Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Die Finanzgewalt. Den Steuerschuldnern ist meist im Verfahren Gelegenheit gegeben Diese verbundenen Veranlagungen erhalten durch die Umstände, 14 Die französische Rechtswissenschaft ist sich darüber völlig klar und zieht alle Folgerungen daraus, vor allem auch für die Zuständigkeitsgrenze der Civil- gerichte. Diese ist nach französischem Rechte dadurch bestimmt, dass die Gerichte über actes administratifs, Verwaltungsakte, nicht erkennen dürfen. Daraus wird nun gefolgert, dass auch Reklamationen gegen die kundgegebene Steuerrolle, wie sie von der Verwaltung der direkten Steuern aufgestellt wird, nur im Verwaltungs- wege entschieden werden können. In Theorie des französischen V.R. S. 392 habe ich auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 26 findet das "nicht hinreichend klar". Denn bei den indirekten Steuern, meint er, liege doch "auch eine Thätigkeit der Finanzbehörden als Verwaltungsangelegen- heit" vor. Wem freilich Verwaltungsakte, actes administratifs, gleichbedeutend sind mit jeder Art von Thätigwerden der Behörden, dem wird noch manches nicht hinreichend klar vorkommen. 15 Eine der dauerhaftesten Veranlagungen stellt die preussische Grundsteuer
vor. Die Grundsteuer wird ein für allemal nach dem bei der ersten Aufstellung gefundenen Reinertrag erhoben ohne Rücksicht auf inzwischen daran eingetretene Erhöhung oder Verminderung. Andererseits soll nach der ursprünglichen Absicht auch der gesetzliche Steuersatz ein für allemal der gleiche bleiben. Darin besteht die eigentliche Bedeutung der "Kontingentierung" der preussischen Grundsteuer. Nach G. Meyer, V.R. II S. 228, hatte damit die preussische Grundsteuer "den Charakter einer Grundrente oder Reallast" angenommen. Das darf aber nur als Bild und Gleichnis verstanden werden. -- Diese Unbeweglichkeit der preuss. Grund- steuer ist allerdings durch die neueste Gesetzgebung sehr beeinträchtigt worden (Ges. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern). Die Finanzgewalt. Den Steuerschuldnern ist meist im Verfahren Gelegenheit gegeben Diese verbundenen Veranlagungen erhalten durch die Umstände, 14 Die französische Rechtswissenschaft ist sich darüber völlig klar und zieht alle Folgerungen daraus, vor allem auch für die Zuständigkeitsgrenze der Civil- gerichte. Diese ist nach französischem Rechte dadurch bestimmt, daſs die Gerichte über actes administratifs, Verwaltungsakte, nicht erkennen dürfen. Daraus wird nun gefolgert, daſs auch Reklamationen gegen die kundgegebene Steuerrolle, wie sie von der Verwaltung der direkten Steuern aufgestellt wird, nur im Verwaltungs- wege entschieden werden können. In Theorie des französischen V.R. S. 392 habe ich auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 26 findet das „nicht hinreichend klar“. Denn bei den indirekten Steuern, meint er, liege doch „auch eine Thätigkeit der Finanzbehörden als Verwaltungsangelegen- heit“ vor. Wem freilich Verwaltungsakte, actes administratifs, gleichbedeutend sind mit jeder Art von Thätigwerden der Behörden, dem wird noch manches nicht hinreichend klar vorkommen. 15 Eine der dauerhaftesten Veranlagungen stellt die preuſsische Grundsteuer
vor. Die Grundsteuer wird ein für allemal nach dem bei der ersten Aufstellung gefundenen Reinertrag erhoben ohne Rücksicht auf inzwischen daran eingetretene Erhöhung oder Verminderung. Andererseits soll nach der ursprünglichen Absicht auch der gesetzliche Steuersatz ein für allemal der gleiche bleiben. Darin besteht die eigentliche Bedeutung der „Kontingentierung“ der preuſsischen Grundsteuer. Nach G. Meyer, V.R. II S. 228, hatte damit die preuſsische Grundsteuer „den Charakter einer Grundrente oder Reallast“ angenommen. Das darf aber nur als Bild und Gleichnis verstanden werden. — Diese Unbeweglichkeit der preuſs. Grund- steuer ist allerdings durch die neueste Gesetzgebung sehr beeinträchtigt worden (Ges. