Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Finanzgewalt.
dass sie Finanzbefehle voraussetzt, im Gesetze selbst oder in Verord-
nungen, in Einzelverwaltungsakten oder auch in Regulativen. Das
durch diese missbilligte Verhalten, der Ungehorsam gegen sie, ist mit
Strafe bedroht. Aber nicht jede Art von Finanzbefehl gehört hierher.
Eine Hinterziehung liegt nur dann vor, wenn der Finanzbefehl ein
Verhalten mit Rücksicht darauf verboten hat, dass es geeignet ist,
eine Verkürzung der Staatseinnahme zu erzeugen. Das wird aus
seinem Gegenstande selbst, aus der Art des missbilligten Verhaltens
zu entnehmen sein. Innerhalb der gegebenen Finanzbefehle ist also
nach dieser sachlichen Rücksicht eine Scheidung vorzunehmen, die
thatsächlich keine Schwierigkeiten macht. Wenn ein Befehl nur mittel-
bar dienen soll, nur die Überwachung erleichtert, die Möglichkeiten
von Hinterziehungen erschwert, wird es aus seinem Inhalt leicht er-
kennbar17.

Nach dem Vorgange des Zollgesetzes geben mehrere Steuergesetze
die Kennzeichnung der Hinterziehung auch in bedingter Weise. Es
wird gesagt: wer so oder so sich verhält, oder wer diesem be-
stimmten Befehle zuwiderhandelt, wird wegen Defraudation bestraft,
es sei denn, dass er beweist, dass eine Verkürzung der Gefälle "nicht
erfolgen konnte oder nicht beabsichtigt war". In diesem Falle soll
eine blosse Ordnungsstrafe eintreten18.

Hier steht dann fest die Missbilligung des Verhaltens durch die
Strafsetzung unmittelbar oder durch den von ihr angezogenen Befehl.

17 Deshalb ist es kaum ein besonderer Vorteil für die Handhabung des Ge-
setzes, wenn es im Sinne der ersten Art der Thatbestandsbestimmung die einzelnen
Finanzbefehle, die es meint, selbst ausdrücklich bezeichnet. Umgekehrt entsteht
daraus der Nachteil, dass beweglichere, nicht schon im Gesetz selbst enthaltene
Finanzbefehle, namentlich also die regulativmässigen auf diese Art daneben bleiben
und dann leicht in Widerspruch mit dem, was die Folgerichtigkeit fordert, ihre
Übertretung nicht als Hinterziehung behandelt werden kann (vgl. oben Note 15).
-- Ein gemischtes Verfahren erweist sich als das zweckmässigste: Bezeichnung
bestimmter Hinterziehungsfälle im Gesetz selbst und allgemeine Klausel für sonstige
Hinterziehungen durch Ungehorsam gegen die zur Abwehr von Verkürzungen er-
lassenen Finanzbefehle. So Zollges. § 135: "wer es unternimmt, die Ein- und
Ausgangsabgaben (§ 3 u. 5) zu hinterziehen". Die in Klammer gesetzten §§ sprechen
nur von der Zollpflicht überhaupt, nicht von bestimmten Finanzbefehlen. Ebenso
Branntweinsteuerges. von 1887 § 17. Beide Gesetze führen dann mit "insbesondere"
wenigstens die wichtigsten Fälle der Hinterziehung ausdrücklich an. Jener all-
gemeine Begriff bleibt dahinter wirksam. Loebe, Zollstrafrecht S. 61.
18 Zollges. § 137; Zuckersteuerges. § 77; Salzabgabenges. § 13; Brausteuerges.
§ 32; Tabaksteuerges. § 34; Spielkartensteuerges. § 11. -- Vgl. insbesondere auch
das preuss. Einkommensteuerges. v. 24. Juni 1891 § 66.

