Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht. hervorzutreten, im Gegensatze zum Verwaltungsakt, der nur gilt mitder Kundgabe; sie ist also ganz ungeeignet, um von der den Be- teiligten nicht erkennbaren Thatsache, ob sie geschehen ist oder nicht, den Lauf der Verjährung abhängig zu machen. Vor allem aber hat eine solche zweite Verjährungsart hier gar keinen Zweck, deshalb weil schon die erste ausreicht und alle Fälle deckt: die indirekte Steuer wird unmittelbar durch die Entstehung der gesetzlichen Pflicht voll- ziehbar; von besonderer Stundung abgesehen, ist sie im Augenblick, wo sie festgestellt und eingezogen werden konnte, sofort auch im Rück- stand und die Rückstandsverjährung beginnt zu laufen. Wenn also das Gesetz hier einen Unterschied macht, je nachdem Bei der direkten Steuer dagegen hat diese zweite Verjährung 6 Das preuss. Ges. v. 18. Juni 1840 § 7 u. 8 giebt für beide Steuern, direkte wie indirekte, eine Verjährungsfrist von 4 Jahren, für den Fall sie "zur Hebung gestellt" sind. Die nicht zur Hebung gestellte verjährt in einem Jahr. Letztere Frist kommt nur für die indirekte Steuer in Betracht, da für die direkten die Nachholung der Veranlagung besonders geregelt ist. Das Zur-Hebung-Stellen bildet aber bei den indirekten Steuern einen wichtigen Abschnitt nur für die innere Geschäftsverteilung der Behörden. Das Zollges. v. 1. Juli 1869 hat denn auch diese unbegründete Unterscheidung nicht übernommen: "Alle Forderungen und Nach- forderungen von Zollgefällen verjähren binnen Jahresfrist", und zwar von der Ent- stehung der Zollschuld ab (§ 15). 7 Und zwar durch wirksame Vornahme des Aktes, wozu auch die Kundgabe
an den Betroffenen gehört: Cirkularreskript des preuss. Fin.Min. bei Winiker, Gesetzl. Vorschriften über die Gewerbesteuer S. 222. Damit ist schon ein be- deutsamer Unterschied gemacht von einer blossen Zur-Hebung-Stellung (oben Note 6). § 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht. hervorzutreten, im Gegensatze zum Verwaltungsakt, der nur gilt mitder Kundgabe; sie ist also ganz ungeeignet, um von der den Be- teiligten nicht erkennbaren Thatsache, ob sie geschehen ist oder nicht, den Lauf der Verjährung abhängig zu machen. Vor allem aber hat eine solche zweite Verjährungsart hier gar keinen Zweck, deshalb weil schon die erste ausreicht und alle Fälle deckt: die indirekte Steuer wird unmittelbar durch die Entstehung der gesetzlichen Pflicht voll- ziehbar; von besonderer Stundung abgesehen, ist sie im Augenblick, wo sie festgestellt und eingezogen werden konnte, sofort auch im Rück- stand und die Rückstandsverjährung beginnt zu laufen. Wenn also das Gesetz hier einen Unterschied macht, je nachdem Bei der direkten Steuer dagegen hat diese zweite Verjährung 6 Das preuſs. Ges. v. 18. Juni 1840 § 7 u. 8 giebt für beide Steuern, direkte wie indirekte, eine Verjährungsfrist von 4 Jahren, für den Fall sie „zur Hebung gestellt“ sind. Die nicht zur Hebung gestellte verjährt in einem Jahr. Letztere Frist kommt nur für die indirekte Steuer in Betracht, da für die direkten die Nachholung der Veranlagung besonders geregelt ist. Das Zur-Hebung-Stellen bildet aber bei den indirekten Steuern einen wichtigen Abschnitt nur für die innere Geschäftsverteilung der Behörden. Das Zollges. v. 1. Juli 1869 hat denn auch diese unbegründete Unterscheidung nicht übernommen: „Alle Forderungen und Nach- forderungen von Zollgefällen verjähren binnen Jahresfrist“, und zwar von der Ent- stehung der Zollschuld ab (§ 15). 7 Und zwar durch wirksame Vornahme des Aktes, wozu auch die Kundgabe
