Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums. begriffsmäßigen Eigenschaft, daß sie selbst für sich schon eine Er-scheinung der öffentlichen Verwaltung ist. Die öffentliche Verwaltung aber erhält sich dem Einzelnen gegenüber in ihrem Stand mit obrigkeit- licher Gewalt. Die Gesamtheit der hierher gehörigen Maßregeln pflegt dann unter dem herkömmlichen Namen der Polizei zu gehen. Nach- dem wir aber diesen Begriff enger begrenzt haben, werden wir zweierlei Dinge hier zu unterscheiden haben. Das eine ist die Polizei der öffentlichen Sache. Jede Diese Polizei richtet sich zum Teil schlechthin gegen jedermann, Die Formen, in welchen dieser Schutz stattfindet, sind die all- 7 Die polizeiliche Maßregel tritt hier insbesondere an Stelle der Besitzklagen. Die Besitzergreifung von einem Stück Boden, das als Zubehör der Straße be- hauptet wird, ist "eine polizeiliche Anordnung im Interesse des Verkehrs" und mit gerichtlicher Klage nicht anfechtbar (C.C.H. 13. Okt. 1873; J.M.Bl. 1874 S. 39). -- Ein bayrischer Stadtmagistrat ordnet die Beseitigung von Pfosten an, mit welchen der angebliche Eigentümer einen Weg versperrt hatte; kein Rechts- weg: "die Gemeinde muß in der freien Verfügung über die katastermäßig und thatsächlich als öffentlicher Weg benützte Grundfläche geschützt werden" (Bl. f. adm. Pr. 1874 S. 372). Ein ähnlicher Fall in O.V.G. 1. März 1875. 8 Die Handhabung dieser Polizei kann der Zuständigkeit einer anderen Be-
hörde überwiesen sein, als derjenigen, welche die laufende Verwaltung der Sache führt; es kann sogar sein, daß die Polizei namens des Staates geübt wird, während die Straße, der Platz, der Brunnen der Gemeinde gehört und in allem übrigen in deren Namen verwaltet wird. Das ändert nichts an der Rechtsstellung des öffentlichen Eigentums; nach außen bilden alle Zweige der Verwaltung ein Ganzes; der Schluß, daß bei solcher Trennung der Zuständigkeiten das Eigentum an der § 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums. begriffsmäßigen Eigenschaft, daß sie selbst für sich schon eine Er-scheinung der öffentlichen Verwaltung ist. Die öffentliche Verwaltung aber erhält sich dem Einzelnen gegenüber in ihrem Stand mit obrigkeit- licher Gewalt. Die Gesamtheit der hierher gehörigen Maßregeln pflegt dann unter dem herkömmlichen Namen der Polizei zu gehen. Nach- dem wir aber diesen Begriff enger begrenzt haben, werden wir zweierlei Dinge hier zu unterscheiden haben. Das eine ist die Polizei der öffentlichen Sache. Jede Diese Polizei richtet sich zum Teil schlechthin gegen jedermann, Die Formen, in welchen dieser Schutz stattfindet, sind die all- 7 Die polizeiliche Maßregel tritt hier insbesondere an Stelle der Besitzklagen. Die Besitzergreifung von einem Stück Boden, das als Zubehör der Straße be- hauptet wird, ist „eine polizeiliche Anordnung im Interesse des Verkehrs“ und mit gerichtlicher Klage nicht anfechtbar (C.C.H. 13. Okt. 1873; J.M.Bl. 1874 S. 39). — Ein bayrischer Stadtmagistrat ordnet die Beseitigung von Pfosten an, mit welchen der angebliche Eigentümer einen Weg versperrt hatte; kein Rechts- weg: „die Gemeinde muß in der freien Verfügung über die katastermäßig und thatsächlich als öffentlicher Weg benützte Grundfläche geschützt werden“ (Bl. f. adm. Pr. 1874 S. 372). Ein ähnlicher Fall in O.V.G. 1. März 1875. 8 Die Handhabung dieser Polizei kann der Zuständigkeit einer anderen Be-
