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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
§ 24.
Fortsetzung; unmittelbarer Zwang.

Während die polizeiliche Zwangsvollstreckung nur den Zweck hat,
einem ergangenen Befehl zu dienen: der Befehl kann wegen des
Ungehorsams das Ziel nicht erreichen, da stellt sie ihm ihre ver-
schiedenen Mittel zur Verfügung, um den Ungehorsam zu überwinden,
-- hat der unmittelbare Zwang seinen eignen Zweck: das obrigkeit-
liche Machtmittel geht geradewegs auf die zu unterdrückende Polizei-
widrigkeit los.

Das Machtmittel ist hier einzig die Gewaltanwendung, welche vor-
genommen wird durch polizeiliche Vollstreckungsbeamte und sonstige
Gehülfen1. Ob sie das thun mit selbständigem Entschlusse oder auf

zu Mitteilungen herbeilässt. Die Handlung, auf die es ankommt, wird hier durch
die Vorführung selbst doch nicht erzwungen. Soll man aber vor der Behörde
selbst gar nichts thun, sondern nur eine Mitteilung entgegennehmen, so ist dafür
eine Vergewaltigung ganz überflüssig; sie geschieht auch nicht, um den Empfang
der Mitteilung durchzusetzen, sondern um dieser eine anspruchsvolle Feierlichkeit
zu geben; dafür darf die Gewalt erst recht nicht dienen. -- In der preussischen
Übung geht die Gewaltanwendung über diese Sistierungen noch weit hinaus. O.V.G.
1. Dez. 1880 (M.Bl. d. I. 1880 S. 49): Bei einer Feuersbrunst befiehlt der Bürger-
meister einem zuschauenden Apothekerlehrling, eine Handspritze zu tragen; Un-
gehorsam; sofortige Verhaftung. Im Arrestlokal bittet er um Freilassung, er wolle
jetzt thun, was befohlen ist; aber auf den Brandplatz zurückgeführt, weigert er sich
von neuem und wird dann auch von neuem verhaftet. Das Gericht erklärt das für
zulässig nach Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850
wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die ansteckende Kraft des
schlechten Beispiels, das der Ungehorsam den Übrigen gab. Ähnlich erging es im
Falle O.V.G. 16. Nov. 1881 (Samml. VIII S. 407) dem Kommandanten der frei-
willigen Feuerwehr, der trotz der Anordnung des Polizeibeamten nach gelöschtem
Brande nicht mehr dableiben will, da dieser ihm nichts zu befehlen habe, sondern
ihn nur ersuchen könne. Die Gefahr "für die öffentliche Sicherheit", um deren
willen seine Verhaftung gerechtfertigt erklärt wird, ist aber offenbar nur die be-
beleidigte Autorität, welche sich sofort eine eklatante Genugthuung verschaffen
durfte. -- Nach Sächsischem Recht ist natürlich gewaltsame Vorführung und der-
gleichen schlechthin als "Ausfluss der den Behörden beigelegten Exekutivgewalt"
anerkannt; Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 71. -- Gegen alle diese Missbräuche sehr
entschieden H. Seuffert in Wörterbuch II S. 675, 676.
1 Die Gewaltanwendung pflegt selbst als "unmittelbarer Zwang" bezeichnet
zu werden (G. Meyer in Wörterbuch II S. 262; v. Stengel, V.R. S. 107); oder
man häuft die Epitheta zu dem Ausdruck "unmittelbarer physischer Zwang"
(G. Meyer, V.R. I S. 68; v. Stengel, V.R. S. 193, 195). Das, was wir unmittel-
baren Zwang nennen, bleibt dann ganz unberücksichtigt: G. Meyer, Wörterbuch
II S. 800 ff.; v. Stengel, V.R. S. 195 Anm. 2. Anschütz in Verw.Arch. I
S. 461 nennt in diesem Sinne den unmittelbaren Zwang selbst ein Zwangsmittel.
Die Polizeigewalt.
§ 24.
Fortsetzung; unmittelbarer Zwang.