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0418" n="398"/> <fw place="top" type="header">Die Finanzgewalt.</fw><lb/> <p>Den Steuerschuldnern ist meist im Verfahren Gelegenheit gegeben<lb/> worden, gehört zu werden. Über sie ergeht der Spruch. Gegen-<lb/> stand des Beschlusses sind die einzelnen Steuerpflichten, wie sie nach<lb/> dem Kataster sich ergeben. Ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis<lb/> zwischen dem Staat und dem namentlich bezeichneten Unterthan wird<lb/> obrigkeitlich bestimmt. Die Wirkungen sind die des <hi rendition="#g">Verwaltungs-<lb/> aktes</hi><note place="foot" n="14">Die französische Rechtswissenschaft ist sich darüber völlig klar und zieht<lb/> alle Folgerungen daraus, vor allem auch für die Zuständigkeitsgrenze der Civil-<lb/> gerichte. Diese ist nach französischem Rechte dadurch bestimmt, daſs die Gerichte<lb/> über actes administratifs, Verwaltungsakte, nicht erkennen dürfen. Daraus wird<lb/> nun gefolgert, daſs auch Reklamationen gegen die kundgegebene Steuerrolle, wie<lb/> sie von der Verwaltung der direkten Steuern aufgestellt wird, nur im Verwaltungs-<lb/> wege entschieden werden können. In Theorie des französischen V.R. S. 392 habe<lb/> ich auf diesen Zusammenhang hingewiesen. <hi rendition="#g">Meisel</hi> in Finanzarchiv V, 1 S. 26<lb/> findet das „nicht hinreichend klar“. Denn bei den indirekten Steuern, meint er,<lb/> liege doch „auch eine Thätigkeit der Finanzbehörden als Verwaltungsangelegen-<lb/> heit“ vor. Wem freilich Verwaltungsakte, actes administratifs, gleichbedeutend<lb/> sind mit jeder Art von Thätigwerden der Behörden, dem wird noch manches nicht<lb/> hinreichend klar vorkommen.</note>.</p><lb/> <p>Diese verbundenen Veranlagungen erhalten durch die Umstände,<lb/> in denen sie erlassen werden, gewisse <hi rendition="#g">Besonderheiten</hi>. Das Ge-<lb/> setz kann bestimmen, daſs die Kundgabe an die Pflichtigen gültig ge-<lb/> schieht in Form von Veröffentlichung, Offenlegung. Es können Stücke<lb/> der einmal geschehenen Veranlagung, namentlich Schätzungen, so<lb/> bindend gemacht werden, daſs sie für alle späteren Veranlagungen<lb/> maſsgebend sind, bis nova eine neue Prüfung rechtfertigen. Das wirkt dann<lb/> auch bei einem etwaigen Wechsel in der Person des Steuerpflichtigen<lb/> und verstärkt die natürliche Stetigkeit des Katasters<note place="foot" n="15">Eine der dauerhaftesten Veranlagungen stellt die preuſsische Grundsteuer<lb/> vor. Die Grundsteuer wird ein für allemal nach dem bei der ersten Aufstellung<lb/> gefundenen Reinertrag erhoben ohne Rücksicht auf inzwischen daran eingetretene<lb/> Erhöhung oder Verminderung. Andererseits soll nach der ursprünglichen Absicht<lb/> auch der gesetzliche Steuersatz ein für allemal der gleiche bleiben. Darin besteht<lb/> die eigentliche Bedeutung der „Kontingentierung“ der preuſsischen Grundsteuer.<lb/> Nach G. <hi rendition="#g">Meyer,</hi> V.R. II S. 228, hatte damit die preuſsische Grundsteuer „den<lb/> Charakter einer Grundrente oder Reallast“ angenommen. Das darf aber nur als<lb/> Bild und Gleichnis verstanden werden. — Diese Unbeweglichkeit der preuſs. Grund-<lb/> steuer ist allerdings durch die neueste Gesetzgebung sehr beeinträchtigt worden<lb/> (Ges. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern).</note>. Steuer-<lb/> technisch spricht man dann gar nicht mehr von einer neuen Veran-<lb/> lagung; es wird nur die fortgeltende Veranlagung jedesmal wieder in<lb/> Bewegung gesetzt. Juristisch ist es aber eben immer ein neuer Ver-<lb/> waltungsakt, der das thut, wenn auch ein gebundener. Es liegt darin<lb/> nichts, was dem Wesen eines solchen widerspräche. —</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [398/0418]
Die Finanzgewalt.
