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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung.

Der Zwang selbst entfaltet sich alsdann in doppelter Richtung.

Zunächst wird die Handlung an Stelle des Pflichtigen vorgenommen.
Die Behörde beauftragt dazu ihre Untergebenen oder nimmt die
Dienste anderer Leute dafür in Anspruch durch civilrechtliche Dienst-
miete oder Werkverdingung oder auch in öffentlichrechtlicher Form,
z. B. durch Requisition. Die Ausführung des Geschäftes braucht sich
äusserlich in nichts unterscheiden von derartigen Arbeiten, die ein
Privatmann an seinen Sachen vornehmen lässt. Nur steht hinter diesen
die öffentliche Gewalt, deren Geschäfte hier besorgt werden, mit ihrer
ganzen Unwiderstehlichkeit, um nötigenfalls die Duldung zu er-
zwingen
.

Der Zwang geschieht durch einfache Gewaltanwendung,
welche den Widerstand bricht und Störung der Arbeiten abwehrt.
Dazu bedarf es nicht der Umwege, welche der Civilprozess macht,
indem der Gläubiger erst den Gerichtsvollzieher hinzuruft und dieser
dann die polizeilichen Vollzugsbeamten. Die öffentliche Gewalt ist
unmittelbar beteiligt und ihre Polizeimannschaft erscheint entweder
von vornherein, um dem Vollzuge Assistenz zu leisten, oder wird bei
dem geringsten Zeichen von Widerstand formlos zugezogen. Über
die Gewaltanwendung selbst vgl. unten § 25.

Der Pflichtige ist alsdann schuldig, den durch die Ersatzvornahme
erwachsenen Aufwand zu erstatten. Die Schuld besteht nicht gegen-
über den verwendeten Arbeitern und Lieferanten; diese stehen nur
im Rechtsverhältnis zu dem, der sie beauftragt hat, zum Staate oder
zur Gemeinde, der die Polizeiverwaltung obliegt. Diese letzteren
haben den Ersatzanspruch. Der Anspruch ist kein civilrechtlicher,
wenn auch die Zahlungen, durch welche er begründet wird, civil-
rechtliche Kaufpreis-, Dienstlohn- oder Werkverdingungsforderungen
betrafen. Er hat insbesondere keine Verwandtschaft mit dem An-
spruch des negotiorum gestor gegen den dominus negotii, womit ihn
die ältere Auffassung gerne verglich. Die Erstattungspflicht hat viel-
mehr die rechtliche Natur der Kostenzahlungspflicht der
Partei im Civilprozess
und zwar der Kostenzahlungspflicht
gegenüber dem Gericht, gegenüber der Staatskasse. Die Arbeitslöhne,
Preise von verwendeten Materialien und Sonstigem, die Entschädigungen
Dritter, welche etwa zu bezahlen waren, sind Kosten des Verfahrens
ähnlich den Zeugengebühren, welche das Gericht aus der Gerichts-
kasse zur Zahlung angewiesen hat und der Partei, welche sie ver-
anlasste, in Rechnung stellt.

Dadurch bestimmt sich das Mass der Zahlungspflicht. Es ist
nicht mehr an Kosten zu erstatten, als der Staat hat aufwenden

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§ 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung.

Der Zwang selbst entfaltet sich alsdann in doppelter Richtung.

Zunächst wird die Handlung an Stelle des Pflichtigen vorgenommen.
Die Behörde beauftragt dazu ihre Untergebenen oder nimmt die
Dienste anderer Leute dafür in Anspruch durch civilrechtliche Dienst-
miete oder Werkverdingung oder auch in öffentlichrechtlicher Form,
z. B. durch Requisition. Die Ausführung des Geschäftes braucht sich
äuſserlich in nichts unterscheiden von derartigen Arbeiten, die ein
Privatmann an seinen Sachen vornehmen läſst. Nur steht hinter diesen
die öffentliche Gewalt, deren Geschäfte hier besorgt werden, mit ihrer
ganzen Unwiderstehlichkeit, um nötigenfalls die Duldung zu er-
zwingen
.

Der Zwang geschieht durch einfache Gewaltanwendung,
welche den Widerstand bricht und Störung der Arbeiten abwehrt.
Dazu bedarf es nicht der Umwege, welche der Civilprozeſs macht,
indem der Gläubiger erst den Gerichtsvollzieher hinzuruft und dieser
dann die polizeilichen Vollzugsbeamten. Die öffentliche Gewalt ist
unmittelbar beteiligt und ihre Polizeimannschaft erscheint entweder
von vornherein, um dem Vollzuge Assistenz zu leisten, oder wird bei
dem geringsten Zeichen von Widerstand formlos zugezogen. Über
die Gewaltanwendung selbst vgl. unten § 25.