Während die polizeiliche Zwangsvollstreckung nur den Zweck hat,
einem ergangenen Befehl zu dienen: der Befehl kann wegen des
Ungehorsams das Ziel nicht erreichen, da stellt sie ihm ihre ver-
schiedenen Mittel zur Verfügung, um den Ungehorsam zu überwinden,
— hat der unmittelbare Zwang seinen eignen Zweck: das obrigkeit-
liche Machtmittel geht geradewegs auf die zu unterdrückende Polizei-
widrigkeit los.

Das Machtmittel ist hier einzig die Gewaltanwendung, welche vor-
genommen wird durch polizeiliche Vollstreckungsbeamte und sonstige
Gehülfen1. Ob sie das thun mit selbständigem Entschlusse oder auf

zu Mitteilungen herbeiläſst. Die Handlung, auf die es ankommt, wird hier durch
die Vorführung selbst doch nicht erzwungen. Soll man aber vor der Behörde
selbst gar nichts thun, sondern nur eine Mitteilung entgegennehmen, so ist dafür
eine Vergewaltigung ganz überflüssig; sie geschieht auch nicht, um den Empfang
der Mitteilung durchzusetzen, sondern um dieser eine anspruchsvolle Feierlichkeit
zu geben; dafür darf die Gewalt erst recht nicht dienen. — In der preuſsischen
Übung geht die Gewaltanwendung über diese Sistierungen noch weit hinaus. O.V.G.
1. Dez. 1880 (M.Bl. d. I. 1880 S. 49): Bei einer Feuersbrunst befiehlt der Bürger-
meister einem zuschauenden Apothekerlehrling, eine Handspritze zu tragen; Un-
gehorsam; sofortige Verhaftung. Im Arrestlokal bittet er um Freilassung, er wolle
jetzt thun, was befohlen ist; aber auf den Brandplatz zurückgeführt, weigert er sich
von neuem und wird dann auch von neuem verhaftet. Das Gericht erklärt das für
zulässig nach Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850
wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die ansteckende Kraft des
schlechten Beispiels, das der Ungehorsam den Übrigen gab. Ähnlich erging es im
Falle O.V.G. 16. Nov. 1881 (Samml. VIII S. 407) dem Kommandanten der frei-
willigen Feuerwehr, der trotz der Anordnung des Polizeibeamten nach gelöschtem
Brande nicht mehr dableiben will, da dieser ihm nichts zu befehlen habe, sondern
ihn nur ersuchen könne. Die Gefahr „für die öffentliche Sicherheit“, um deren
willen seine Verhaftung gerechtfertigt erklärt wird, ist aber offenbar nur die be-
beleidigte Autorität, welche sich sofort eine eklatante Genugthuung verschaffen
durfte. — Nach Sächsischem Recht ist natürlich gewaltsame Vorführung und der-
gleichen schlechthin als „Ausfluſs der den Behörden beigelegten Exekutivgewalt“
anerkannt; Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 71. — Gegen alle diese Miſsbräuche sehr
entschieden H. Seuffert in Wörterbuch II S. 675, 676.
1 Die Gewaltanwendung pflegt selbst als „unmittelbarer Zwang“ bezeichnet
zu werden (G. Meyer in Wörterbuch II S. 262; v. Stengel, V.R. S. 107); oder
man häuft die Epitheta zu dem Ausdruck „unmittelbarer physischer Zwang“
(G. Meyer, V.R. I S. 68; v. Stengel, V.R. S. 193, 195). Das, was wir unmittel-
baren Zwang nennen, bleibt dann ganz unberücksichtigt: G. Meyer, Wörterbuch
II S. 800 ff.; v. Stengel, V.R. S. 195 Anm. 2. Anschütz in Verw.Arch. I
S. 461 nennt in diesem Sinne den unmittelbaren Zwang selbst ein Zwangsmittel.