Die Finanzgewalt.
daſs sie Finanzbefehle voraussetzt, im Gesetze selbst oder in Verord-
nungen, in Einzelverwaltungsakten oder auch in Regulativen. Das
durch diese miſsbilligte Verhalten, der Ungehorsam gegen sie, ist mit
Strafe bedroht. Aber nicht jede Art von Finanzbefehl gehört hierher.
Eine Hinterziehung liegt nur dann vor, wenn der Finanzbefehl ein
Verhalten mit Rücksicht darauf verboten hat, daſs es geeignet ist,
eine Verkürzung der Staatseinnahme zu erzeugen. Das wird aus
seinem Gegenstande selbst, aus der Art des miſsbilligten Verhaltens
zu entnehmen sein. Innerhalb der gegebenen Finanzbefehle ist also
nach dieser sachlichen Rücksicht eine Scheidung vorzunehmen, die
thatsächlich keine Schwierigkeiten macht. Wenn ein Befehl nur mittel-
bar dienen soll, nur die Überwachung erleichtert, die Möglichkeiten
von Hinterziehungen erschwert, wird es aus seinem Inhalt leicht er-
kennbar17.

Nach dem Vorgange des Zollgesetzes geben mehrere Steuergesetze
die Kennzeichnung der Hinterziehung auch in bedingter Weise. Es
wird gesagt: wer so oder so sich verhält, oder wer diesem be-
stimmten Befehle zuwiderhandelt, wird wegen Defraudation bestraft,
es sei denn, daſs er beweist, daſs eine Verkürzung der Gefälle „nicht
erfolgen konnte oder nicht beabsichtigt war“. In diesem Falle soll
eine bloſse Ordnungsstrafe eintreten18.

Hier steht dann fest die Miſsbilligung des Verhaltens durch die
Strafsetzung unmittelbar oder durch den von ihr angezogenen Befehl.

