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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Geschichtliche Entwicklungsstufen.

2. Die Ordnungen, welche der Fürst erlässt, können sich auch
unmittelbar an die Beamten wenden, um diesen ihre Thätig-
keit vorzuschreiben. Diese Gestalt haben auf dem Gebiete der
Justiz die Ordnungen für das Prozessverfahren und die Handhabung
der Strafgewalt. Ihre Vorschriften werden hier sofort wieder zu un-
verbrüchlichen Regeln mit Rechtssatznatur gegenüber dem Unterthanen,
den es betrifft. Die Vorschriften dagegen, welche den Verwal-
tungsbehörden
in den ausführlichen Instruktionen fast zum Über-
mass gegeben werden, gehen den Unterthanen rechtlich nichts an.
Er hat der Obrigkeit gegenüber keinen Anspruch darauf, dass es
dabei bleibe, noch darauf, dass die vorgeschriebenen Thätigkeiten ge-
leistet, die angegebenen Schranken der Amtsthätigkeit eingehalten
werden. Wenn man sie veröffentlicht, oft geradeso wie die Gesetze,
so hat das lediglich äussere Zweckmässigkeitsgründe, sofern es vorteil-
haft erscheint, dass die Unterthanen erfahren, was sie von den Be-
amten zu gewärtigen haben und sich darnach richten. Wenn ein
solcher Vorteil nicht dabei heraussieht, unterbleibt die Veröffent-
lichung; es kann sogar sein, dass man für gut hält, das Genauere
einer solchen Instruktion geheim zu halten10. In allen Fällen hat
sie die gleiche Kraft und Bedeutung: sie wirkt rechtlich nur für die

genannten, Die Trennung der Justiz und Administration 1840: Rechtsgesetze giebt
es bloss auf dem Gebiete des Privatrechts (S. 36); die Gesetze, welche für Finanz-,
Polizei-, Militärsachen ergehen, sind solche, "welche nicht als Rechtsgesetze be-
handelt werden können, sondern als politische sich darstellen" (S. 39); sie werden
auch als "politische Normen" bezeichnet (S. 46); der Kern ihres Unterschiedes
von den Rechtsgesetzen liegt in dem Satze: "es ist der Staatsbürger in Bezug auf
diese Gesetze und deren Wirkungen als Person gar nicht vorhanden"; seine An-
sprüche aus diesen Gesetzen "können als Rechte der Einzelnen nicht betrachtet
werden" (S. 37), der Unterthan ist also hier nur Objekt. -- A.L.R. Einl. § 7 meint
als Gegenstand des Gesetzes nur Privat-, Straf- und Prozessrecht: Bornhak
Preuss. St.R. I S. 484. A.L.R. II 13 § 6: "Das Recht, Gesetze und allgemeine
Polizeiverordnungen
zu geben, ist ein Majestätsrecht"; dazu A.L.R. II, 20
§ 150. Warum ist das zweierlei? Der Grund, den Bornhak a. a. O. I S. 437 an-
giebt: dass die Polizeiverordnungen nicht publiziert zu werden brauchten, um wirksam
zu sein, trifft ja doch in Wirklichkeit nicht zu. Aber sie sind offenbar ihrer Natur
nach nicht als echte Gesetze, als Rechtsgesetze angesehen. -- Wie wichtig übrigens
diese Unterscheidung von Gesetz und allgemeiner Polizei- oder Finanzverordnung
für die Auslegung älterer Bestimmungen werden kann, zeigt Foerstemann,
Pol. R. S, 92, 145, 148, an mehreren Beispielen.
10 Über die Geheimhaltung der Instruktionen an die Steuerräte: Schmoller
in Ztschft. f. Preuss. Gesch. 1874 S. 564. -- Wo Veröffentlichung einer Instruktion
angeordnet wird, pflegt der Zweck angegeben zu werden: "zur Beruhigung", "damit
sich ein jeder danach zu richten und vor Schaden zu hüten habe" (Preuss, Ur-
kundenbuch IV S. 18, S. 28).
