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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.

IV. Die Finanzstrafe hat auch noch Eigentümlichkeiten in der
rechtlichen Natur ihres Strafmittels.

Als solches erscheinen hier ganz vorzugsweise Geldstrafen. Diese
sind zum Teil von der erkennenden Behörde innerhalb eines gesetz-
lichen Strafrahmens zu bestimmen; das ist vor allem der Fall bei den
Ordnungsstrafen für einfache Finanzdelikte, Ordnungswidrigkeiten,
Kontraventionen. Zum anderen Teil aber sind sie in eigentümlicher
Weise nach festen Sätzen zu berechnen. Das ist bei der Strafe auf
Hinterziehungen die Regel. Sie geht aus von dem Betrage des Ge-
fälles, gegen welches die Hinterziehung gerichtet war, von der Ver-
kürzung, welche der Staat erlitten hätte, wenn die Hinterziehung
gelang. Ein bestimmtes Mehrfaches hiervon bildet die Strafe, nicht
nach dem Masse der Schuld weiter abzustufen, sondern einfach zu
berechnen und zu verhängen.

An der letzteren Art tritt die besondere rechtliche Natur des
Finanzstrafmittels am deutlichsten zu Tage: sie kommt nicht bloss
als ein Übel in Betracht, welches dem Straffälligen zugefügt wird,
sondern zugleich als ein Vorteil der Staatskasse; der Staat soll
etwas davon haben. Sie fällt dadurch unter Gesichtspunkte, welche
sie einem civilrechtlichen Zahlungsanspruche verwandt machen34. Das
Vergleichsstück ist der civilrechtliche Schadensersatzanspruch: Schadens-
ersatz gebührt dem Staat für die Mehrkosten der Überwachung, welche
durch derartige Unordnungen veranlasst werden, und für die Verluste,
welche er thatsächlich bei den dazwischen doch immer wieder gelingen-
den Hinterziehungen durch solche Leute erleidet; wer einmal ertappt
wird, muss für die Anderen mitbüssen.

Diese Verwandtschaft mit einem civilrechtlichen Ersatzanspruche
war es, die auch die Idee eines öffentlichrechtlichen Konventionalstraf-
gedinges hier ermöglichte (oben S. 448, 449). Sie kommt aber noch in
allgemeinerer Weise zum Ausdruck durch folgende zwei dem Finanz-
strafrecht eigentümliche Rechtsinstitute.

1. Es besteht hier eine Haftung für Untergebene, An-
gestellte, Kinder, Ehefrauen. Diese Haftung kann an die Voraus-

Beaufsichtigung fahrlässig zu handeln; er muss eintretenden Falles den Entlastungs-
beweis führen, dass er alle Sorgfalt dabei angewendet hat. -- Andere Vermutungs-
ordnungen dieser Art in Branntweinsteuerges. v. 1887 § 32; Zollges. § 153.
34 H. Meyer, Stf.R. § 123, bezeichnet diese Eigentümlichkeit der Finanz-
strafe damit, dass "das Gesetz meist bei blossen Geldstrafen stehen bleibt nnd die
zu entrichtende Strafe nur als eine Art gesteigerter Civilschuld behandelt." Daraus
sind natürlich wichtige Folgerungen zu ziehen.
Die Finanzgewalt.

IV. Die Finanzstrafe hat auch noch Eigentümlichkeiten in der
rechtlichen Natur ihres Strafmittels.

Als solches erscheinen hier ganz vorzugsweise Geldstrafen. Diese
sind zum Teil von der erkennenden Behörde innerhalb eines gesetz-
lichen Strafrahmens zu bestimmen; das ist vor allem der Fall bei den
Ordnungsstrafen für einfache Finanzdelikte, Ordnungswidrigkeiten,
Kontraventionen. Zum anderen Teil aber sind sie in eigentümlicher
Weise nach festen Sätzen zu berechnen. Das ist bei der Strafe auf
Hinterziehungen die Regel. Sie geht aus von dem Betrage des Ge-
fälles, gegen welches die Hinterziehung gerichtet war, von der Ver-
kürzung, welche der Staat erlitten hätte, wenn die Hinterziehung
gelang. Ein bestimmtes Mehrfaches hiervon bildet die Strafe, nicht
nach dem Maſse der Schuld weiter abzustufen, sondern einfach zu
berechnen und zu verhängen.

An der letzteren Art tritt die besondere rechtliche Natur des
Finanzstrafmittels am deutlichsten zu Tage: sie kommt nicht bloſs
als ein Übel in Betracht, welches dem Straffälligen zugefügt wird,
sondern zugleich als ein Vorteil der Staatskasse; der Staat soll
etwas davon haben. Sie fällt dadurch unter Gesichtspunkte, welche
sie einem civilrechtlichen Zahlungsanspruche verwandt machen34. Das
Vergleichsstück ist der civilrechtliche Schadensersatzanspruch: Schadens-
ersatz gebührt dem Staat für die Mehrkosten der Überwachung, welche
durch derartige Unordnungen veranlaſst werden, und für die Verluste,
welche er thatsächlich bei den dazwischen doch immer wieder gelingen-
den Hinterziehungen durch solche Leute erleidet; wer einmal ertappt
wird, muſs für die Anderen mitbüſsen.