17 Deshalb ist es kaum ein besonderer Vorteil für die Handhabung des Ge-
setzes, wenn es im Sinne der ersten Art der Thatbestandsbestimmung die einzelnen
Finanzbefehle, die es meint, selbst ausdrücklich bezeichnet. Umgekehrt entsteht
daraus der Nachteil, daſs beweglichere, nicht schon im Gesetz selbst enthaltene
Finanzbefehle, namentlich also die regulativmäſsigen auf diese Art daneben bleiben
und dann leicht in Widerspruch mit dem, was die Folgerichtigkeit fordert, ihre
Übertretung nicht als Hinterziehung behandelt werden kann (vgl. oben Note 15).
— Ein gemischtes Verfahren erweist sich als das zweckmäſsigste: Bezeichnung
bestimmter Hinterziehungsfälle im Gesetz selbst und allgemeine Klausel für sonstige
Hinterziehungen durch Ungehorsam gegen die zur Abwehr von Verkürzungen er-
lassenen Finanzbefehle. So Zollges. § 135: „wer es unternimmt, die Ein- und
Ausgangsabgaben (§ 3 u. 5) zu hinterziehen“. Die in Klammer gesetzten §§ sprechen
nur von der Zollpflicht überhaupt, nicht von bestimmten Finanzbefehlen. Ebenso
Branntweinsteuerges. von 1887 § 17. Beide Gesetze führen dann mit „insbesondere“
wenigstens die wichtigsten Fälle der Hinterziehung ausdrücklich an. Jener all-
gemeine Begriff bleibt dahinter wirksam. Loebe, Zollstrafrecht S. 61.
18 Zollges. § 137; Zuckersteuerges. § 77; Salzabgabenges. § 13; Brausteuerges.
§ 32; Tabaksteuerges. § 34; Spielkartensteuerges. § 11. — Vgl. insbesondere auch
das preuſs. Einkommensteuerges. v. 24. Juni 1891 § 66.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0476" n="456"/><fw place="top" type="header">Die Finanzgewalt.</fw><lb/>
da&#x017F;s sie Finanzbefehle voraussetzt, im Gesetze selbst oder in Verord-<lb/>
nungen, in Einzelverwaltungsakten oder auch in Regulativen. Das<lb/>
durch diese mi&#x017F;sbilligte Verhalten, der Ungehorsam gegen sie, ist mit<lb/>
Strafe bedroht. Aber nicht jede Art von Finanzbefehl gehört hierher.<lb/>
Eine Hinterziehung liegt nur dann vor, wenn der Finanzbefehl ein<lb/>
Verhalten mit Rücksicht darauf verboten hat, da&#x017F;s es geeignet ist,<lb/>
eine Verkürzung der Staatseinnahme zu erzeugen. Das wird aus<lb/>
seinem Gegenstande selbst, aus der Art des mi&#x017F;sbilligten Verhaltens<lb/>
zu entnehmen sein. Innerhalb der gegebenen Finanzbefehle ist also<lb/>
nach dieser sachlichen Rücksicht eine Scheidung vorzunehmen, die<lb/>
thatsächlich keine Schwierigkeiten macht. Wenn ein Befehl nur mittel-<lb/>
bar dienen soll, nur die Überwachung erleichtert, die Möglichkeiten<lb/>
von Hinterziehungen erschwert, wird es aus seinem Inhalt leicht er-<lb/>
kennbar<note place="foot" n="17">Deshalb ist es kaum ein besonderer Vorteil für die Handhabung des Ge-<lb/>
setzes, wenn es im Sinne der ersten Art der Thatbestandsbestimmung die einzelnen<lb/>
Finanzbefehle, die es meint, selbst ausdrücklich bezeichnet. Umgekehrt entsteht<lb/>
daraus der Nachteil, da&#x017F;s beweglichere, nicht schon im Gesetz selbst enthaltene<lb/>
Finanzbefehle, namentlich also die regulativmä&#x017F;sigen auf diese Art daneben bleiben<lb/>
und dann leicht in Widerspruch mit dem, was die Folgerichtigkeit fordert, ihre<lb/>
Übertretung nicht als Hinterziehung behandelt werden kann (vgl. oben Note 15).<lb/>
&#x2014; Ein gemischtes Verfahren erweist sich als das zweckmä&#x017F;sigste: Bezeichnung<lb/>
bestimmter Hinterziehungsfälle im Gesetz selbst und allgemeine Klausel für sonstige<lb/>
Hinterziehungen durch Ungehorsam gegen die zur Abwehr von Verkürzungen er-<lb/>
lassenen Finanzbefehle. So Zollges. § 135: &#x201E;wer es unternimmt, die Ein- und<lb/>
Ausgangsabgaben (§ 3 u. 5) zu hinterziehen&#x201C;. Die in Klammer gesetzten §§ sprechen<lb/>
nur von der Zollpflicht überhaupt, nicht von bestimmten Finanzbefehlen. Ebenso<lb/>
Branntweinsteuerges. von 1887 § 17. Beide Gesetze führen dann mit &#x201E;insbesondere&#x201C;<lb/>
wenigstens die wichtigsten Fälle der Hinterziehung ausdrücklich an. Jener all-<lb/>
gemeine Begriff bleibt dahinter wirksam. <hi rendition="#g">Loebe,</hi> Zollstrafrecht S. 61.</note>.</p><lb/>
              <p>Nach dem Vorgange des Zollgesetzes geben mehrere Steuergesetze<lb/>
