Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 26. Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt. Das Zeugnis der Volksvertretung hat vielmehr, getreu der ur- Ein Zeugnis über die Angemessenheit der zu leisten- nünftig wirtschaftet, ist alles in Ordnung. Auf dieser Grundlage wird denn S. 1014 ein förmlicher Leitfaden für budgetlose Verwaltung gegeben. In gleichem Sinne stellt es Bornhak, Preuss. St.R. III 8. 601, als die einzige Folge des Mangels eines Budgetgesetzes hin, dass "die Behörden selbständig zu erwägen und zu ent- scheiden haben, welche Ausgaben sie im Staatsinteresse zu machen haben und welche nicht". Das hält er für sehr unangenehm. 17 Jellinek, Ges. u. Verord. S. 292 ff., nennt das verfassungsmässig zu stande gekommene Budget "die rechtliche Bedingung der Finanzverwaltung"; diesen Aus- druck könnten wir, wenigstens was die Auslagen anlangt, annehmen. Jellinek aber versteht das in dem Sinne, dass die rechtliche Gültigkeit der Akte der Finanz- verwaltung, also die Wirkung nach aussen von der Erfüllung dieser Bedingung ab- hängig wäre. Mit Recht halten ihm Zorn in Annalen 1889 S. 392 und Laband, St.R. II S. 1041, vor, dass das auf das gleiche hinauslaufe wie die von ihm be- kämpfte Annahme einer notwendigen Vollmacht zur Führung der Finanzverwaltung. So meinen wir es aber auch nicht. Die Ausgabebewilligung ist allerdings eine "Bedingung" der Rechtmässigkeit der Ausgabe, aber nur der Rechtmässigkeit gegen- über der Volksvertretung und in Bezug auf die Verantwortlichkeit vor dieser; die Rechtmässigkeit der Handlung im Verhältnis nach aussen, ihre Gültigkeit und Wirksamkeit gegenüber dem Unterthanen, kommt dabei gar nicht in Betracht. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 25
§ 26. Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt. Das Zeugnis der Volksvertretung hat vielmehr, getreu der ur- Ein Zeugnis über die Angemessenheit der zu leisten- nünftig wirtschaftet, ist alles in Ordnung. Auf dieser Grundlage wird denn S. 1014 ein förmlicher Leitfaden für budgetlose Verwaltung gegeben. In gleichem Sinne stellt es Bornhak, Preuſs. St.R. III 8. 601, als die einzige Folge des Mangels eines Budgetgesetzes hin, daſs „die Behörden selbständig zu erwägen und zu ent- scheiden haben, welche Ausgaben sie im Staatsinteresse zu machen haben und welche nicht“. Das hält er für sehr unangenehm. 17 Jellinek, Ges. u. Verord. S. 292 ff., nennt das verfassungsmäſsig zu stande gekommene Budget „die rechtliche Bedingung der Finanzverwaltung“; diesen Aus- druck könnten wir, wenigstens was die Auslagen anlangt, annehmen. Jellinek aber versteht das in dem Sinne, daſs die rechtliche Gültigkeit der Akte der Finanz- verwaltung, also die Wirkung nach auſsen von der Erfüllung dieser Bedingung ab- hängig wäre. Mit Recht halten ihm Zorn in Annalen 1889 S. 392 und Laband, St.R. II S. 1041, vor, daſs das auf das gleiche hinauslaufe wie die von ihm be- kämpfte Annahme einer notwendigen Vollmacht zur Führung der Finanzverwaltung. So meinen wir es aber auch nicht. Die Ausgabebewilligung ist allerdings eine „Bedingung“ der Rechtmäſsigkeit der Ausgabe, aber nur der Rechtmäſsigkeit gegen- über der Volksvertretung und in Bezug auf die Verantwortlichkeit vor dieser; die Rechtmäſsigkeit der Handlung im Verhältnis nach auſsen, ihre Gültigkeit und Wirksamkeit gegenüber dem Unterthanen, kommt dabei gar nicht in Betracht. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 25
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§ 26. Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt.