hörde überwiesen sein, als derjenigen, welche die laufende Verwaltung der Sache führt; es kann sogar sein, daß die Polizei namens des Staates geübt wird, während die Straße, der Platz, der Brunnen der Gemeinde gehört und in allem übrigen in deren Namen verwaltet wird. Das ändert nichts an der Rechtsstellung des öffentlichen Eigentums; nach außen bilden alle Zweige der Verwaltung ein Ganzes; der Schluß, daß bei solcher Trennung der Zuständigkeiten das Eigentum an der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0105" n="93"/><fw place="top" type="header">§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.</fw><lb/> begriffsmäßigen Eigenschaft, daß sie selbst für sich schon eine Er-<lb/> scheinung der öffentlichen Verwaltung ist. Die öffentliche Verwaltung<lb/> aber erhält sich dem Einzelnen gegenüber in ihrem Stand mit obrigkeit-<lb/> licher Gewalt. Die Gesamtheit der hierher gehörigen Maßregeln pflegt<lb/> dann unter dem herkömmlichen Namen der Polizei zu gehen. Nach-<lb/> dem wir aber diesen Begriff enger begrenzt haben, werden wir zweierlei<lb/> Dinge hier zu unterscheiden haben.</p><lb/> <p>Das eine ist die <hi rendition="#g">Polizei der öffentlichen Sache</hi>. Jede<lb/> Störung der Unversehrtheit und Benutzbarkeit der öffentlichen Sache<lb/> ist eine Störung der guten Ordnung, zu deren Aufrechterhaltung die<lb/> Polizeigewalt berufen ist. Die Polizei der öffentlichen Sache ist nichts<lb/> anderes, als ein Stück jener allgemeineren Richtung der Polizeigewalt,<lb/> die wir oben als Anstaltspolizei bezeichnet haben (Bd. I S. 263).</p><lb/> <p>Diese Polizei richtet sich zum Teil schlechthin gegen jedermann,<lb/> der mit der Sache in Berührung kommt<note place="foot" n="7">Die polizeiliche Maßregel tritt hier insbesondere an Stelle der Besitzklagen.<lb/> Die Besitzergreifung von einem Stück Boden, das als Zubehör der Straße be-<lb/> hauptet wird, ist „eine polizeiliche Anordnung im Interesse des Verkehrs“ und<lb/> mit gerichtlicher Klage nicht anfechtbar (C.C.H. 13. Okt. 1873; J.M.Bl. 1874<lb/> S. 39). — Ein bayrischer Stadtmagistrat ordnet die Beseitigung von Pfosten an,<lb/> mit welchen der angebliche Eigentümer einen Weg versperrt hatte; kein Rechts-<lb/> weg: „die Gemeinde muß in der freien Verfügung über die katastermäßig und<lb/> thatsächlich als öffentlicher Weg benützte Grundfläche geschützt werden“ (Bl. f.<lb/> adm. Pr. 1874 S. 372). Ein ähnlicher Fall in O.V.G. 1. März 1875.</note>, zum Teil knüpft sie sich<lb/> an die besondere Voraussetzung, die ja nicht bei allen Arten öffent-<lb/> licher Sachen gegeben ist, daß Nutzungsrechte der Einzelnen daran<lb/> bestehen durch Gemeingebrauch, besondere Erlaubnis oder Verleihung;<lb/> die Ordnung der Ausübung dieser Nutzungen ist ein Hauptgegenstand<lb/> der Polizei der öffentlichen Sache (unten § 37—39).</p><lb/> <p>Die Formen, in welchen dieser Schutz stattfindet, sind die all-<lb/> gemeinen polizeilichen: Befehle, in Rechtssätzen und Einzelbefehle,<lb/> Strafsetzungen, Zwangsvollstreckung durch Ungehorsamsstrafe, Ersatz-<lb/> vornahme, Gewaltanwendung; vor allem hat der unmittelbare Zwang,<lb/> wie wir Bd. I § 24, I n. 1 schon ausgeführt haben, gerade auf diesem<lb/> Boden sein Hauptverwendungsgebiet<note xml:id="seg2pn_29_1" next="#seg2pn_29_2" place="foot" n="8">Die Handhabung dieser Polizei kann der Zuständigkeit einer anderen Be-<lb/> hörde überwiesen sein, als derjenigen, welche die laufende Verwaltung der Sache<lb/> führt; es kann sogar sein, daß die Polizei namens des Staates geübt wird, während<lb/> die Straße, der Platz, der Brunnen der Gemeinde gehört und in allem übrigen<lb/> in deren Namen verwaltet wird. Das ändert nichts an der Rechtsstellung des<lb/> öffentlichen Eigentums; nach außen bilden alle Zweige der Verwaltung ein Ganzes;<lb/> der Schluß, daß bei solcher Trennung der Zuständigkeiten das Eigentum an der</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0105]
§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
begriffsmäßigen Eigenschaft, daß sie selbst für sich schon eine Er-
scheinung der öffentlichen Verwaltung ist. Die öffentliche Verwaltung
aber erhält sich dem Einzelnen gegenüber in ihrem Stand mit obrigkeit-
licher Gewalt. Die Gesamtheit der hierher gehörigen Maßregeln pflegt
dann unter dem herkömmlichen Namen der Polizei zu gehen. Nach-
dem wir aber diesen Begriff enger begrenzt haben, werden wir zweierlei
Dinge hier zu unterscheiden haben.
