Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Geschichtliche Entwicklungsstufen. 1. Klagen der Unterthanen gegen den Landesherrn 13 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 40 Note 3, giebt diese Begründung. 14 Moser, Wahlkap. Jos. II T. 2 S. 253; Schmelzer, Wahlkap. Franz II S. 153; Häberlin, St.R. II S. 460 ff. 15 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 41 ff., woselbst namentlich die kräftigen
Äusserungen Friedrich Wilhelms I. gegen Richter, die das in "gott-, pflicht-ver- gessener und gewissenloser Weise" thun möchten. Pfeiffer, Prakt. Ausf. III S. 207. Geschichtliche Entwicklungsstufen. 1. Klagen der Unterthanen gegen den Landesherrn 13 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 40 Note 3, giebt diese Begründung. 14 Moser, Wahlkap. Jos. II T. 2 S. 253; Schmelzer, Wahlkap. Franz II S. 153; Häberlin, St.R. II S. 460 ff. 15 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 41 ff., woselbst namentlich die kräftigen
Äuſserungen Friedrich Wilhelms I. gegen Richter, die das in „gott-, pflicht-ver- gessener und gewissenloser Weise“ thun möchten. Pfeiffer, Prakt. Ausf. III S. 207. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0066" n="46"/> <fw place="top" type="header">Geschichtliche Entwicklungsstufen.</fw><lb/> <p>1. <hi rendition="#g">Klagen der Unterthanen gegen den Landesherrn</hi><lb/> sollen im alten Rechte an die Austräge und von da an die Reichs-<lb/> gerichte gehen. Es war jedoch Brauch geworden, daſs man einen<lb/> Unterschied machte, ob der Landesherr als solcher oder als privatus<lb/> belangt wurde. Ersteres sollte der Fall sein, wenn es sich um seine<lb/> Hoheitsrechte handelte, letzteres wenn ein Verhältnis des gewöhn-<lb/> lichen Vermögensverkehrs in Frage stand; es ist das einer der Punkte,<lb/> in welchen zuerst die Scheidung von öffentlichem Recht und Civil-<lb/> recht zum Durchbruch kommt. Für die Klage gegen den Landes-<lb/> herrn als privatus, gegen die fürstliche Kammer oder den landes-<lb/> herrlichen Fiscus wurde die Zuständigkeit der ordentlichen Landes-<lb/> gerichte anerkannt. Die Rechtsgrundlage dafür fand man in der An-<lb/> nahme, daſs dieselben stillschweigend als Austrägalgerichte gewählt<lb/> worden seien. Dieser Grund hätte auch für die Klagen in hoheits-<lb/> rechtlichen Sachen ausgereicht. Aber man schätzte diese Sachen für<lb/> so unverhältnismäſsig wichtiger, daſs eine stillschweigende Unter-<lb/> werfung der Unterthanen unter die eignen Gerichte ihres Gegners<lb/> dafür nicht angenommen werden dürfe<note place="foot" n="13"><hi rendition="#g">Struben,</hi> Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 40 Note 3, giebt diese Begründung.</note>. Waren die Landesgerichte<lb/> in diesen Privatsachen Austrägalgerichte, so muſste es von ihnen stets<lb/> eine Berufung an die Reichsgerichte geben, selbst im Fall eines all-<lb/> gemeinen privilegium de non appellando, weil solches hierfür nicht<lb/> galt. Dem widerstrebten aber die Landesherren, und die Wahlkapitu-<lb/> lationen entscheiden zuletzt dahin, daſs die Reichsgerichte mit der-<lb/> artigen Sachen weder unmittelbar noch im Wege der Berufung mehr<lb/> befaſst werden sollen. Die „Landesdikasterien“ sind also Alleinherren<note place="foot" n="14"><hi rendition="#g">Moser,</hi> Wahlkap. Jos. II T. 2 S. 253; <hi rendition="#g">Schmelzer,</hi> Wahlkap. Franz II<lb/> S. 153; <hi rendition="#g">Häberlin,</hi> St.R. II S. 460 ff.</note>.<lb/> Es ist bezeichnend, wie viele Umstände man machen zu müssen<lb/> glaubte, um in diesen Sachen den Richtern, die ja doch einmal<lb/> Beamte der Partei sind, Unparteilichkeit und Vertrauenswürdigkeit<lb/> zu sichern. Zu dem gewöhnlichen Verzicht auf Machtsprüche kommt<lb/> hier vor Einleitung des Verfahrens noch die förmliche Entbindung<lb/> von der Pflicht, „unser Interesse zu wahren“, und eifrige Fürsten<lb/> machen die schärfsten Gewissensvorhalte, wenn sie Verdacht haben,<lb/> daſs sie begünstigt würden<note place="foot" n="15"><hi rendition="#g">Struben,</hi> Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 41 ff., woselbst namentlich die kräftigen<lb/> Äuſserungen Friedrich Wilhelms I. gegen Richter, die das in „gott-, pflicht-ver-<lb/> gessener und gewissenloser Weise“ thun möchten. <hi rendition="#g">Pfeiffer,</hi> Prakt. Ausf.<lb/> III S. 207.</note>. Diese Rechtsprechung der Landes-<lb/> gerichte über den Landesherrn wird durch die allmähliche Ein-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0066]
Geschichtliche Entwicklungsstufen.
