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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
braucht nicht der Herr der Wohnung zu sein, der sie auf solche
Weise einlädt. Jeder, der berechtigter oder unberechtigter Weise
sich darin befindet, hat die Fähigkeit, diese Zuständigkeit der Polizei
zu begründen. Der Ruf muss nicht aus dem Hause heraus ergehen,
es genügt, dass der Einladende von dort herkommt. Die verlangte
Hülfe kann nur in einer pflichtmässigen dringlichen Amtshandlung be-
stehen. Es ist aber nicht notwendig, dass sie schon beim Hülferuf
immer deutlich und einzeln bezeichnet sei, noch dass die Polizei darum
besonders angeredet werde. Der Ruf: "zu Hülfe!" oder gar nur
"Polizei!" ist ein genügender Grund des Eindringens18.

Aus den besonderen gesetzlichen Ermächtigungen zum Nachsehen
nach gewissen Vorgängen kann sich auch die Befugnis zum Eindringen
zur Nachtzeit ergeben, sofern eben das zu Überwachende ordnungs-
mässig zur Nachtzeit vor sich geht, z. B. ein Fabrikbetrieb.

Die polizeioffnen Räumlichkeiten, welche diese Eigenschaft auch
zur Nachtzeit haben, sind damit naturgemäss auch für diese Zeit dem
polizeilichen Eindringen ausgesetzt, so lange sie also geöffnet bleiben.
Nach Schluss der Wirtschaft und Entfernung der Gäste ist auch dieses
Haus wie ein anderes geschützt.

3. Das schärfste Mittel zur Überwältigung einer Person ist der
Waffengebrauch. Derselbe steht den der polizeilichen Gewalt-
anwendung dienenden Mannschaften in verschiedenem Masse zur Ver-
fügung.

Den Ausgangspunkt für die ganze Lehre muss die Thatsache
bilden, dass der Waffengebrauch mit seinen Wirkungen über das
grundsätzliche Mass des Polizeizwangs hinausgeht. Denn die Gewalt-
anwendung soll die Störung abwehren, den Störer unfähig machen,
sie fortzusetzen; sie soll ihm aber kein Übel zufügen, welches fort-
dauert, wenn die Störung überwunden ist. Der Waffengebrauch führt
seiner Natur nach immer zu einem solchen Übel. Also ist er, im
Gegensatz zu den zwei bisher besprochenen Gewaltmitteln, nicht schon
von selbst damit zulässig, dass Gewaltanwendung überhaupt zulässig
geworden ist. Es bedarf einer eignen rechtlichen Grundlage dafür,
dass gerade dieses scharfe Mittel soll gewählt werden dürfen.

Diese Grundlage kann gegeben sein in dem gemeinen Rechte
der Notwehr
. Die Fälle, wo polizeiliche Gewaltanwendung zulässig
ist für unmittelbaren Zwang, namentlich die polizeiliche Selbst-
verteidigung und die Verhinderung strafbarer Handlungen, decken

18 Preuss. Ges. v. 12. Febr. 1880 § 8; v. Roenne, Preuss. St.R. II S. 50
Anm. 4.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 24

§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
braucht nicht der Herr der Wohnung zu sein, der sie auf solche
Weise einlädt. Jeder, der berechtigter oder unberechtigter Weise
sich darin befindet, hat die Fähigkeit, diese Zuständigkeit der Polizei
zu begründen. Der Ruf muſs nicht aus dem Hause heraus ergehen,
es genügt, daſs der Einladende von dort herkommt. Die verlangte
Hülfe kann nur in einer pflichtmäſsigen dringlichen Amtshandlung be-
stehen. Es ist aber nicht notwendig, daſs sie schon beim Hülferuf
immer deutlich und einzeln bezeichnet sei, noch daſs die Polizei darum
besonders angeredet werde. Der Ruf: „zu Hülfe!“ oder gar nur
„Polizei!“ ist ein genügender Grund des Eindringens18.

Aus den besonderen gesetzlichen Ermächtigungen zum Nachsehen
nach gewissen Vorgängen kann sich auch die Befugnis zum Eindringen
zur Nachtzeit ergeben, sofern eben das zu Überwachende ordnungs-
mäſsig zur Nachtzeit vor sich geht, z. B. ein Fabrikbetrieb.

Die polizeioffnen Räumlichkeiten, welche diese Eigenschaft auch
zur Nachtzeit haben, sind damit naturgemäſs auch für diese Zeit dem
polizeilichen Eindringen ausgesetzt, so lange sie also geöffnet bleiben.
Nach Schluſs der Wirtschaft und Entfernung der Gäste ist auch dieses
Haus wie ein anderes geschützt.