Das eine ist die Polizei der öffentlichen Sache. Jede
Störung der Unversehrtheit und Benutzbarkeit der öffentlichen Sache
ist eine Störung der guten Ordnung, zu deren Aufrechterhaltung die
Polizeigewalt berufen ist. Die Polizei der öffentlichen Sache ist nichts
anderes, als ein Stück jener allgemeineren Richtung der Polizeigewalt,
die wir oben als Anstaltspolizei bezeichnet haben (Bd. I S. 263).
Diese Polizei richtet sich zum Teil schlechthin gegen jedermann,
der mit der Sache in Berührung kommt 7, zum Teil knüpft sie sich
an die besondere Voraussetzung, die ja nicht bei allen Arten öffent-
licher Sachen gegeben ist, daß Nutzungsrechte der Einzelnen daran
bestehen durch Gemeingebrauch, besondere Erlaubnis oder Verleihung;
die Ordnung der Ausübung dieser Nutzungen ist ein Hauptgegenstand
der Polizei der öffentlichen Sache (unten § 37—39).
Die Formen, in welchen dieser Schutz stattfindet, sind die all-
gemeinen polizeilichen: Befehle, in Rechtssätzen und Einzelbefehle,
Strafsetzungen, Zwangsvollstreckung durch Ungehorsamsstrafe, Ersatz-
vornahme, Gewaltanwendung; vor allem hat der unmittelbare Zwang,
wie wir Bd. I § 24, I n. 1 schon ausgeführt haben, gerade auf diesem
Boden sein Hauptverwendungsgebiet 8.
7 Die polizeiliche Maßregel tritt hier insbesondere an Stelle der Besitzklagen.
Die Besitzergreifung von einem Stück Boden, das als Zubehör der Straße be-
hauptet wird, ist „eine polizeiliche Anordnung im Interesse des Verkehrs“ und
mit gerichtlicher Klage nicht anfechtbar (C.C.H. 13. Okt. 1873; J.M.Bl. 1874
S. 39). — Ein bayrischer Stadtmagistrat ordnet die Beseitigung von Pfosten an,
mit welchen der angebliche Eigentümer einen Weg versperrt hatte; kein Rechts-
weg: „die Gemeinde muß in der freien Verfügung über die katastermäßig und
thatsächlich als öffentlicher Weg benützte Grundfläche geschützt werden“ (Bl. f.
adm. Pr. 1874 S. 372). Ein ähnlicher Fall in O.V.G. 1. März 1875.
8 Die Handhabung dieser Polizei kann der Zuständigkeit einer anderen Be-
hörde überwiesen sein, als derjenigen, welche die laufende Verwaltung der Sache
führt; es kann sogar sein, daß die Polizei namens des Staates geübt wird, während
die Straße, der Platz, der Brunnen der Gemeinde gehört und in allem übrigen
in deren Namen verwaltet wird. Das ändert nichts an der Rechtsstellung des
öffentlichen Eigentums; nach außen bilden alle Zweige der Verwaltung ein Ganzes;
der Schluß, daß bei solcher Trennung der Zuständigkeiten das Eigentum an der
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