diese vor, daß immer zuerst der Ausgang des Straf- verfahrens abzuwarten sei, oder daß das Strafurteil maßgebend ist, wenn es auf Freisprechung lautet. Da wird dann gegebenen Falls wegen Verneinung des Thatbestandes einer Verfehlung das Disciplinar- verfahren ausgeschlossen sein. — Dagegen ist die Disciplinarstrafe von selbst ausgeschlossen durch die Endigung der Dienstpflicht: wenn der Schuldige aus dem Dienstverhältnisse ausgeschieden ist, ist am Dienste nichts mehr zu bessern durch ein Vorgehen gegen ihn; die Disciplinarstrafe hat ihren Zweck verloren und damit auch ihre Berechtigung 20. Dieser Grund wirkt nicht, soweit trotz dieser Endigung der Dienstpflicht für das Disciplinarverfahren noch ein selbständiger Zweck übrig bleibt. Es kann sich nur um einen Nebenzweck handeln, um Erstattung der im Verfahren bisher schon erwachsenen Kosten, oder um Entziehung der dem Schuldigen sonst verbleibenden Ansprüche auf Titel, Rang und Ruhegehalt 21. Der Grund wirkt auch nicht gegenüber den vor Auflösung des Dienstverhältnisses bereits erkannten Disciplinarstrafen 22. Diese können dadurch nur je nach dem gegenstandslos oder unvollstreckbar geworden sein: gegenstandslos, soweit eben die Endigung des Dienst- 20 Der leitende Gedanke findet sich in aller Klarheit ausgesprochen in Bl. f. adm. Pr. 16 S. 39. Vgl. auch Kanngießer, ReichsB.R. S. 162. 163; F. Seydel, Dienstvergehen S. 150 ff.; Gaupp, Württemb. St.R. S. 97. — Mit der Annahme eines bloßen Specialstrafrechts verträgt sich das nicht; daher erklärt G. Meyer in Annalen 1876 S. 677 die betreffenden Bestimmungen des R.B.G. §§ 75. 100 für eine Unüberlegtheit des Reichstags. In unseren Partikularrechten gilt aber das Nämliche. — Hierin liegt wohl auch der wahre Grund, weshalb über Geschworene und Schöffen keine Disciplinarstrafgewalt eingerichtet ist: reinigende Disciplin ist bei der Zwangsdienstpflicht ausgeschlossen und Zuchtdisciplin zu üben an dem Mann, den man nach Schluß der Sitzung niemals wieder sieht, hat keinen Zweck. Die gemeinrechtlichen Strafen wegen Nichtleistung des Zwangsdienstes genügen; Seuffert, Erörterungen über die Besetzung des Schöffengerichts und Schwur- gerichts S. 81 ff. Laband, St.R. I S. 448 (3. Aufl. S. 426), will das daraus er- klären, daß die disciplinarischen Folgen der Pflichtverletzung nur bei eigentlichen Beamten eintreten. Aber der Soldat unterliegt doch solchen Folgen. 21 Beispiele aus der Praxis bei F. Seydel, Dienstvergehen S. 150, 151. — O.Tr. 1. Dez. 1871 (J.M.Bl. 1872 S. 14) hält auch nach eingetretener Entlassung das Disciplinarverfahren fest, um auf einen Verweis zu erkennen. Der in erster Instanz Verurteilte hatte selbst Berufung eingelegt; das Gericht glaubte also viel- leicht zu seinen Gunsten fortfahren zu sollen. Kanngießer, ReichsB.R. S. 163, findet das mit Recht zu weit gegangen. 22 Ebenso wie bereits ausgesprochene Ungehorsamsstrafen, die ja auch reine Zweckstrafen sind, bei nachträglichem Wegfall des Zweckes bestehen bleiben: Bd. I § 23, I S. 333.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/258>, abgerufen am 23.11.2024.