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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Finanzgewalt.
Bedingung erzielt werden. Die Steuerpflicht, im Augenblick, wo sie
entstehen soll, wird nur vorgemerkt; wird hinterdrein die Bedingung
vereitelt, so wird alles rückwärts als nicht geschehen behandelt; wird
die Bedingung erfüllt, so ist die Steuerpflicht entstanden in jenem
Augenblicke.

Die aufschiebende Bedingung kann bejahend und verneinend
gefasst sein. Bejahende aufschiebende Bedingungen bedeuten ge-
wisse Zollbefreiungen mit Verwendungszwecken. Nach den Tarif-
gesetzen vom 15. Juli 1879, 22. Mai 1885 und 21. Dez. 1887 können
gewisse, an sich zollpflichtige Waren zollfrei eingeführt werden zur
Verwendung für einen bestimmten Zweck, teils kraft Gesetzes, teils
vermöge besonderen Erlaubnisscheines: Dampfmaschinen zum Schiffs-
bau, Thee zur Theinfabrikation u. s. w. Die Zollfreiheit ist nicht
bedingt durch die Verwendung für den bestimmten Zweck, sondern
die Zollpflicht durch die Verwendung für einen andern. Im Falle
des zufälligen Unterganges der Sache wird daher die Zollpflicht nicht
wirksam; im Falle der Verwendung für einen andern Zweck gilt sie
als entstanden mit dem Tage der Einfuhr, der Einführende hat den
Zoll zu zahlen nach dem damals geltenden Tarif20.

Verneinende aufschiebende Bedingungen finden sich in
den Zollbegünstigungen für Mess- und Marktverkehr, für Retourwaren
und Veredelungsverkehr. (Zollges. § 112, § 114, § 115). Das Ge-
setz spricht von Erlass des Eingangszolles, Freilassung, Befreiung vom
Eingangszoll. Das ist aber nur im volkstümlichen Sinne so gemeint.
Man sieht keinen Zoll bezahlen, möglicherweise wird auch später
keiner bezahlt; ein einfacher Erlass des Zolles im rechtlichen Begriff
liegt nicht vor. Vielmehr gestaltet sich die Sache z. B. beim Ver-
edelungsverkehr folgendermassen. Die Zollbehörde lässt die Ware
kraft gesetzlicher Ermächtigung zum Veredelungsverkehr zu. Damit
fügt sie der jetzt begründeten Steuerpflicht die aufschiebende Be-
dingung bei, dass die veredelte Ware nicht innerhalb bestimmter Frist
zur Wiederausfuhr gebracht wird. Um das feststellen zu können,
wird die Ware mit Marken, Stempeln versehen, an welchen man sie
seiner Zeit wieder erkennen wird. Wird in der Frist die Wieder-
ausfuhr bewerkstelligt, so ist mangels erfüllter Bedingung die Steuer-
pflicht getilgt; erfolgt die Wiederausfuhr nicht rechtzeitig, weil die

20 Loebe, Zollstrafrecht S. 103. Zollges. § 136 Ziff. 9 verlangt in diesem
Fall "Nachzahlung der vollen Abgabe" und stellt sich damit auf den Standpunkt
der Einfuhrzeit.

Die Finanzgewalt.
Bedingung erzielt werden. Die Steuerpflicht, im Augenblick, wo sie
entstehen soll, wird nur vorgemerkt; wird hinterdrein die Bedingung
vereitelt, so wird alles rückwärts als nicht geschehen behandelt; wird
die Bedingung erfüllt, so ist die Steuerpflicht entstanden in jenem
Augenblicke.

Die aufschiebende Bedingung kann bejahend und verneinend
gefaſst sein. Bejahende aufschiebende Bedingungen bedeuten ge-
wisse Zollbefreiungen mit Verwendungszwecken. Nach den Tarif-
gesetzen vom 15. Juli 1879, 22. Mai 1885 und 21. Dez. 1887 können
gewisse, an sich zollpflichtige Waren zollfrei eingeführt werden zur
Verwendung für einen bestimmten Zweck, teils kraft Gesetzes, teils
vermöge besonderen Erlaubnisscheines: Dampfmaschinen zum Schiffs-
bau, Thee zur Theinfabrikation u. s. w. Die Zollfreiheit ist nicht
bedingt durch die Verwendung für den bestimmten Zweck, sondern
die Zollpflicht durch die Verwendung für einen andern. Im Falle
des zufälligen Unterganges der Sache wird daher die Zollpflicht nicht
wirksam; im Falle der Verwendung für einen andern Zweck gilt sie
als entstanden mit dem Tage der Einfuhr, der Einführende hat den
Zoll zu zahlen nach dem damals geltenden Tarif20.