Geschichtliche Entwicklungsstufen.

2. Die Ordnungen, welche der Fürst erläſst, können sich auch
unmittelbar an die Beamten wenden, um diesen ihre Thätig-
keit vorzuschreiben. Diese Gestalt haben auf dem Gebiete der
Justiz die Ordnungen für das Prozeſsverfahren und die Handhabung
der Strafgewalt. Ihre Vorschriften werden hier sofort wieder zu un-
verbrüchlichen Regeln mit Rechtssatznatur gegenüber dem Unterthanen,
den es betrifft. Die Vorschriften dagegen, welche den Verwal-
tungsbehörden
in den ausführlichen Instruktionen fast zum Über-
maſs gegeben werden, gehen den Unterthanen rechtlich nichts an.
Er hat der Obrigkeit gegenüber keinen Anspruch darauf, daſs es
dabei bleibe, noch darauf, daſs die vorgeschriebenen Thätigkeiten ge-
leistet, die angegebenen Schranken der Amtsthätigkeit eingehalten
werden. Wenn man sie veröffentlicht, oft geradeso wie die Gesetze,
so hat das lediglich äuſsere Zweckmäſsigkeitsgründe, sofern es vorteil-
haft erscheint, daſs die Unterthanen erfahren, was sie von den Be-
amten zu gewärtigen haben und sich darnach richten. Wenn ein
solcher Vorteil nicht dabei heraussieht, unterbleibt die Veröffent-
lichung; es kann sogar sein, daſs man für gut hält, das Genauere
einer solchen Instruktion geheim zu halten10. In allen Fällen hat
sie die gleiche Kraft und Bedeutung: sie wirkt rechtlich nur für die

genannten, Die Trennung der Justiz und Administration 1840: Rechtsgesetze giebt
es bloſs auf dem Gebiete des Privatrechts (S. 36); die Gesetze, welche für Finanz-,
Polizei-, Militärsachen ergehen, sind solche, „welche nicht als Rechtsgesetze be-
handelt werden können, sondern als politische sich darstellen“ (S. 39); sie werden
auch als „politische Normen“ bezeichnet (S. 46); der Kern ihres Unterschiedes
von den Rechtsgesetzen liegt in dem Satze: „es ist der Staatsbürger in Bezug auf
diese Gesetze und deren Wirkungen als Person gar nicht vorhanden“; seine An-
sprüche aus diesen Gesetzen „können als Rechte der Einzelnen nicht betrachtet
werden“ (S. 37), der Unterthan ist also hier nur Objekt. — A.L.R. Einl. § 7 meint
als Gegenstand des Gesetzes nur Privat-, Straf- und Prozeſsrecht: Bornhak
Preuſs. St.R. I S. 484. A.L.R. II 13 § 6: „Das Recht, Gesetze und allgemeine
Polizeiverordnungen
zu geben, ist ein Majestätsrecht“; dazu A.L.R. II, 20
§ 150. Warum ist das zweierlei? Der Grund, den Bornhak a. a. O. I S. 437 an-
giebt: daſs die Polizeiverordnungen nicht publiziert zu werden brauchten, um wirksam
zu sein, trifft ja doch in Wirklichkeit nicht zu. Aber sie sind offenbar ihrer Natur
nach nicht als echte Gesetze, als Rechtsgesetze angesehen. — Wie wichtig übrigens
diese Unterscheidung von Gesetz und allgemeiner Polizei- oder Finanzverordnung
für die Auslegung älterer Bestimmungen werden kann, zeigt Foerstemann,
Pol. R. S, 92, 145, 148, an mehreren Beispielen.
10 Über die Geheimhaltung der Instruktionen an die Steuerräte: Schmoller
in Ztschft. f. Preuſs. Gesch. 1874 S. 564. — Wo Veröffentlichung einer Instruktion
angeordnet wird, pflegt der Zweck angegeben zu werden: „zur Beruhigung“, „damit
sich ein jeder danach zu richten und vor Schaden zu hüten habe“ (Preuſs, Ur-
kundenbuch IV S. 18, S. 28).