die Kennzeichnung der Hinterziehung auch in <hi rendition="#g">bedingter</hi> Weise. Es<lb/>
wird gesagt: wer so oder so sich verhält, oder wer diesem be-<lb/>
stimmten Befehle zuwiderhandelt, wird wegen Defraudation bestraft,<lb/>
es sei denn, da&#x017F;s er beweist, da&#x017F;s eine Verkürzung der Gefälle &#x201E;nicht<lb/>
erfolgen konnte oder nicht beabsichtigt war&#x201C;. In diesem Falle soll<lb/>
eine blo&#x017F;se Ordnungsstrafe eintreten<note place="foot" n="18">Zollges. § 137; Zuckersteuerges. § 77; Salzabgabenges. § 13; Brausteuerges.<lb/>
§ 32; Tabaksteuerges. § 34; Spielkartensteuerges. § 11. &#x2014; Vgl. insbesondere auch<lb/>
das preu&#x017F;s. Einkommensteuerges. v. 24. Juni 1891 § 66.</note>.</p><lb/>
              <p>Hier steht dann fest die Mi&#x017F;sbilligung des Verhaltens durch die<lb/>
Strafsetzung unmittelbar oder durch den von ihr angezogenen Befehl.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[456/0476] Die Finanzgewalt. daſs sie Finanzbefehle voraussetzt, im Gesetze selbst oder in Verord- nungen, in Einzelverwaltungsakten oder auch in Regulativen. Das durch diese miſsbilligte Verhalten, der Ungehorsam gegen sie, ist mit Strafe bedroht. Aber nicht jede Art von Finanzbefehl gehört hierher. Eine Hinterziehung liegt nur dann vor, wenn der Finanzbefehl ein Verhalten mit Rücksicht darauf verboten hat, daſs es geeignet ist, eine Verkürzung der Staatseinnahme zu erzeugen. Das wird aus seinem Gegenstande selbst, aus der Art des miſsbilligten Verhaltens zu entnehmen sein. Innerhalb der gegebenen Finanzbefehle ist also nach dieser sachlichen Rücksicht eine Scheidung vorzunehmen, die thatsächlich keine Schwierigkeiten macht. Wenn ein Befehl nur mittel- bar dienen soll, nur die Überwachung erleichtert, die Möglichkeiten von Hinterziehungen erschwert, wird es aus seinem Inhalt leicht er- kennbar 17. Nach dem Vorgange des Zollgesetzes geben mehrere Steuergesetze die Kennzeichnung der Hinterziehung auch in bedingter Weise. Es wird gesagt: wer so oder so sich verhält, oder wer diesem be- stimmten Befehle zuwiderhandelt, wird wegen Defraudation bestraft, es sei denn, daſs er beweist, daſs eine Verkürzung der Gefälle „nicht erfolgen konnte oder nicht beabsichtigt war“. In diesem Falle soll eine bloſse Ordnungsstrafe eintreten 18. Hier steht dann fest die Miſsbilligung des Verhaltens durch die Strafsetzung unmittelbar oder durch den von ihr angezogenen Befehl. 17 Deshalb ist es kaum ein besonderer Vorteil für die Handhabung des Ge- setzes, wenn es im Sinne der ersten Art der Thatbestandsbestimmung die einzelnen Finanzbefehle, die es meint, selbst ausdrücklich bezeichnet. Umgekehrt entsteht daraus der Nachteil, daſs beweglichere, nicht schon im Gesetz selbst enthaltene Finanzbefehle, namentlich also die regulativmäſsigen auf diese Art daneben bleiben und dann leicht in Widerspruch mit dem, was die Folgerichtigkeit fordert, ihre Übertretung nicht als Hinterziehung behandelt werden kann (vgl. oben Note 15). — Ein gemischtes Verfahren erweist sich als das zweckmäſsigste: Bezeichnung bestimmter Hinterziehungsfälle im Gesetz selbst und allgemeine Klausel für sonstige Hinterziehungen durch Ungehorsam gegen die zur Abwehr von Verkürzungen er- lassenen Finanzbefehle. So Zollges. § 135: „wer es unternimmt, die Ein- und Ausgangsabgaben (§ 3 u. 5) zu hinterziehen“. Die in Klammer gesetzten §§ sprechen nur von der Zollpflicht überhaupt, nicht von bestimmten Finanzbefehlen. Ebenso Branntweinsteuerges. von 1887 § 17. Beide Gesetze führen dann mit „insbesondere“ wenigstens die wichtigsten Fälle der Hinterziehung ausdrücklich an. Jener all- gemeine Begriff bleibt dahinter wirksam. Loebe, Zollstrafrecht S. 61. 18 Zollges. § 137; Zuckersteuerges. § 77; Salzabgabenges. § 13; Brausteuerges. § 32; Tabaksteuerges. § 34; Spielkartensteuerges. § 11. — Vgl. insbesondere auch das preuſs. Einkommensteuerges. v. 24. Juni 1891 § 66.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/476
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/476>, abgerufen am 23.12.2024.