Verneinende aufschiebende Bedingungen finden sich in
den Zollbegünstigungen für Meſs- und Marktverkehr, für Retourwaren
und Veredelungsverkehr. (Zollges. § 112, § 114, § 115). Das Ge-
setz spricht von Erlaſs des Eingangszolles, Freilassung, Befreiung vom
Eingangszoll. Das ist aber nur im volkstümlichen Sinne so gemeint.
Man sieht keinen Zoll bezahlen, möglicherweise wird auch später
keiner bezahlt; ein einfacher Erlaſs des Zolles im rechtlichen Begriff
liegt nicht vor. Vielmehr gestaltet sich die Sache z. B. beim Ver-
edelungsverkehr folgendermaſsen. Die Zollbehörde läſst die Ware
kraft gesetzlicher Ermächtigung zum Veredelungsverkehr zu. Damit
fügt sie der jetzt begründeten Steuerpflicht die aufschiebende Be-
dingung bei, daſs die veredelte Ware nicht innerhalb bestimmter Frist
zur Wiederausfuhr gebracht wird. Um das feststellen zu können,
wird die Ware mit Marken, Stempeln versehen, an welchen man sie
seiner Zeit wieder erkennen wird. Wird in der Frist die Wieder-
ausfuhr bewerkstelligt, so ist mangels erfüllter Bedingung die Steuer-
pflicht getilgt; erfolgt die Wiederausfuhr nicht rechtzeitig, weil die

20 Loebe, Zollstrafrecht S. 103. Zollges. § 136 Ziff. 9 verlangt in diesem
Fall „Nachzahlung der vollen Abgabe“ und stellt sich damit auf den Standpunkt
der Einfuhrzeit.
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[416/0436] Die Finanzgewalt. Bedingung erzielt werden. Die Steuerpflicht, im Augenblick, wo sie entstehen soll, wird nur vorgemerkt; wird hinterdrein die Bedingung vereitelt, so wird alles rückwärts als nicht geschehen behandelt; wird die Bedingung erfüllt, so ist die Steuerpflicht entstanden in jenem Augenblicke. Die aufschiebende Bedingung kann bejahend und verneinend gefaſst sein. Bejahende aufschiebende Bedingungen bedeuten ge- wisse Zollbefreiungen mit Verwendungszwecken. Nach den Tarif- gesetzen vom 15. Juli 1879, 22. Mai 1885 und 21. Dez. 1887 können gewisse, an sich zollpflichtige Waren zollfrei eingeführt werden zur Verwendung für einen bestimmten Zweck, teils kraft Gesetzes, teils vermöge besonderen Erlaubnisscheines: Dampfmaschinen zum Schiffs- bau, Thee zur Theinfabrikation u. s. w. Die Zollfreiheit ist nicht bedingt durch die Verwendung für den bestimmten Zweck, sondern die Zollpflicht durch die Verwendung für einen andern. Im Falle des zufälligen Unterganges der Sache wird daher die Zollpflicht nicht wirksam; im Falle der Verwendung für einen andern Zweck gilt sie als entstanden mit dem Tage der Einfuhr, der Einführende hat den Zoll zu zahlen nach dem damals geltenden Tarif 20. Verneinende aufschiebende Bedingungen finden sich in den Zollbegünstigungen für Meſs- und Marktverkehr, für Retourwaren und Veredelungsverkehr. (Zollges. § 112, § 114, § 115). Das Ge- setz spricht von Erlaſs des Eingangszolles, Freilassung, Befreiung vom Eingangszoll. Das ist aber nur im volkstümlichen Sinne so gemeint. Man sieht keinen Zoll bezahlen, möglicherweise wird auch später keiner bezahlt; ein einfacher Erlaſs des Zolles im rechtlichen Begriff liegt nicht vor. Vielmehr gestaltet sich die Sache z. B. beim Ver- edelungsverkehr folgendermaſsen. Die Zollbehörde läſst die Ware kraft gesetzlicher Ermächtigung zum Veredelungsverkehr zu. Damit fügt sie der jetzt begründeten Steuerpflicht die aufschiebende Be- dingung bei, daſs die veredelte Ware nicht innerhalb bestimmter Frist zur Wiederausfuhr gebracht wird. Um das feststellen zu können, wird die Ware mit Marken, Stempeln versehen, an welchen man sie seiner Zeit wieder erkennen wird. Wird in der Frist die Wieder- ausfuhr bewerkstelligt, so ist mangels erfüllter Bedingung die Steuer- pflicht getilgt; erfolgt die Wiederausfuhr nicht rechtzeitig, weil die 20 Loebe, Zollstrafrecht S. 103. Zollges. § 136 Ziff. 9 verlangt in diesem Fall „Nachzahlung der vollen Abgabe“ und stellt sich damit auf den Standpunkt der Einfuhrzeit.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/436>, abgerufen am 05.12.2024.