Diese Verwandtschaft mit einem civilrechtlichen Ersatzanspruche
war es, die auch die Idee eines öffentlichrechtlichen Konventionalstraf-
gedinges hier ermöglichte (oben S. 448, 449). Sie kommt aber noch in
allgemeinerer Weise zum Ausdruck durch folgende zwei dem Finanz-
strafrecht eigentümliche Rechtsinstitute.

1. Es besteht hier eine Haftung für Untergebene, An-
gestellte, Kinder, Ehefrauen. Diese Haftung kann an die Voraus-

Beaufsichtigung fahrlässig zu handeln; er muſs eintretenden Falles den Entlastungs-
beweis führen, daſs er alle Sorgfalt dabei angewendet hat. — Andere Vermutungs-
ordnungen dieser Art in Branntweinsteuerges. v. 1887 § 32; Zollges. § 153.
34 H. Meyer, Stf.R. § 123, bezeichnet diese Eigentümlichkeit der Finanz-
strafe damit, daſs „das Gesetz meist bei bloſsen Geldstrafen stehen bleibt nnd die
zu entrichtende Strafe nur als eine Art gesteigerter Civilschuld behandelt.“ Daraus
sind natürlich wichtige Folgerungen zu ziehen.
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[466/0486] Die Finanzgewalt. IV. Die Finanzstrafe hat auch noch Eigentümlichkeiten in der rechtlichen Natur ihres Strafmittels. Als solches erscheinen hier ganz vorzugsweise Geldstrafen. Diese sind zum Teil von der erkennenden Behörde innerhalb eines gesetz- lichen Strafrahmens zu bestimmen; das ist vor allem der Fall bei den Ordnungsstrafen für einfache Finanzdelikte, Ordnungswidrigkeiten, Kontraventionen. Zum anderen Teil aber sind sie in eigentümlicher Weise nach festen Sätzen zu berechnen. Das ist bei der Strafe auf Hinterziehungen die Regel. Sie geht aus von dem Betrage des Ge- fälles, gegen welches die Hinterziehung gerichtet war, von der Ver- kürzung, welche der Staat erlitten hätte, wenn die Hinterziehung gelang. Ein bestimmtes Mehrfaches hiervon bildet die Strafe, nicht nach dem Maſse der Schuld weiter abzustufen, sondern einfach zu berechnen und zu verhängen. An der letzteren Art tritt die besondere rechtliche Natur des Finanzstrafmittels am deutlichsten zu Tage: sie kommt nicht bloſs als ein Übel in Betracht, welches dem Straffälligen zugefügt wird, sondern zugleich als ein Vorteil der Staatskasse; der Staat soll etwas davon haben. Sie fällt dadurch unter Gesichtspunkte, welche sie einem civilrechtlichen Zahlungsanspruche verwandt machen 34. Das Vergleichsstück ist der civilrechtliche Schadensersatzanspruch: Schadens- ersatz gebührt dem Staat für die Mehrkosten der Überwachung, welche durch derartige Unordnungen veranlaſst werden, und für die Verluste, welche er thatsächlich bei den dazwischen doch immer wieder gelingen- den Hinterziehungen durch solche Leute erleidet; wer einmal ertappt wird, muſs für die Anderen mitbüſsen. Diese Verwandtschaft mit einem civilrechtlichen Ersatzanspruche war es, die auch die Idee eines öffentlichrechtlichen Konventionalstraf- gedinges hier ermöglichte (oben S. 448, 449). Sie kommt aber noch in allgemeinerer Weise zum Ausdruck durch folgende zwei dem Finanz- strafrecht eigentümliche Rechtsinstitute. 1. Es besteht hier eine Haftung für Untergebene, An- gestellte, Kinder, Ehefrauen. Diese Haftung kann an die Voraus- 33 34 H. Meyer, Stf.R. § 123, bezeichnet diese Eigentümlichkeit der Finanz- strafe damit, daſs „das Gesetz meist bei bloſsen Geldstrafen stehen bleibt nnd die zu entrichtende Strafe nur als eine Art gesteigerter Civilschuld behandelt.“ Daraus sind natürlich wichtige Folgerungen zu ziehen. 33 Beaufsichtigung fahrlässig zu handeln; er muſs eintretenden Falles den Entlastungs- beweis führen, daſs er alle Sorgfalt dabei angewendet hat. — Andere Vermutungs- ordnungen dieser Art in Branntweinsteuerges. v. 1887 § 32; Zollges. § 153.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/486>, abgerufen am 22.07.2024.