In beiden erscheint die reine öffentliche Gewalt mit spröder Ein- seitigkeit. Hier wird überall nur befohlen, auferlegt, gezwungen; wo etwas gewährt wird, ist es höchstens ein Aussetzen dieser Gewalt- einwirkung. Wir werden sehen, wie sich diese Verwandtschaft auch in einem gewissen Gleichklang der beiderseitigen Rechtsinstitute be- kundet.
Andererseits aber ist diesen beiden Gewaltarten von Haus aus ein bedeutsamer Unterschied mitgegeben.
Hinter der Polizeigewalt fanden wir ein naturrechtliches Prinzip, das ihr Recht auslegen hilft und ergänzt, die allgemeine Pflicht, die gute Ordnung nicht zu stören. Die Ausübung der Finanzgewalt hat einen derartigen naturrechtlichen Hintergrund nicht; die allgemeine Unterthanenpflicht, Steuer zu zahlen, ist eine blosse Redensart ohne juristischen Wert.
Dafür haben die Einrichtungen des Verfassungsstaates über die ganze Bewegung der Finanzen und insbesondere die wichtigste Art der Äusserungen der Finanzgewalt, die Steuererhebung, einen anderen grossen Regulator gestellt. Das ist der Staatshaushaltsplan, welcher seinerseits durch das Budgetrecht der Volksvertretung bestimmt wird und im Staatshaushaltsgesetz (Etatsgesetz) erscheint.
Welches die Bedeutung dieses Gesetzes sei, darüber herrscht in der Staatsrechtswissenschaft grosse Meinungsverschiedenheit. Die Mehr- zahl der aufgestellten Theorien läuft darauf hinaus, dass sie, folge- richtig durchgeführt, dem Staatshaushaltsgesetz eine rechtliche Wirkung beilegen, die tief in unser Gebiet, in das des Verwaltungsrechts ein- greifen müsste.
Dahin gehört vor allem die Lehre, wonach die Positionen des Haushaltsgesetzes Rechtssätze sind zur bindenden Regelung der Finanzverwaltung1. Ebenso würde die Bezeichnung der Feststellung des Haushaltsplanes als Verwaltungsakt wichtige Folgen für uns einschliessen, sofern man wenigstens mit diesem Begriff einen Akt von gewisser rechtlicher Bedeutung meint2. Eine andere Theorie spricht von einer Vollmacht, die hier der Regierung erteilt wird, um die Finanzverwaltung zu führen, die Einnahmen zu erheben, die Ausgaben zu leisten; und die Vollmacht müsste als solche selbst-
1 Der Führer dieser Meinung ist Haenel, vor allem in Ges. im form. u. mat. Sinne S. 291 ff. Gegen ihn Laband, St.R. II S. 1050 ff.
2 Meist ist das ja allerdings nicht der Fall; im übrigen ist diese Bezeichnung sehr gebräuchlich: Laband, St.R. II S. 986; Jellinek, Ges. u. Verord. S. 288; G. Meyer, St.R. S. 609; Arndt in Arch. f. öff. R. III S. 540 ff.
§ 26. Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt.
In beiden erscheint die reine öffentliche Gewalt mit spröder Ein- seitigkeit. Hier wird überall nur befohlen, auferlegt, gezwungen; wo etwas gewährt wird, ist es höchstens ein Aussetzen dieser Gewalt- einwirkung. Wir werden sehen, wie sich diese Verwandtschaft auch in einem gewissen Gleichklang der beiderseitigen Rechtsinstitute be- kundet.
Andererseits aber ist diesen beiden Gewaltarten von Haus aus ein bedeutsamer Unterschied mitgegeben.
Hinter der Polizeigewalt fanden wir ein naturrechtliches Prinzip, das ihr Recht auslegen hilft und ergänzt, die allgemeine Pflicht, die gute Ordnung nicht zu stören. Die Ausübung der Finanzgewalt hat einen derartigen naturrechtlichen Hintergrund nicht; die allgemeine Unterthanenpflicht, Steuer zu zahlen, ist eine bloſse Redensart ohne juristischen Wert.
Dafür haben die Einrichtungen des Verfassungsstaates über die ganze Bewegung der Finanzen und insbesondere die wichtigste Art der Äuſserungen der Finanzgewalt, die Steuererhebung, einen anderen groſsen Regulator gestellt. Das ist der Staatshaushaltsplan, welcher seinerseits durch das Budgetrecht der Volksvertretung bestimmt wird und im Staatshaushaltsgesetz (Etatsgesetz) erscheint.