Den Steuerschuldnern ist meist im Verfahren Gelegenheit gegeben
worden, gehört zu werden. Über sie ergeht der Spruch. Gegen-
stand des Beschlusses sind die einzelnen Steuerpflichten, wie sie nach
dem Kataster sich ergeben. Ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis
zwischen dem Staat und dem namentlich bezeichneten Unterthan wird
obrigkeitlich bestimmt. Die Wirkungen sind die des Verwaltungs-
aktes 14.
Diese verbundenen Veranlagungen erhalten durch die Umstände,
in denen sie erlassen werden, gewisse Besonderheiten. Das Ge-
setz kann bestimmen, daſs die Kundgabe an die Pflichtigen gültig ge-
schieht in Form von Veröffentlichung, Offenlegung. Es können Stücke
der einmal geschehenen Veranlagung, namentlich Schätzungen, so
bindend gemacht werden, daſs sie für alle späteren Veranlagungen
maſsgebend sind, bis nova eine neue Prüfung rechtfertigen. Das wirkt dann
auch bei einem etwaigen Wechsel in der Person des Steuerpflichtigen
und verstärkt die natürliche Stetigkeit des Katasters 15. Steuer-
technisch spricht man dann gar nicht mehr von einer neuen Veran-
lagung; es wird nur die fortgeltende Veranlagung jedesmal wieder in
Bewegung gesetzt. Juristisch ist es aber eben immer ein neuer Ver-
waltungsakt, der das thut, wenn auch ein gebundener. Es liegt darin
nichts, was dem Wesen eines solchen widerspräche. —
14 Die französische Rechtswissenschaft ist sich darüber völlig klar und zieht
alle Folgerungen daraus, vor allem auch für die Zuständigkeitsgrenze der Civil-
gerichte. Diese ist nach französischem Rechte dadurch bestimmt, daſs die Gerichte
über actes administratifs, Verwaltungsakte, nicht erkennen dürfen. Daraus wird
nun gefolgert, daſs auch Reklamationen gegen die kundgegebene Steuerrolle, wie
sie von der Verwaltung der direkten Steuern aufgestellt wird, nur im Verwaltungs-
wege entschieden werden können. In Theorie des französischen V.R. S. 392 habe
ich auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 26
findet das „nicht hinreichend klar“. Denn bei den indirekten Steuern, meint er,
liege doch „auch eine Thätigkeit der Finanzbehörden als Verwaltungsangelegen-
heit“ vor. Wem freilich Verwaltungsakte, actes administratifs, gleichbedeutend
sind mit jeder Art von Thätigwerden der Behörden, dem wird noch manches nicht
hinreichend klar vorkommen.
15 Eine der dauerhaftesten Veranlagungen stellt die preuſsische Grundsteuer
vor. Die Grundsteuer wird ein für allemal nach dem bei der ersten Aufstellung
gefundenen Reinertrag erhoben ohne Rücksicht auf inzwischen daran eingetretene
Erhöhung oder Verminderung. Andererseits soll nach der ursprünglichen Absicht
auch der gesetzliche Steuersatz ein für allemal der gleiche bleiben. Darin besteht
die eigentliche Bedeutung der „Kontingentierung“ der preuſsischen Grundsteuer.
Nach G. Meyer, V.R. II S. 228, hatte damit die preuſsische Grundsteuer „den
Charakter einer Grundrente oder Reallast“ angenommen. Das darf aber nur als
Bild und Gleichnis verstanden werden. — Diese Unbeweglichkeit der preuſs. Grund-
steuer ist allerdings durch die neueste Gesetzgebung sehr beeinträchtigt worden
(Ges. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern).
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