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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.

Über die rechtliche Natur und Bedeutung dieser Regulative haben
wir uns hier klar zu machen.

1. Die reichsrechtlichen Regulative sind ihrer äusseren Erscheinung
nach Ausführungsvorschriften zu Zoll- und Reichssteuergesetzen. Sie
geben allgemeine Regeln für das Verfahren bei Benützung gewisser
Einrichtungen der Steuererleichterung und bei steueramtlich zu
überwachenden Betrieben. Sie werden vom Bundesrat erlassen und
durchweg im Centralblatt des Deutschen Reiches, dem Amtsblatt des
Reichsamtes des Innern, zur Veröffentlichung gebracht.

2. Die Regeln, welche die Regulative enthalten, haben für die
davon Betroffenen rechtlich bindende Kraft. Diese Thatsache glaubt
man am einfachsten auf das gewohnte Geleise zu bringen, indem man
sie für Rechtssätze erklärt. Die Regulative sollen demnach Ver-
ordnungen sein, und zwar, wie man es in jener beliebt gewordenen
Ausdrucksweise sagen will: Rechtsverordnungen, keine blossen Verwal-
tungsverordnungen (oben § 10 Note 11).

Allein hier steht ein unübersteigliches Hindernis im Wege. Ver-
ordnungen (im Sinne von Rechtsverordnungen, wohlverstanden) kann
der Bundesrat nur erlassen auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung.
Nach richtiger Auffassung wenigstens gewährt Art. 7 Ziff. 2 der Reichs-
verfassung dem Bundesrat ein allgemeines Ausführungsverordnungs-
recht, wie es in den Einzelstaaten verfassungsmässig den Fürsten zu-
steht, nicht. Wenn es dort heisst: "Der Bundesrat beschliesst über
die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verwaltungsvor-
schriften und Einrichtungen," so sind diese Verwaltungsvorschriften
im Gegensatz von Rechtssätzen verstanden6.

Die Ermächtigung des Bundesrates müsste also beruhen auf den
besonderen Bestimmungen der einzelnen Zoll- und Steuergesetze.
Diese Reichsgesetze verweisen allerdings regelmässig auf allgemeine
Regeln, welche der Bundesrat für die Durchführung aufstellen soll.
Allein diese Regeln werden auch hier durchweg nur als Verwaltungs-
vorschriften bezeichnet. Wenn um dieses Ausdruckes willen die
Reichsverfassung mit ihrem Art. 7 Ziff. 2 eine Lücke lässt, indem
dadurch die Möglichkeit nicht gegeben ist, Rechtsverordnungen zu
schaffen, so ist nicht gut zu sehen, wie die Einzelgesetze mit dem

6 Das ist überzeugend dargethan von Laband, St.R. I S. 595, S. 706.
Haenel, St.R I. S. 282 ff., der das Wort Verwaltungsvorschriften auslegen möchte
als: von der Verwaltung ausgehende Vorschriften, die dann entweder Verordnungen
oder Dienstanweisungen sein können, ist gleichwohl damit einverstanden, dass
Art. 7 Ziff. 2 der Reichsverf. eine Ermächtigung zu Rechtsverordnungen nicht ent-
hält; und darauf kommt es hier nur an.
Die Finanzgewalt.

Über die rechtliche Natur und Bedeutung dieser Regulative haben
wir uns hier klar zu machen.

1. Die reichsrechtlichen Regulative sind ihrer äuſseren Erscheinung
nach Ausführungsvorschriften zu Zoll- und Reichssteuergesetzen. Sie
geben allgemeine Regeln für das Verfahren bei Benützung gewisser
Einrichtungen der Steuererleichterung und bei steueramtlich zu
überwachenden Betrieben. Sie werden vom Bundesrat erlassen und
durchweg im Centralblatt des Deutschen Reiches, dem Amtsblatt des
Reichsamtes des Innern, zur Veröffentlichung gebracht.

2. Die Regeln, welche die Regulative enthalten, haben für die
davon Betroffenen rechtlich bindende Kraft. Diese Thatsache glaubt
man am einfachsten auf das gewohnte Geleise zu bringen, indem man
sie für Rechtssätze erklärt. Die Regulative sollen demnach Ver-
ordnungen sein, und zwar, wie man es in jener beliebt gewordenen
Ausdrucksweise sagen will: Rechtsverordnungen, keine bloſsen Verwal-
tungsverordnungen (oben § 10 Note 11).

Allein hier steht ein unübersteigliches Hindernis im Wege. Ver-
ordnungen (im Sinne von Rechtsverordnungen, wohlverstanden) kann
der Bundesrat nur erlassen auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung.
Nach richtiger Auffassung wenigstens gewährt Art. 7 Ziff. 2 der Reichs-
verfassung dem Bundesrat ein allgemeines Ausführungsverordnungs-
recht, wie es in den Einzelstaaten verfassungsmäſsig den Fürsten zu-
steht, nicht. Wenn es dort heiſst: „Der Bundesrat beschlieſst über
die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verwaltungsvor-
schriften und Einrichtungen,“ so sind diese Verwaltungsvorschriften
im Gegensatz von Rechtssätzen verstanden6.