1. Klagen der Unterthanen gegen den Landesherrn
sollen im alten Rechte an die Austräge und von da an die Reichs-
gerichte gehen. Es war jedoch Brauch geworden, daſs man einen
Unterschied machte, ob der Landesherr als solcher oder als privatus
belangt wurde. Ersteres sollte der Fall sein, wenn es sich um seine
Hoheitsrechte handelte, letzteres wenn ein Verhältnis des gewöhn-
lichen Vermögensverkehrs in Frage stand; es ist das einer der Punkte,
in welchen zuerst die Scheidung von öffentlichem Recht und Civil-
recht zum Durchbruch kommt. Für die Klage gegen den Landes-
herrn als privatus, gegen die fürstliche Kammer oder den landes-
herrlichen Fiscus wurde die Zuständigkeit der ordentlichen Landes-
gerichte anerkannt. Die Rechtsgrundlage dafür fand man in der An-
nahme, daſs dieselben stillschweigend als Austrägalgerichte gewählt
worden seien. Dieser Grund hätte auch für die Klagen in hoheits-
rechtlichen Sachen ausgereicht. Aber man schätzte diese Sachen für
so unverhältnismäſsig wichtiger, daſs eine stillschweigende Unter-
werfung der Unterthanen unter die eignen Gerichte ihres Gegners
dafür nicht angenommen werden dürfe 13. Waren die Landesgerichte
in diesen Privatsachen Austrägalgerichte, so muſste es von ihnen stets
eine Berufung an die Reichsgerichte geben, selbst im Fall eines all-
gemeinen privilegium de non appellando, weil solches hierfür nicht
galt. Dem widerstrebten aber die Landesherren, und die Wahlkapitu-
lationen entscheiden zuletzt dahin, daſs die Reichsgerichte mit der-
artigen Sachen weder unmittelbar noch im Wege der Berufung mehr
befaſst werden sollen. Die „Landesdikasterien“ sind also Alleinherren 14.
Es ist bezeichnend, wie viele Umstände man machen zu müssen
glaubte, um in diesen Sachen den Richtern, die ja doch einmal
Beamte der Partei sind, Unparteilichkeit und Vertrauenswürdigkeit
zu sichern. Zu dem gewöhnlichen Verzicht auf Machtsprüche kommt
hier vor Einleitung des Verfahrens noch die förmliche Entbindung
von der Pflicht, „unser Interesse zu wahren“, und eifrige Fürsten
machen die schärfsten Gewissensvorhalte, wenn sie Verdacht haben,
daſs sie begünstigt würden 15. Diese Rechtsprechung der Landes-
gerichte über den Landesherrn wird durch die allmähliche Ein-
13 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 40 Note 3, giebt diese Begründung.
14 Moser, Wahlkap. Jos. II T. 2 S. 253; Schmelzer, Wahlkap. Franz II
S. 153; Häberlin, St.R. II S. 460 ff.
15 Struben, Rechtl. Bed. V (J.S.) S. 41 ff., woselbst namentlich die kräftigen
Äuſserungen Friedrich Wilhelms I. gegen Richter, die das in „gott-, pflicht-ver-
gessener und gewissenloser Weise“ thun möchten. Pfeiffer, Prakt. Ausf.
III S. 207.
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