Der Pflichtige ist alsdann schuldig, den durch die Ersatzvornahme
erwachsenen Aufwand zu erstatten. Die Schuld besteht nicht gegen-
über den verwendeten Arbeitern und Lieferanten; diese stehen nur
im Rechtsverhältnis zu dem, der sie beauftragt hat, zum Staate oder
zur Gemeinde, der die Polizeiverwaltung obliegt. Diese letzteren
haben den Ersatzanspruch. Der Anspruch ist kein civilrechtlicher,
wenn auch die Zahlungen, durch welche er begründet wird, civil-
rechtliche Kaufpreis-, Dienstlohn- oder Werkverdingungsforderungen
betrafen. Er hat insbesondere keine Verwandtschaft mit dem An-
spruch des negotiorum gestor gegen den dominus negotii, womit ihn
die ältere Auffassung gerne verglich. Die Erstattungspflicht hat viel-
mehr die rechtliche Natur der Kostenzahlungspflicht der
Partei im Civilprozeſs
und zwar der Kostenzahlungspflicht
gegenüber dem Gericht, gegenüber der Staatskasse. Die Arbeitslöhne,
Preise von verwendeten Materialien und Sonstigem, die Entschädigungen
Dritter, welche etwa zu bezahlen waren, sind Kosten des Verfahrens
ähnlich den Zeugengebühren, welche das Gericht aus der Gerichts-
kasse zur Zahlung angewiesen hat und der Partei, welche sie ver-
anlaſste, in Rechnung stellt.

Dadurch bestimmt sich das Maſs der Zahlungspflicht. Es ist
nicht mehr an Kosten zu erstatten, als der Staat hat aufwenden

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[339/0359] § 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung. Der Zwang selbst entfaltet sich alsdann in doppelter Richtung. Zunächst wird die Handlung an Stelle des Pflichtigen vorgenommen. Die Behörde beauftragt dazu ihre Untergebenen oder nimmt die Dienste anderer Leute dafür in Anspruch durch civilrechtliche Dienst- miete oder Werkverdingung oder auch in öffentlichrechtlicher Form, z. B. durch Requisition. Die Ausführung des Geschäftes braucht sich äuſserlich in nichts unterscheiden von derartigen Arbeiten, die ein Privatmann an seinen Sachen vornehmen läſst. Nur steht hinter diesen die öffentliche Gewalt, deren Geschäfte hier besorgt werden, mit ihrer ganzen Unwiderstehlichkeit, um nötigenfalls die Duldung zu er- zwingen. Der Zwang geschieht durch einfache Gewaltanwendung, welche den Widerstand bricht und Störung der Arbeiten abwehrt. Dazu bedarf es nicht der Umwege, welche der Civilprozeſs macht, indem der Gläubiger erst den Gerichtsvollzieher hinzuruft und dieser dann die polizeilichen Vollzugsbeamten. Die öffentliche Gewalt ist unmittelbar beteiligt und ihre Polizeimannschaft erscheint entweder von vornherein, um dem Vollzuge Assistenz zu leisten, oder wird bei dem geringsten Zeichen von Widerstand formlos zugezogen. Über die Gewaltanwendung selbst vgl. unten § 25. Der Pflichtige ist alsdann schuldig, den durch die Ersatzvornahme erwachsenen Aufwand zu erstatten. Die Schuld besteht nicht gegen- über den verwendeten Arbeitern und Lieferanten; diese stehen nur im Rechtsverhältnis zu dem, der sie beauftragt hat, zum Staate oder zur Gemeinde, der die Polizeiverwaltung obliegt. Diese letzteren haben den Ersatzanspruch. Der Anspruch ist kein civilrechtlicher, wenn auch die Zahlungen, durch welche er begründet wird, civil- rechtliche Kaufpreis-, Dienstlohn- oder Werkverdingungsforderungen betrafen. Er hat insbesondere keine Verwandtschaft mit dem An- spruch des negotiorum gestor gegen den dominus negotii, womit ihn die ältere Auffassung gerne verglich. Die Erstattungspflicht hat viel- mehr die rechtliche Natur der Kostenzahlungspflicht der Partei im Civilprozeſs und zwar der Kostenzahlungspflicht gegenüber dem Gericht, gegenüber der Staatskasse. Die Arbeitslöhne, Preise von verwendeten Materialien und Sonstigem, die Entschädigungen Dritter, welche etwa zu bezahlen waren, sind Kosten des Verfahrens ähnlich den Zeugengebühren, welche das Gericht aus der Gerichts- kasse zur Zahlung angewiesen hat und der Partei, welche sie ver- anlaſste, in Rechnung stellt. Dadurch bestimmt sich das Maſs der Zahlungspflicht. Es ist nicht mehr an Kosten zu erstatten, als der Staat hat aufwenden 22*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/359>, abgerufen am 23.12.2024.