an den Betroffenen gehört: Cirkularreskript des preuſs. Fin.Min. bei Winiker, Gesetzl. Vorschriften über die Gewerbesteuer S. 222. Damit ist schon ein be- deutsamer Unterschied gemacht von einer bloſsen Zur-Hebung-Stellung (oben Note 6). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0443" n="423"/><fw place="top" type="header">§ 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht.</fw><lb/> hervorzutreten, im Gegensatze zum Verwaltungsakt, der nur gilt mit<lb/> der Kundgabe; sie ist also ganz ungeeignet, um von der den Be-<lb/> teiligten nicht erkennbaren Thatsache, ob sie geschehen ist oder nicht,<lb/> den Lauf der Verjährung abhängig zu machen. Vor allem aber hat<lb/> eine solche zweite Verjährungsart hier gar keinen Zweck, deshalb weil<lb/> schon die erste ausreicht und alle Fälle deckt: die indirekte Steuer<lb/> wird unmittelbar durch die Entstehung der gesetzlichen Pflicht voll-<lb/> ziehbar; von besonderer Stundung abgesehen, ist sie im Augenblick,<lb/> wo sie festgestellt und eingezogen werden konnte, sofort auch im Rück-<lb/> stand und die Rückstandsverjährung beginnt zu laufen.</p><lb/> <p>Wenn also das Gesetz hier einen Unterschied macht, je nachdem<lb/> die Feststellung erfolgt ist oder nicht, namentlich etwa die Verjährungs-<lb/> zeit verschieden berechnet, so handelt es sich doch nur um ziemlich<lb/> willkürliche Besonderheiten innerhalb des Begriffes der Rückstands-<lb/> verjährung<note place="foot" n="6">Das preuſs. Ges. v. 18. Juni 1840 § 7 u. 8 giebt für beide Steuern, direkte<lb/> wie indirekte, eine Verjährungsfrist von 4 Jahren, für den Fall sie „zur Hebung<lb/> gestellt“ sind. Die nicht zur Hebung gestellte verjährt in einem Jahr. Letztere<lb/> Frist kommt nur für die indirekte Steuer in Betracht, da für die direkten die<lb/> Nachholung der Veranlagung besonders geregelt ist. Das Zur-Hebung-Stellen<lb/> bildet aber bei den indirekten Steuern einen wichtigen Abschnitt nur für die innere<lb/> Geschäftsverteilung der Behörden. Das Zollges. v. 1. Juli 1869 hat denn auch diese<lb/> unbegründete Unterscheidung nicht übernommen: „Alle Forderungen und Nach-<lb/> forderungen von Zollgefällen verjähren binnen Jahresfrist“, und zwar von der Ent-<lb/> stehung der Zollschuld ab (§ 15).</note>.</p><lb/> <p>Bei der direkten Steuer dagegen hat diese zweite Verjährung<lb/> ihre volle Eigenart: nicht die Forderung verjährt, sondern der Akt<lb/> wird unzulässig, der erforderlich ist, um sie ins Werk zu setzen.<lb/> Nur mittelbar also trifft dies auch den Bestand der Forderung. Unter-<lb/> brochen wird diese Verjährung nicht durch irgend welche Geltend-<lb/> machung der Forderung, sondern nur durch Vornahme des verzögerten<lb/> Aktes<note place="foot" n="7">Und zwar durch wirksame Vornahme des Aktes, wozu auch die Kundgabe<lb/> an den Betroffenen gehört: Cirkularreskript des preuſs. Fin.Min. bei <hi rendition="#g">Winiker,</hi><lb/> Gesetzl. Vorschriften über die Gewerbesteuer S. 222. Damit ist schon ein be-<lb/> deutsamer Unterschied gemacht von einer bloſsen Zur-Hebung-Stellung (oben<lb/> Note 6).</note>. Deshalb pflegt sie auch von der Gesetzgebung wie von den<lb/> Schriftstellern in einen Gegensatz gestellt zu werden zur Rückstands-<lb/> verjährung; diese allein ist für unser Gebiet <hi rendition="#g">die</hi> Verjährung, jene<lb/> dagegen gilt eher als eine Präklusivfrist für die fragliche Amtshand-<lb/> lung. Allein auch die Rückstandsverjährung ist ja genauer betrachtet<lb/> nichts anderes. Die civilrechtliche Gewöhnung läſst nur bei ihr, wo<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [423/0443]
§ 29. Änderung und Aufhebung der Steuerpflicht.