Welches die Bedeutung dieses Gesetzes sei, darüber herrscht in der Staatsrechtswissenschaft groſse Meinungsverschiedenheit. Die Mehr- zahl der aufgestellten Theorien läuft darauf hinaus, daſs sie, folge- richtig durchgeführt, dem Staatshaushaltsgesetz eine rechtliche Wirkung beilegen, die tief in unser Gebiet, in das des Verwaltungsrechts ein- greifen müſste.
Dahin gehört vor allem die Lehre, wonach die Positionen des Haushaltsgesetzes Rechtssätze sind zur bindenden Regelung der Finanzverwaltung1. Ebenso würde die Bezeichnung der Feststellung des Haushaltsplanes als Verwaltungsakt wichtige Folgen für uns einschlieſsen, sofern man wenigstens mit diesem Begriff einen Akt von gewisser rechtlicher Bedeutung meint2. Eine andere Theorie spricht von einer Vollmacht, die hier der Regierung erteilt wird, um die Finanzverwaltung zu führen, die Einnahmen zu erheben, die Ausgaben zu leisten; und die Vollmacht müſste als solche selbst-
1 Der Führer dieser Meinung ist Haenel, vor allem in Ges. im form. u. mat. Sinne S. 291 ff. Gegen ihn Laband, St.R. II S. 1050 ff.
2 Meist ist das ja allerdings nicht der Fall; im übrigen ist diese Bezeichnung sehr gebräuchlich: Laband, St.R. II S. 986; Jellinek, Ges. u. Verord. S. 288; G. Meyer, St.R. S. 609; Arndt in Arch. f. öff. R. III S. 540 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0399"n="379"/><fwplace="top"type="header">§ 26. Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt.</fw><lb/><p>In beiden erscheint die reine öffentliche Gewalt mit spröder Ein-<lb/>
seitigkeit. Hier wird überall nur befohlen, auferlegt, gezwungen; wo<lb/>
etwas gewährt wird, ist es höchstens ein Aussetzen dieser Gewalt-<lb/>
einwirkung. Wir werden sehen, wie sich diese Verwandtschaft auch<lb/>
in einem gewissen Gleichklang der beiderseitigen Rechtsinstitute be-<lb/>
kundet.</p><lb/><p>Andererseits aber ist diesen beiden Gewaltarten von Haus aus<lb/>
ein bedeutsamer Unterschied mitgegeben.</p><lb/><p>Hinter der Polizeigewalt fanden wir ein naturrechtliches Prinzip,<lb/>
das ihr Recht auslegen hilft und ergänzt, die allgemeine Pflicht, die<lb/>
gute Ordnung nicht zu stören. Die Ausübung der Finanzgewalt hat<lb/>
einen derartigen naturrechtlichen Hintergrund nicht; die allgemeine<lb/>
Unterthanenpflicht, Steuer zu zahlen, ist eine bloſse Redensart ohne<lb/>
juristischen Wert.</p><lb/><p>Dafür haben die Einrichtungen des Verfassungsstaates über die<lb/>
ganze Bewegung der Finanzen und insbesondere die wichtigste Art<lb/>
der Äuſserungen der Finanzgewalt, die Steuererhebung, einen anderen<lb/>
groſsen Regulator gestellt. Das ist der Staatshaushaltsplan, welcher<lb/>
seinerseits durch das Budgetrecht der Volksvertretung bestimmt wird<lb/>
und im <hirendition="#g">Staatshaushaltsgesetz</hi> (Etatsgesetz) erscheint.</p><lb/><p>Welches die Bedeutung dieses Gesetzes sei, darüber herrscht in<lb/>
der Staatsrechtswissenschaft groſse Meinungsverschiedenheit. Die Mehr-<lb/>
zahl der aufgestellten Theorien läuft darauf hinaus, daſs sie, folge-<lb/>
richtig durchgeführt, dem Staatshaushaltsgesetz eine rechtliche Wirkung<lb/>
beilegen, die tief in unser Gebiet, in das des Verwaltungsrechts ein-<lb/>
greifen müſste.</p><lb/><p>Dahin gehört vor allem die Lehre, wonach die Positionen des<lb/>
Haushaltsgesetzes <hirendition="#g">Rechtssätze</hi> sind zur bindenden Regelung der<lb/>
Finanzverwaltung<noteplace="foot"n="1">Der Führer dieser Meinung ist <hirendition="#g">Haenel,</hi> vor allem in Ges. im form. u.<lb/>
mat. Sinne S. 291 ff. Gegen ihn <hirendition="#g">Laband,</hi> St.R. II S. 1050 ff.</note>. Ebenso würde die Bezeichnung der Feststellung<lb/>
des Haushaltsplanes als <hirendition="#g">Verwaltungsakt</hi> wichtige Folgen für uns<lb/>
einschlieſsen, sofern man wenigstens mit diesem Begriff einen Akt<lb/>
von gewisser rechtlicher Bedeutung meint<noteplace="foot"n="2">Meist ist das ja allerdings nicht der Fall; im übrigen ist diese Bezeichnung<lb/>
sehr gebräuchlich: <hirendition="#g">Laband,</hi> St.R. II S. 986; <hirendition="#g">Jellinek,</hi> Ges. u. Verord. S. 288;<lb/>
G. <hirendition="#g">Meyer,</hi> St.R. S. 609; <hirendition="#g">Arndt</hi> in Arch. f. öff. R. III S. 540 ff.</note>. Eine andere Theorie<lb/>
spricht von einer <hirendition="#g">Vollmacht,</hi> die hier der Regierung erteilt wird,<lb/>
um die Finanzverwaltung zu führen, die Einnahmen zu erheben, die<lb/>
Ausgaben zu leisten; und die Vollmacht müſste als solche selbst-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[379/0399]
§ 26. Staatshaushaltsgesetz und Finanzgewalt.