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[44/0064] Geschichtliche Entwicklungsstufen. 2. Die Ordnungen, welche der Fürst erläſst, können sich auch unmittelbar an die Beamten wenden, um diesen ihre Thätig- keit vorzuschreiben. Diese Gestalt haben auf dem Gebiete der Justiz die Ordnungen für das Prozeſsverfahren und die Handhabung der Strafgewalt. Ihre Vorschriften werden hier sofort wieder zu un- verbrüchlichen Regeln mit Rechtssatznatur gegenüber dem Unterthanen, den es betrifft. Die Vorschriften dagegen, welche den Verwal- tungsbehörden in den ausführlichen Instruktionen fast zum Über- maſs gegeben werden, gehen den Unterthanen rechtlich nichts an. Er hat der Obrigkeit gegenüber keinen Anspruch darauf, daſs es dabei bleibe, noch darauf, daſs die vorgeschriebenen Thätigkeiten ge- leistet, die angegebenen Schranken der Amtsthätigkeit eingehalten werden. Wenn man sie veröffentlicht, oft geradeso wie die Gesetze, so hat das lediglich äuſsere Zweckmäſsigkeitsgründe, sofern es vorteil- haft erscheint, daſs die Unterthanen erfahren, was sie von den Be- amten zu gewärtigen haben und sich darnach richten. Wenn ein solcher Vorteil nicht dabei heraussieht, unterbleibt die Veröffent- lichung; es kann sogar sein, daſs man für gut hält, das Genauere einer solchen Instruktion geheim zu halten 10. In allen Fällen hat sie die gleiche Kraft und Bedeutung: sie wirkt rechtlich nur für die 9 10 Über die Geheimhaltung der Instruktionen an die Steuerräte: Schmoller in Ztschft. f. Preuſs. Gesch. 1874 S. 564. — Wo Veröffentlichung einer Instruktion angeordnet wird, pflegt der Zweck angegeben zu werden: „zur Beruhigung“, „damit sich ein jeder danach zu richten und vor Schaden zu hüten habe“ (Preuſs, Ur- kundenbuch IV S. 18, S. 28). 9 genannten, Die Trennung der Justiz und Administration 1840: Rechtsgesetze giebt es bloſs auf dem Gebiete des Privatrechts (S. 36); die Gesetze, welche für Finanz-, Polizei-, Militärsachen ergehen, sind solche, „welche nicht als Rechtsgesetze be- handelt werden können, sondern als politische sich darstellen“ (S. 39); sie werden auch als „politische Normen“ bezeichnet (S. 46); der Kern ihres Unterschiedes von den Rechtsgesetzen liegt in dem Satze: „es ist der Staatsbürger in Bezug auf diese Gesetze und deren Wirkungen als Person gar nicht vorhanden“; seine An- sprüche aus diesen Gesetzen „können als Rechte der Einzelnen nicht betrachtet werden“ (S. 37), der Unterthan ist also hier nur Objekt. — A.L.R. Einl. § 7 meint als Gegenstand des Gesetzes nur Privat-, Straf- und Prozeſsrecht: Bornhak Preuſs. St.R. I S. 484. A.L.R. II 13 § 6: „Das Recht, Gesetze und allgemeine Polizeiverordnungen zu geben, ist ein Majestätsrecht“; dazu A.L.R. II, 20 § 150. Warum ist das zweierlei? Der Grund, den Bornhak a. a. O. I S. 437 an- giebt: daſs die Polizeiverordnungen nicht publiziert zu werden brauchten, um wirksam zu sein, trifft ja doch in Wirklichkeit nicht zu. Aber sie sind offenbar ihrer Natur nach nicht als echte Gesetze, als Rechtsgesetze angesehen. — Wie wichtig übrigens diese Unterscheidung von Gesetz und allgemeiner Polizei- oder Finanzverordnung für die Auslegung älterer Bestimmungen werden kann, zeigt Foerstemann, Pol. R. S, 92, 145, 148, an mehreren Beispielen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/64>, abgerufen am 26.11.2024.