3. Das schärfste Mittel zur Überwältigung einer Person ist der
Waffengebrauch. Derselbe steht den der polizeilichen Gewalt-
anwendung dienenden Mannschaften in verschiedenem Maſse zur Ver-
fügung.

Den Ausgangspunkt für die ganze Lehre muſs die Thatsache
bilden, daſs der Waffengebrauch mit seinen Wirkungen über das
grundsätzliche Maſs des Polizeizwangs hinausgeht. Denn die Gewalt-
anwendung soll die Störung abwehren, den Störer unfähig machen,
sie fortzusetzen; sie soll ihm aber kein Übel zufügen, welches fort-
dauert, wenn die Störung überwunden ist. Der Waffengebrauch führt
seiner Natur nach immer zu einem solchen Übel. Also ist er, im
Gegensatz zu den zwei bisher besprochenen Gewaltmitteln, nicht schon
von selbst damit zulässig, daſs Gewaltanwendung überhaupt zulässig
geworden ist. Es bedarf einer eignen rechtlichen Grundlage dafür,
daſs gerade dieses scharfe Mittel soll gewählt werden dürfen.

Diese Grundlage kann gegeben sein in dem gemeinen Rechte
der Notwehr
. Die Fälle, wo polizeiliche Gewaltanwendung zulässig
ist für unmittelbaren Zwang, namentlich die polizeiliche Selbst-
verteidigung und die Verhinderung strafbarer Handlungen, decken

18 Preuſs. Ges. v. 12. Febr. 1880 § 8; v. Roenne, Preuſs. St.R. II S. 50
Anm. 4.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 24
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[369/0389] § 25. Zwang durch Gewaltanwendung. braucht nicht der Herr der Wohnung zu sein, der sie auf solche Weise einlädt. Jeder, der berechtigter oder unberechtigter Weise sich darin befindet, hat die Fähigkeit, diese Zuständigkeit der Polizei zu begründen. Der Ruf muſs nicht aus dem Hause heraus ergehen, es genügt, daſs der Einladende von dort herkommt. Die verlangte Hülfe kann nur in einer pflichtmäſsigen dringlichen Amtshandlung be- stehen. Es ist aber nicht notwendig, daſs sie schon beim Hülferuf immer deutlich und einzeln bezeichnet sei, noch daſs die Polizei darum besonders angeredet werde. Der Ruf: „zu Hülfe!“ oder gar nur „Polizei!“ ist ein genügender Grund des Eindringens 18. Aus den besonderen gesetzlichen Ermächtigungen zum Nachsehen nach gewissen Vorgängen kann sich auch die Befugnis zum Eindringen zur Nachtzeit ergeben, sofern eben das zu Überwachende ordnungs- mäſsig zur Nachtzeit vor sich geht, z. B. ein Fabrikbetrieb. Die polizeioffnen Räumlichkeiten, welche diese Eigenschaft auch zur Nachtzeit haben, sind damit naturgemäſs auch für diese Zeit dem polizeilichen Eindringen ausgesetzt, so lange sie also geöffnet bleiben. Nach Schluſs der Wirtschaft und Entfernung der Gäste ist auch dieses Haus wie ein anderes geschützt. 3. Das schärfste Mittel zur Überwältigung einer Person ist der Waffengebrauch. Derselbe steht den der polizeilichen Gewalt- anwendung dienenden Mannschaften in verschiedenem Maſse zur Ver- fügung. Den Ausgangspunkt für die ganze Lehre muſs die Thatsache bilden, daſs der Waffengebrauch mit seinen Wirkungen über das grundsätzliche Maſs des Polizeizwangs hinausgeht. Denn die Gewalt- anwendung soll die Störung abwehren, den Störer unfähig machen, sie fortzusetzen; sie soll ihm aber kein Übel zufügen, welches fort- dauert, wenn die Störung überwunden ist. Der Waffengebrauch führt seiner Natur nach immer zu einem solchen Übel. Also ist er, im Gegensatz zu den zwei bisher besprochenen Gewaltmitteln, nicht schon von selbst damit zulässig, daſs Gewaltanwendung überhaupt zulässig geworden ist. Es bedarf einer eignen rechtlichen Grundlage dafür, daſs gerade dieses scharfe Mittel soll gewählt werden dürfen. Diese Grundlage kann gegeben sein in dem gemeinen Rechte der Notwehr. Die Fälle, wo polizeiliche Gewaltanwendung zulässig ist für unmittelbaren Zwang, namentlich die polizeiliche Selbst- verteidigung und die Verhinderung strafbarer Handlungen, decken 18 Preuſs. Ges. v. 12. Febr. 1880 § 8; v. Roenne, Preuſs. St.R. II S. 50 Anm. 4. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 24

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/389>, abgerufen am 23.12.2024.