Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Geschichtliche Entwicklungsstufen. in ihrem alten unverfälschten Sinne war allein imstande, das sonstUnvereinbare zu vermitteln20. Aber auch der Umfang der Anwendbarkeit von Civilrecht und Den Ausgangspunkt bildet der Grundsatz, dass Civilrecht, folglich 20 Perrot, Verfassung, Zuständigkeit und Verfahren der Gerichte der Preuss. Rheinprovinzen (1842), I S. 174: Da der souveränen Staatsgewalt gegenüber die Staatsglieder schutzlos sind, so "hat man zu einer glücklichen Fiktion seine Zu- flucht genommen. Man hat den Begriff des Fiskus als einer moralischen Person geschaffen, die den Beruf hat, die Mittel zu den Staatszwecken zu verschaffen und zu verwalten. Diese moralische Person wird durch Behörden in verschiedenen Ab- stufungen vertreten. Sie ist nicht selbst souverän, sondern steht unter den Gesetzen des Staates, wie jede andere physische oder moralische Person, hat daher überall sich nach den bestehenden Gesetzen zu richten". Die Fiskuslehre in ihrer ganzen Schroffheit erscheint hier mit dem Bewusstsein ihres praktischen Zieles. Diese Anschauungsweise klingt auch aus der neueren Rechtsprechung dazwischen noch heraus. O.Tr. 27. Mai 1862 (Str. 46 S. 109): "nicht der Fiskus, sondern der Staat der richtige Beklagte"; O.Tr. 14. Juli 1865 (Str. 60 S. 111): "Vorderrichter verwechselt den Fiskus mit dem Gesetzgeber, wenn er sagt, Kläger (Fiskus) habe später vermöge seines Hoheitsrechts die Zollfreiheit der Verklagten aufgehoben; der Vertrag ist vom Fiskus abgeschlossen, das Zollgesetz ist aber nicht vom Fiskus, sondern vom Gesetzgeber erlassen". Ähnl. Bl. f. adm. Pr. 1880 S. 229. Noch O.Tr. 5. Januar 1877 (Str. 99 S. 132) lässt es dahingestellt, ob es richtiger ist, "im Staate eine zwiefache Persönlichkeit anzunehmen oder nur eine Persönlichkeit in privatrechtlichen und staatshoheitsrechtlichen Beziehungen". 21 Sobald nicht mehr befohlen wird, handelt es sich, wie die Gerichte sagen,
um eine "reine Geldfrage" und dann hat man es mit dem Fiskus zu thun: C.C.H. 11. Dez. 1852, 4. April 1855 (Kosmann, Erkenntnisse II S. 141, S. 249), 10. Okt. 1863 (J.M.Bl. 1863 S. 290). Die polizeistaatliche Regel, dass nur im Falle des Geschichtliche Entwicklungsstufen. in ihrem alten unverfälschten Sinne war allein imstande, das sonstUnvereinbare zu vermitteln20. Aber auch der Umfang der Anwendbarkeit von Civilrecht und Den Ausgangspunkt bildet der Grundsatz, daſs Civilrecht, folglich 20 Perrot, Verfassung, Zuständigkeit und Verfahren der Gerichte der Preuſs. Rheinprovinzen (1842), I S. 174: Da der souveränen Staatsgewalt gegenüber die Staatsglieder schutzlos sind, so „hat man zu einer glücklichen Fiktion seine Zu- flucht genommen. Man hat den Begriff des Fiskus als einer moralischen Person geschaffen, die den Beruf hat, die Mittel zu den Staatszwecken zu verschaffen und zu verwalten. Diese moralische Person wird durch Behörden in verschiedenen Ab- stufungen vertreten. Sie ist nicht selbst souverän, sondern steht unter den Gesetzen des Staates, wie jede andere physische oder moralische Person, hat daher überall sich nach den bestehenden Gesetzen zu richten“. Die Fiskuslehre in ihrer ganzen Schroffheit erscheint hier mit dem Bewuſstsein ihres praktischen Zieles. Diese Anschauungsweise klingt auch aus der neueren Rechtsprechung dazwischen noch heraus. O.Tr. 27. Mai 1862 (Str. 46 S. 109): „nicht der Fiskus, sondern der Staat der richtige Beklagte“; O.Tr. 14. Juli 1865 (Str. 60 S. 111): „Vorderrichter verwechselt den Fiskus mit dem Gesetzgeber, wenn er sagt, Kläger (Fiskus) habe später vermöge seines Hoheitsrechts die Zollfreiheit der Verklagten aufgehoben; der Vertrag ist vom Fiskus abgeschlossen, das Zollgesetz ist aber nicht vom Fiskus, sondern vom Gesetzgeber erlassen“. Ähnl. Bl. f. adm. Pr. 1880 S. 229. Noch O.Tr. 5. Januar 1877 (Str. 99 S. 132) läſst es dahingestellt, ob es richtiger ist, „im Staate eine zwiefache Persönlichkeit anzunehmen oder nur eine Persönlichkeit in privatrechtlichen und staatshoheitsrechtlichen Beziehungen“. 21 Sobald nicht mehr befohlen wird, handelt es sich, wie die Gerichte sagen,