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[346/0366] Die Polizeigewalt. § 24. Fortsetzung; unmittelbarer Zwang. Während die polizeiliche Zwangsvollstreckung nur den Zweck hat, einem ergangenen Befehl zu dienen: der Befehl kann wegen des Ungehorsams das Ziel nicht erreichen, da stellt sie ihm ihre ver- schiedenen Mittel zur Verfügung, um den Ungehorsam zu überwinden, — hat der unmittelbare Zwang seinen eignen Zweck: das obrigkeit- liche Machtmittel geht geradewegs auf die zu unterdrückende Polizei- widrigkeit los. Das Machtmittel ist hier einzig die Gewaltanwendung, welche vor- genommen wird durch polizeiliche Vollstreckungsbeamte und sonstige Gehülfen 1. Ob sie das thun mit selbständigem Entschlusse oder auf 33 1 Die Gewaltanwendung pflegt selbst als „unmittelbarer Zwang“ bezeichnet zu werden (G. Meyer in Wörterbuch II S. 262; v. Stengel, V.R. S. 107); oder man häuft die Epitheta zu dem Ausdruck „unmittelbarer physischer Zwang“ (G. Meyer, V.R. I S. 68; v. Stengel, V.R. S. 193, 195). Das, was wir unmittel- baren Zwang nennen, bleibt dann ganz unberücksichtigt: G. Meyer, Wörterbuch II S. 800 ff.; v. Stengel, V.R. S. 195 Anm. 2. Anschütz in Verw.Arch. I S. 461 nennt in diesem Sinne den unmittelbaren Zwang selbst ein Zwangsmittel. 33 zu Mitteilungen herbeiläſst. Die Handlung, auf die es ankommt, wird hier durch die Vorführung selbst doch nicht erzwungen. Soll man aber vor der Behörde selbst gar nichts thun, sondern nur eine Mitteilung entgegennehmen, so ist dafür eine Vergewaltigung ganz überflüssig; sie geschieht auch nicht, um den Empfang der Mitteilung durchzusetzen, sondern um dieser eine anspruchsvolle Feierlichkeit zu geben; dafür darf die Gewalt erst recht nicht dienen. — In der preuſsischen Übung geht die Gewaltanwendung über diese Sistierungen noch weit hinaus. O.V.G. 1. Dez. 1880 (M.Bl. d. I. 1880 S. 49): Bei einer Feuersbrunst befiehlt der Bürger- meister einem zuschauenden Apothekerlehrling, eine Handspritze zu tragen; Un- gehorsam; sofortige Verhaftung. Im Arrestlokal bittet er um Freilassung, er wolle jetzt thun, was befohlen ist; aber auf den Brandplatz zurückgeführt, weigert er sich von neuem und wird dann auch von neuem verhaftet. Das Gericht erklärt das für zulässig nach Ges. zum Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850 wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die ansteckende Kraft des schlechten Beispiels, das der Ungehorsam den Übrigen gab. Ähnlich erging es im Falle O.V.G. 16. Nov. 1881 (Samml. VIII S. 407) dem Kommandanten der frei- willigen Feuerwehr, der trotz der Anordnung des Polizeibeamten nach gelöschtem Brande nicht mehr dableiben will, da dieser ihm nichts zu befehlen habe, sondern ihn nur ersuchen könne. Die Gefahr „für die öffentliche Sicherheit“, um deren willen seine Verhaftung gerechtfertigt erklärt wird, ist aber offenbar nur die be- beleidigte Autorität, welche sich sofort eine eklatante Genugthuung verschaffen durfte. — Nach Sächsischem Recht ist natürlich gewaltsame Vorführung und der- gleichen schlechthin als „Ausfluſs der den Behörden beigelegten Exekutivgewalt“ anerkannt; Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 71. — Gegen alle diese Miſsbräuche sehr entschieden H. Seuffert in Wörterbuch II S. 675, 676.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/366>, abgerufen am 23.11.2024.