hervorzutreten, im Gegensatze zum Verwaltungsakt, der nur gilt mit
der Kundgabe; sie ist also ganz ungeeignet, um von der den Be-
teiligten nicht erkennbaren Thatsache, ob sie geschehen ist oder nicht,
den Lauf der Verjährung abhängig zu machen. Vor allem aber hat
eine solche zweite Verjährungsart hier gar keinen Zweck, deshalb weil
schon die erste ausreicht und alle Fälle deckt: die indirekte Steuer
wird unmittelbar durch die Entstehung der gesetzlichen Pflicht voll-
ziehbar; von besonderer Stundung abgesehen, ist sie im Augenblick,
wo sie festgestellt und eingezogen werden konnte, sofort auch im Rück-
stand und die Rückstandsverjährung beginnt zu laufen.
Wenn also das Gesetz hier einen Unterschied macht, je nachdem
die Feststellung erfolgt ist oder nicht, namentlich etwa die Verjährungs-
zeit verschieden berechnet, so handelt es sich doch nur um ziemlich
willkürliche Besonderheiten innerhalb des Begriffes der Rückstands-
verjährung 6.
Bei der direkten Steuer dagegen hat diese zweite Verjährung
ihre volle Eigenart: nicht die Forderung verjährt, sondern der Akt
wird unzulässig, der erforderlich ist, um sie ins Werk zu setzen.
Nur mittelbar also trifft dies auch den Bestand der Forderung. Unter-
brochen wird diese Verjährung nicht durch irgend welche Geltend-
machung der Forderung, sondern nur durch Vornahme des verzögerten
Aktes 7. Deshalb pflegt sie auch von der Gesetzgebung wie von den
Schriftstellern in einen Gegensatz gestellt zu werden zur Rückstands-
verjährung; diese allein ist für unser Gebiet die Verjährung, jene
dagegen gilt eher als eine Präklusivfrist für die fragliche Amtshand-
lung. Allein auch die Rückstandsverjährung ist ja genauer betrachtet
nichts anderes. Die civilrechtliche Gewöhnung läſst nur bei ihr, wo
6 Das preuſs. Ges. v. 18. Juni 1840 § 7 u. 8 giebt für beide Steuern, direkte
wie indirekte, eine Verjährungsfrist von 4 Jahren, für den Fall sie „zur Hebung
gestellt“ sind. Die nicht zur Hebung gestellte verjährt in einem Jahr. Letztere
Frist kommt nur für die indirekte Steuer in Betracht, da für die direkten die
Nachholung der Veranlagung besonders geregelt ist. Das Zur-Hebung-Stellen
bildet aber bei den indirekten Steuern einen wichtigen Abschnitt nur für die innere
Geschäftsverteilung der Behörden. Das Zollges. v. 1. Juli 1869 hat denn auch diese
unbegründete Unterscheidung nicht übernommen: „Alle Forderungen und Nach-
forderungen von Zollgefällen verjähren binnen Jahresfrist“, und zwar von der Ent-
stehung der Zollschuld ab (§ 15).
7 Und zwar durch wirksame Vornahme des Aktes, wozu auch die Kundgabe
an den Betroffenen gehört: Cirkularreskript des preuſs. Fin.Min. bei Winiker,
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