um eine „reine Geldfrage“ und dann hat man es mit dem Fiskus zu thun: C.C.H. 11. Dez. 1852, 4. April 1855 (Kosmann, Erkenntnisse II S. 141, S. 249), 10. Okt. 1863 (J.M.Bl. 1863 S. 290). Die polizeistaatliche Regel, daſs nur im Falle des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0070" n="50"/><fw place="top" type="header">Geschichtliche Entwicklungsstufen.</fw><lb/> in ihrem alten unverfälschten Sinne war allein imstande, das sonst<lb/> Unvereinbare zu vermitteln<note place="foot" n="20"><hi rendition="#g">Perrot,</hi> Verfassung, Zuständigkeit und Verfahren der Gerichte der Preuſs.<lb/> Rheinprovinzen (1842), I S. 174: Da der souveränen Staatsgewalt gegenüber die<lb/> Staatsglieder schutzlos sind, so „hat man zu einer glücklichen Fiktion seine Zu-<lb/> flucht genommen. Man hat den Begriff des Fiskus als einer moralischen Person<lb/> geschaffen, die den Beruf hat, die Mittel zu den Staatszwecken zu verschaffen und<lb/> zu verwalten. Diese moralische Person wird durch Behörden in verschiedenen Ab-<lb/> stufungen vertreten. Sie ist <hi rendition="#g">nicht selbst souverän,</hi> sondern <hi rendition="#g">steht unter den<lb/> Gesetzen des Staates,</hi> wie <hi rendition="#g">jede andere</hi> physische oder moralische Person,<lb/> hat daher überall sich nach den bestehenden Gesetzen zu richten“. Die Fiskuslehre<lb/> in ihrer ganzen Schroffheit erscheint hier mit dem Bewuſstsein ihres praktischen Zieles.<lb/> Diese Anschauungsweise klingt auch aus der neueren Rechtsprechung dazwischen noch<lb/> heraus. O.Tr. 27. Mai 1862 (Str. 46 S. 109): „nicht der Fiskus, sondern der<lb/> Staat der richtige Beklagte“; O.Tr. 14. Juli 1865 (Str. 60 S. 111): „Vorderrichter<lb/> verwechselt den Fiskus mit dem Gesetzgeber, wenn er sagt, Kläger (Fiskus) habe<lb/> später vermöge seines Hoheitsrechts die Zollfreiheit der Verklagten aufgehoben;<lb/> der Vertrag ist vom Fiskus abgeschlossen, das Zollgesetz ist aber nicht vom Fiskus,<lb/> sondern vom Gesetzgeber erlassen“. Ähnl. Bl. f. adm. Pr. 1880 S. 229. Noch<lb/> O.Tr. 5. Januar 1877 (Str. 99 S. 132) läſst es dahingestellt, ob es richtiger ist, „im<lb/> Staate eine zwiefache Persönlichkeit anzunehmen oder nur eine Persönlichkeit in<lb/> privatrechtlichen und staatshoheitsrechtlichen Beziehungen“.</note>.</p><lb/> <p>Aber auch der <hi rendition="#g">Umfang</hi> der Anwendbarkeit von Civilrecht und<lb/> Civilrechtspflege lieſs sich nur auf dieser Grundlage so bestimmen,<lb/> wie man ihn bestimmen wollte und wirklich zur Durchführung ge-<lb/> bracht hat. Es ist unverkennbar, daſs das Civilrecht hier im Ver-<lb/> gleiche mit heutigen Anschauungen um ein Beträchtliches tiefer in<lb/> das ganze Gebiet der Staatsthätigkeit hineinreicht.</p><lb/> <p>Den Ausgangspunkt bildet der Grundsatz, daſs Civilrecht, folglich<lb/> auch Civilrechtspflege überall zur Anwendung kommen, wo es sich um<lb/> „Mein und Dein“, um <hi rendition="#g">vermögensrechtliche</hi> Angelegenheiten<lb/> handelt. Ausgeschlossen ist das Civilrecht nur da, wo der eigentliche<lb/> Staat auftritt. Daſs <hi rendition="#g">er</hi> es ist, erweist sich bei durchgeführter Aus-<lb/> scheidung der fiskalischen Behörden schon äuſserlich aus der Person<lb/> seines Vertreters. Entscheidend aber ist immer die Gestalt seines<lb/> Handelns: nur der Staat hat obrigkeitliche Macht. Die allgemeine<lb/> Form, in welcher diese erscheint, ist der <hi rendition="#g">Befehl</hi> und die <hi rendition="#g">Gewalt-<lb/> anwendung</hi>. Wo befohlen und gezwungen wird, ist der Staat, sonst<lb/> überall der Fiskus. Damit erhält das Civilrecht schon eine bedeutende<lb/> Ausdehnung<note xml:id="seg2pn_9_1" next="#seg2pn_9_2" place="foot" n="21">Sobald nicht mehr befohlen wird, handelt es sich, wie die Gerichte sagen,<lb/> um eine „reine Geldfrage“ und dann hat man es mit dem Fiskus zu thun: C.C.H.<lb/> 11. Dez. 1852, 4. April 1855 (<hi rendition="#g">Kosmann,</hi> Erkenntnisse II S. 141, S. 249), 10. Okt.<lb/> 1863 (J.M.Bl. 1863 S. 290). Die polizeistaatliche Regel, daſs nur im Falle des</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0070]
Geschichtliche Entwicklungsstufen.