In beiden erscheint die reine öffentliche Gewalt mit spröder Ein-
seitigkeit. Hier wird überall nur befohlen, auferlegt, gezwungen; wo
etwas gewährt wird, ist es höchstens ein Aussetzen dieser Gewalt-
einwirkung. Wir werden sehen, wie sich diese Verwandtschaft auch
in einem gewissen Gleichklang der beiderseitigen Rechtsinstitute be-
kundet.
Andererseits aber ist diesen beiden Gewaltarten von Haus aus
ein bedeutsamer Unterschied mitgegeben.
Hinter der Polizeigewalt fanden wir ein naturrechtliches Prinzip,
das ihr Recht auslegen hilft und ergänzt, die allgemeine Pflicht, die
gute Ordnung nicht zu stören. Die Ausübung der Finanzgewalt hat
einen derartigen naturrechtlichen Hintergrund nicht; die allgemeine
Unterthanenpflicht, Steuer zu zahlen, ist eine bloſse Redensart ohne
juristischen Wert.
Dafür haben die Einrichtungen des Verfassungsstaates über die
ganze Bewegung der Finanzen und insbesondere die wichtigste Art
der Äuſserungen der Finanzgewalt, die Steuererhebung, einen anderen
groſsen Regulator gestellt. Das ist der Staatshaushaltsplan, welcher
seinerseits durch das Budgetrecht der Volksvertretung bestimmt wird
und im Staatshaushaltsgesetz (Etatsgesetz) erscheint.
Welches die Bedeutung dieses Gesetzes sei, darüber herrscht in
der Staatsrechtswissenschaft groſse Meinungsverschiedenheit. Die Mehr-
zahl der aufgestellten Theorien läuft darauf hinaus, daſs sie, folge-
richtig durchgeführt, dem Staatshaushaltsgesetz eine rechtliche Wirkung
beilegen, die tief in unser Gebiet, in das des Verwaltungsrechts ein-
greifen müſste.
Dahin gehört vor allem die Lehre, wonach die Positionen des
Haushaltsgesetzes Rechtssätze sind zur bindenden Regelung der
Finanzverwaltung 1. Ebenso würde die Bezeichnung der Feststellung
des Haushaltsplanes als Verwaltungsakt wichtige Folgen für uns
einschlieſsen, sofern man wenigstens mit diesem Begriff einen Akt
von gewisser rechtlicher Bedeutung meint 2. Eine andere Theorie
spricht von einer Vollmacht, die hier der Regierung erteilt wird,
um die Finanzverwaltung zu führen, die Einnahmen zu erheben, die
Ausgaben zu leisten; und die Vollmacht müſste als solche selbst-
1 Der Führer dieser Meinung ist Haenel, vor allem in Ges. im form. u.
mat. Sinne S. 291 ff. Gegen ihn Laband, St.R. II S. 1050 ff.
2 Meist ist das ja allerdings nicht der Fall; im übrigen ist diese Bezeichnung
sehr gebräuchlich: Laband, St.R. II S. 986; Jellinek, Ges. u. Verord. S. 288;
G. Meyer, St.R. S. 609; Arndt in Arch. f. öff. R. III S. 540 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/399>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.