Die Ermächtigung des Bundesrates müſste also beruhen auf den
besonderen Bestimmungen der einzelnen Zoll- und Steuergesetze.
Diese Reichsgesetze verweisen allerdings regelmäſsig auf allgemeine
Regeln, welche der Bundesrat für die Durchführung aufstellen soll.
Allein diese Regeln werden auch hier durchweg nur als Verwaltungs-
vorschriften bezeichnet. Wenn um dieses Ausdruckes willen die
Reichsverfassung mit ihrem Art. 7 Ziff. 2 eine Lücke läſst, indem
dadurch die Möglichkeit nicht gegeben ist, Rechtsverordnungen zu
schaffen, so ist nicht gut zu sehen, wie die Einzelgesetze mit dem

6 Das ist überzeugend dargethan von Laband, St.R. I S. 595, S. 706.
Haenel, St.R I. S. 282 ff., der das Wort Verwaltungsvorschriften auslegen möchte
als: von der Verwaltung ausgehende Vorschriften, die dann entweder Verordnungen
oder Dienstanweisungen sein können, ist gleichwohl damit einverstanden, daſs
Art. 7 Ziff. 2 der Reichsverf. eine Ermächtigung zu Rechtsverordnungen nicht ent-
hält; und darauf kommt es hier nur an.
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[436/0456] Die Finanzgewalt. Über die rechtliche Natur und Bedeutung dieser Regulative haben wir uns hier klar zu machen. 1. Die reichsrechtlichen Regulative sind ihrer äuſseren Erscheinung nach Ausführungsvorschriften zu Zoll- und Reichssteuergesetzen. Sie geben allgemeine Regeln für das Verfahren bei Benützung gewisser Einrichtungen der Steuererleichterung und bei steueramtlich zu überwachenden Betrieben. Sie werden vom Bundesrat erlassen und durchweg im Centralblatt des Deutschen Reiches, dem Amtsblatt des Reichsamtes des Innern, zur Veröffentlichung gebracht. 2. Die Regeln, welche die Regulative enthalten, haben für die davon Betroffenen rechtlich bindende Kraft. Diese Thatsache glaubt man am einfachsten auf das gewohnte Geleise zu bringen, indem man sie für Rechtssätze erklärt. Die Regulative sollen demnach Ver- ordnungen sein, und zwar, wie man es in jener beliebt gewordenen Ausdrucksweise sagen will: Rechtsverordnungen, keine bloſsen Verwal- tungsverordnungen (oben § 10 Note 11). Allein hier steht ein unübersteigliches Hindernis im Wege. Ver- ordnungen (im Sinne von Rechtsverordnungen, wohlverstanden) kann der Bundesrat nur erlassen auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung. Nach richtiger Auffassung wenigstens gewährt Art. 7 Ziff. 2 der Reichs- verfassung dem Bundesrat ein allgemeines Ausführungsverordnungs- recht, wie es in den Einzelstaaten verfassungsmäſsig den Fürsten zu- steht, nicht. Wenn es dort heiſst: „Der Bundesrat beschlieſst über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen Verwaltungsvor- schriften und Einrichtungen,“ so sind diese Verwaltungsvorschriften im Gegensatz von Rechtssätzen verstanden 6. Die Ermächtigung des Bundesrates müſste also beruhen auf den besonderen Bestimmungen der einzelnen Zoll- und Steuergesetze. Diese Reichsgesetze verweisen allerdings regelmäſsig auf allgemeine Regeln, welche der Bundesrat für die Durchführung aufstellen soll. Allein diese Regeln werden auch hier durchweg nur als Verwaltungs- vorschriften bezeichnet. Wenn um dieses Ausdruckes willen die Reichsverfassung mit ihrem Art. 7 Ziff. 2 eine Lücke läſst, indem dadurch die Möglichkeit nicht gegeben ist, Rechtsverordnungen zu schaffen, so ist nicht gut zu sehen, wie die Einzelgesetze mit dem 6 Das ist überzeugend dargethan von Laband, St.R. I S. 595, S. 706. Haenel, St.R I. S. 282 ff., der das Wort Verwaltungsvorschriften auslegen möchte als: von der Verwaltung ausgehende Vorschriften, die dann entweder Verordnungen oder Dienstanweisungen sein können, ist gleichwohl damit einverstanden, daſs Art. 7 Ziff. 2 der Reichsverf. eine Ermächtigung zu Rechtsverordnungen nicht ent- hält; und darauf kommt es hier nur an.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/456>, abgerufen am 22.07.2024.