in ihrem alten unverfälschten Sinne war allein imstande, das sonst
Unvereinbare zu vermitteln 20.
Aber auch der Umfang der Anwendbarkeit von Civilrecht und
Civilrechtspflege lieſs sich nur auf dieser Grundlage so bestimmen,
wie man ihn bestimmen wollte und wirklich zur Durchführung ge-
bracht hat. Es ist unverkennbar, daſs das Civilrecht hier im Ver-
gleiche mit heutigen Anschauungen um ein Beträchtliches tiefer in
das ganze Gebiet der Staatsthätigkeit hineinreicht.
Den Ausgangspunkt bildet der Grundsatz, daſs Civilrecht, folglich
auch Civilrechtspflege überall zur Anwendung kommen, wo es sich um
„Mein und Dein“, um vermögensrechtliche Angelegenheiten
handelt. Ausgeschlossen ist das Civilrecht nur da, wo der eigentliche
Staat auftritt. Daſs er es ist, erweist sich bei durchgeführter Aus-
scheidung der fiskalischen Behörden schon äuſserlich aus der Person
seines Vertreters. Entscheidend aber ist immer die Gestalt seines
Handelns: nur der Staat hat obrigkeitliche Macht. Die allgemeine
Form, in welcher diese erscheint, ist der Befehl und die Gewalt-
anwendung. Wo befohlen und gezwungen wird, ist der Staat, sonst
überall der Fiskus. Damit erhält das Civilrecht schon eine bedeutende
Ausdehnung 21.
20 Perrot, Verfassung, Zuständigkeit und Verfahren der Gerichte der Preuſs.
Rheinprovinzen (1842), I S. 174: Da der souveränen Staatsgewalt gegenüber die
Staatsglieder schutzlos sind, so „hat man zu einer glücklichen Fiktion seine Zu-
flucht genommen. Man hat den Begriff des Fiskus als einer moralischen Person
geschaffen, die den Beruf hat, die Mittel zu den Staatszwecken zu verschaffen und
zu verwalten. Diese moralische Person wird durch Behörden in verschiedenen Ab-
stufungen vertreten. Sie ist nicht selbst souverän, sondern steht unter den
Gesetzen des Staates, wie jede andere physische oder moralische Person,
hat daher überall sich nach den bestehenden Gesetzen zu richten“. Die Fiskuslehre
in ihrer ganzen Schroffheit erscheint hier mit dem Bewuſstsein ihres praktischen Zieles.
Diese Anschauungsweise klingt auch aus der neueren Rechtsprechung dazwischen noch
heraus. O.Tr. 27. Mai 1862 (Str. 46 S. 109): „nicht der Fiskus, sondern der
Staat der richtige Beklagte“; O.Tr. 14. Juli 1865 (Str. 60 S. 111): „Vorderrichter
verwechselt den Fiskus mit dem Gesetzgeber, wenn er sagt, Kläger (Fiskus) habe
später vermöge seines Hoheitsrechts die Zollfreiheit der Verklagten aufgehoben;
der Vertrag ist vom Fiskus abgeschlossen, das Zollgesetz ist aber nicht vom Fiskus,
sondern vom Gesetzgeber erlassen“. Ähnl. Bl. f. adm. Pr. 1880 S. 229. Noch
O.Tr. 5. Januar 1877 (Str. 99 S. 132) läſst es dahingestellt, ob es richtiger ist, „im
Staate eine zwiefache Persönlichkeit anzunehmen oder nur eine Persönlichkeit in
privatrechtlichen und staatshoheitsrechtlichen Beziehungen“.
21 Sobald nicht mehr befohlen wird, handelt es sich, wie die Gerichte sagen,
um eine „reine Geldfrage“ und dann hat man es mit dem Fiskus zu thun: C.C.H.
11. Dez. 1852, 4. April 1855 (Kosmann, Erkenntnisse II S. 141, S. 249), 10. Okt.
1863 (J.M.Bl. 1863 S. 290). Die polizeistaatliche Regel, daſs nur im Falle des
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