1. Der eine Fall ist der der Einzelaufhebung des in einem Rechtssatze enthaltenen Finanzbefehls. Sie richtet sich ganz nach dem Muster der Polizeierlaubnis. Sie geht gleich dieser nicht bloss auf Entbindung von Befehlen, sondern auch von Finanzstrafrechts- sätzen, welche unmittelbar verpönen. Es bedarf, damit sie zulässig sei, eines Vorbehaltes im Rechtssatze, der die Behörde zu solcher Durchbrechung ermächtigt. Die Erteilung geschieht durch Verwal- tungsakt. Bezeichnend für die Neigung der Finanzgewalt, ausserhalb der eigentlichen Steuerpflicht keine festen Rechtsschranken zu errichten, ist hier wieder, dass die Erteilung oder Versagung ganz in das Er- messen der Behörde gestellt zu sein pflegt. Die Zurücknahme der erteilten Erlaubnis ist dem entsprechend ebenfalls frei, nur dass das auf Grund der Erlaubnis bereits Geschehene rechtmässig geschehen ist und als solches in Anrechnung gebracht werden muss15.
2. Der Befehl, von welchem entbunden werden soll, kann aber hier auch in einer Verwaltungsvorschrift, einem Regulativ gegeben sein. Das ist dann kein Rechtssatz, sondern ein gemeinsamer dauernd wirkender Verwaltungsakt für alle Beteiligten. Die Regeln von der Polizeierlaubnis finden darauf keine unmittelbare Anwendung. Der allgemeine Satz, der durchbrochen werden soll, ruht lediglich auf der Amtsgewalt der Behörden. Dadurch ergeben sich abweichende Grund- sätze.
Die Behörde, welche das Regulativ erlassen hat, kann solche besondere Gestattungen als Ausnahme davon jederzeit erteilen; es bedarf keines besondern Vorbehalts. Bei der Verordnung gilt das Umgekehrte (oben § 7 S. 89 und § 21 S. 287). Hier zeigt sich aber eben der Unterschied: das Regulativ, welches selbst nur als all- meiner Verwaltungsakt wirkt, steht dem Einzelakt derselben Be- hörde nicht als höherwertig gegenüber wie die rechtssatzschaffende Verordnung.
Die untergeordnete Behörde dagegen bedarf einer Ermäch- tigung in dem Regulativ selbst, wenn sie eine Ausnahme gewähren
15 Das Beispiel einer Finanzerlaubnis dieser Art giebt Zollges. § 21: Ueber- schreitung der Grenze ausserhalb der Tagesgeit ist verboten. Ausnahmen gestattet im Einzelfall nach freiem Ermessen die Zollbehörde. Vgl. auch Bayr. Malz- aufschlagges. v. 31. Okt. 1879 Art. 31--39. -- Ein Beispiel für die Entbindung von einem Finanzgebot in Tabaksteuerges. § 22 Ziff. 3: Bis zum bestimmten Ter- mine muss die zur Regelung der Blätterzahl erforderliche Behandlung der Tabak- pflanzen auf dem Felde vollständig bewirkt sein. Von dieser Vorschrift kann die Steuerbehörde den Tabakpflanzer entbinden.
Die Finanzgewalt.
1. Der eine Fall ist der der Einzelaufhebung des in einem Rechtssatze enthaltenen Finanzbefehls. Sie richtet sich ganz nach dem Muster der Polizeierlaubnis. Sie geht gleich dieser nicht bloſs auf Entbindung von Befehlen, sondern auch von Finanzstrafrechts- sätzen, welche unmittelbar verpönen. Es bedarf, damit sie zulässig sei, eines Vorbehaltes im Rechtssatze, der die Behörde zu solcher Durchbrechung ermächtigt. Die Erteilung geschieht durch Verwal- tungsakt. Bezeichnend für die Neigung der Finanzgewalt, auſserhalb der eigentlichen Steuerpflicht keine festen Rechtsschranken zu errichten, ist hier wieder, daſs die Erteilung oder Versagung ganz in das Er- messen der Behörde gestellt zu sein pflegt. Die Zurücknahme der erteilten Erlaubnis ist dem entsprechend ebenfalls frei, nur daſs das auf Grund der Erlaubnis bereits Geschehene rechtmäſsig geschehen ist und als solches in Anrechnung gebracht werden muſs15.
2. Der Befehl, von welchem entbunden werden soll, kann aber hier auch in einer Verwaltungsvorschrift, einem Regulativ gegeben sein. Das ist dann kein Rechtssatz, sondern ein gemeinsamer dauernd wirkender Verwaltungsakt für alle Beteiligten. Die Regeln von der Polizeierlaubnis finden darauf keine unmittelbare Anwendung. Der allgemeine Satz, der durchbrochen werden soll, ruht lediglich auf der Amtsgewalt der Behörden. Dadurch ergeben sich abweichende Grund- sätze.