Das Zeugnis der Volksvertretung hat vielmehr, getreu der ur-
sprünglichen Idee der gebundenen Verwendung der gebilligten Steuern,
eine formelle Bedeutung: die nämlich, daſs ohne solches Zeugnis
die Regierung überhaupt eine Ausgabe nicht machen darf; thut sie
es doch, so ist das schon um dieses Mangels willen verfassungsrecht-
lich ein Unrecht gegenüber der Volksvertretung. Dieses Unrecht kann
gedeckt werden durch nachträgliche Einwilligung des Verletzten. Es
kann auch ausgeschlossen sein durch besondere Entschuldigungsgründe,
den Strafausschlieſsungsgründen vergleichbar: dringender Notstand,
guter Glaube, nahegelegte Erwartung, die Ausgabe werde noch ge-
nehmigt werden. Die Regierung kann auch mit dem Gegenangriff
sich verteidigen, daſs die Volksvertretung ihr Recht miſsbraucht und
ihr Zeugnis zu Unrecht verweigert habe; das ist aber schon keine
Rechtsverteidigung mehr, sondern der offene Verfassungskonflikt. Nie-
mals kann das verfassungsrechtlich erforderte Zeugnis einfach ersetzt
werden durch den Nachweis der Billigkeit und Nützlichkeit der Aus-
gabe, die ein guter Haushalter wohl machen konnte. Das Unrecht
bleibt dann immer noch bestehen in der Verletzung der verfassungs-
rechtlichen Ordnung und des formellen Rechtes der Volksvertretung 17.
Ein Zeugnis über die Angemessenheit der zu leisten-
den Ausgaben, dessen die Regierung nach verfassungs-
rechtlicher Ordnung zu deren Rechtfertigung gegen-
über der Volksvertretung bedarf, so ist der rechtlich be-
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17 Jellinek, Ges. u. Verord. S. 292 ff., nennt das verfassungsmäſsig zu stande
gekommene Budget „die rechtliche Bedingung der Finanzverwaltung“; diesen Aus-
druck könnten wir, wenigstens was die Auslagen anlangt, annehmen. Jellinek
aber versteht das in dem Sinne, daſs die rechtliche Gültigkeit der Akte der Finanz-
verwaltung, also die Wirkung nach auſsen von der Erfüllung dieser Bedingung ab-
hängig wäre. Mit Recht halten ihm Zorn in Annalen 1889 S. 392 und Laband,
St.R. II S. 1041, vor, daſs das auf das gleiche hinauslaufe wie die von ihm be-
kämpfte Annahme einer notwendigen Vollmacht zur Führung der Finanzverwaltung.
So meinen wir es aber auch nicht. Die Ausgabebewilligung ist allerdings eine
„Bedingung“ der Rechtmäſsigkeit der Ausgabe, aber nur der Rechtmäſsigkeit gegen-
über der Volksvertretung und in Bezug auf die Verantwortlichkeit vor dieser; die
Rechtmäſsigkeit der Handlung im Verhältnis nach auſsen, ihre Gültigkeit und
Wirksamkeit gegenüber dem Unterthanen, kommt dabei gar nicht in Betracht.
16 nünftig wirtschaftet, ist alles in Ordnung. Auf dieser Grundlage wird denn S. 1014
ein förmlicher Leitfaden für budgetlose Verwaltung gegeben. In gleichem Sinne
stellt es Bornhak, Preuſs. St.R. III 8. 601, als die einzige Folge des Mangels
eines Budgetgesetzes hin, daſs „die Behörden selbständig zu erwägen und zu ent-
scheiden haben, welche Ausgaben sie im Staatsinteresse zu machen haben und
welche nicht“. Das hält er für sehr unangenehm.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 25
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