Die Behörde, welche das Regulativ erlassen hat, kann solche besondere Gestattungen als Ausnahme davon jederzeit erteilen; es bedarf keines besondern Vorbehalts. Bei der Verordnung gilt das Umgekehrte (oben § 7 S. 89 und § 21 S. 287). Hier zeigt sich aber eben der Unterschied: das Regulativ, welches selbst nur als all- meiner Verwaltungsakt wirkt, steht dem Einzelakt derselben Be- hörde nicht als höherwertig gegenüber wie die rechtssatzschaffende Verordnung.
Die untergeordnete Behörde dagegen bedarf einer Ermäch- tigung in dem Regulativ selbst, wenn sie eine Ausnahme gewähren
15 Das Beispiel einer Finanzerlaubnis dieser Art giebt Zollges. § 21: Ueber- schreitung der Grenze auſserhalb der Tagesgeit ist verboten. Ausnahmen gestattet im Einzelfall nach freiem Ermessen die Zollbehörde. Vgl. auch Bayr. Malz- aufschlagges. v. 31. Okt. 1879 Art. 31—39. — Ein Beispiel für die Entbindung von einem Finanzgebot in Tabaksteuerges. § 22 Ziff. 3: Bis zum bestimmten Ter- mine muſs die zur Regelung der Blätterzahl erforderliche Behandlung der Tabak- pflanzen auf dem Felde vollständig bewirkt sein. Von dieser Vorschrift kann die Steuerbehörde den Tabakpflanzer entbinden.
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Die Finanzgewalt.
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Rechtssatze enthaltenen Finanzbefehls. Sie richtet sich ganz nach
dem Muster der Polizeierlaubnis. Sie geht gleich dieser nicht bloſs
auf Entbindung von Befehlen, sondern auch von Finanzstrafrechts-
sätzen, welche unmittelbar verpönen. Es bedarf, damit sie zulässig
sei, eines Vorbehaltes im Rechtssatze, der die Behörde zu solcher
Durchbrechung ermächtigt. Die Erteilung geschieht durch Verwal-
tungsakt. Bezeichnend für die Neigung der Finanzgewalt, auſserhalb
der eigentlichen Steuerpflicht keine festen Rechtsschranken zu errichten,
ist hier wieder, daſs die Erteilung oder Versagung ganz in das Er-
messen der Behörde gestellt zu sein pflegt. Die Zurücknahme der
erteilten Erlaubnis ist dem entsprechend ebenfalls frei, nur daſs das
auf Grund der Erlaubnis bereits Geschehene rechtmäſsig geschehen ist
und als solches in Anrechnung gebracht werden muſs 15.
2. Der Befehl, von welchem entbunden werden soll, kann aber
hier auch in einer Verwaltungsvorschrift, einem Regulativ gegeben
sein. Das ist dann kein Rechtssatz, sondern ein gemeinsamer dauernd
wirkender Verwaltungsakt für alle Beteiligten. Die Regeln von der
Polizeierlaubnis finden darauf keine unmittelbare Anwendung. Der
allgemeine Satz, der durchbrochen werden soll, ruht lediglich auf der
Amtsgewalt der Behörden. Dadurch ergeben sich abweichende Grund-
sätze.
Die Behörde, welche das Regulativ erlassen hat, kann solche
besondere Gestattungen als Ausnahme davon jederzeit erteilen; es
bedarf keines besondern Vorbehalts. Bei der Verordnung gilt das
Umgekehrte (oben § 7 S. 89 und § 21 S. 287). Hier zeigt sich aber
eben der Unterschied: das Regulativ, welches selbst nur als all-
meiner Verwaltungsakt wirkt, steht dem Einzelakt derselben Be-
hörde nicht als höherwertig gegenüber wie die rechtssatzschaffende
Verordnung.
Die untergeordnete Behörde dagegen bedarf einer Ermäch-
tigung in dem Regulativ selbst, wenn sie eine Ausnahme gewähren
15 Das Beispiel einer Finanzerlaubnis dieser Art giebt Zollges. § 21: Ueber-
schreitung der Grenze auſserhalb der Tagesgeit ist verboten. Ausnahmen gestattet
im Einzelfall nach freiem Ermessen die Zollbehörde. Vgl. auch Bayr. Malz-
aufschlagges. v. 31. Okt. 1879 Art. 31—39. — Ein Beispiel für die Entbindung
von einem Finanzgebot in Tabaksteuerges. § 22 Ziff. 3: Bis zum bestimmten Ter-
mine muſs die zur Regelung der Blätterzahl erforderliche Behandlung der Tabak-
pflanzen auf dem Felde vollständig bewirkt sein. Von dieser Vorschrift kann die
Steuerbehörde den Tabakpflanzer entbinden.
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/466>, abgerufen am 22.07.2024.
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