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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung.
die Ungehorsamsstrafe ihr Recht. Die Verhängung hat zu unter-
bleiben14.

Die einmal ausgesprochene Strafe schafft ein neues
Rechtsverhältnis des Verurteilten, welches der freien Verfügung der
Behörde nicht mehr unterliegt; sie hat kein Begnadigungsrecht. Die
Geldstrafe bildet den Gegenstand eines Forderungsrechtes des Staates,
auf welches sie nicht verzichten kann; sie wird im administrativen
Zwangsbeitreibungsverfahren vollstreckt. Die etwa erkannte Haft geht
über in die entsprechenden Formen des Strafvollzugs. --

Aber damit ist die Sache noch nicht erledigt. Wenn die Zu-
widerhandlung gegen das Verbot fortdauert, dem Gebote immer
noch nicht genügt wird, steht die Strafe nach ihrer Natur als Zwangs-
mittel der Behörde noch weiter zur Verfügung. Dass der Thatbestand,
gegen welchen sie sich wendet, einfach der gleiche ist, der nur fort-
dauert, hindert nicht; der Satz ne bis in idem gilt für sie nicht. Die
Strafe kann von neuem angedroht werden für den nämlichen Befehl
und wegen des nämlichen Ungehorsamsfalles, weshalb der Straf-
ausspruch soeben erfolgt ist. Die neue Androhung geschieht gleich-
zeitig mit der Verhängung der verwirkten Strafe oder nachher. Es
ist dem Zwecke widersprechend und deshalb unzulässig, mehrmalige
Androhungen zusammenzusparen und schliesslich mit einem Male die
Strafen daraus zu verhängen. Denn die Kundgabe der verwirkten
Strafe soll jedesmal die Kraft der neuen Androhung verstärken;
die Verhängung ist, wie erwähnt, selbst als ein Mittel zur Brechung
des Ungehorsams gedacht und muss als solches gebraucht werden15.

Die Wiederholung der Strafandrohung und Strafverhängung kann
so lange fortgesetzt werden, bis der Zweck erledigt oder aber die
Grenze des der Behörde im ganzen zur Verfügung stehenden Straf-

14 So O.V.G. 31. Jan. 1877, 9. Juni 1877, 20. Juni 1880. -- Anders nach
württemb. Rechte: die Strafe ist verwirkt wie die Polizeistrafe; Schicker,
Württemb. Pol.Stf.R. S. 77 Note 2.
15 O.V.G. 10. Juni 1880 (Samml. VII S. 341): die Verhängung der Ungehorsams-
strafe ist selbst "ein Zwangsmittel, um den Betroffenen behufs Erreichung eines
bestimmten Zweckes zum Gehorsam zu nötigen". -- Die erste Androhung muss er-
ledigt sein durch Verhängung der Strafe, bevor eine neue Androhung erfolgt:
Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 21 Abs. 3. Jene Straffestsetzung braucht jedoch nicht auch
rechtskräftig geworden sein: O.V.G. 11. Dez. 1880 (Samml. VII S. 388), woraus
Parey, Rechtsgrundsätze S. 367 n. 4, seltsamerweise das Gegenteil herausliest.
Anders, wenn von vornherein auf jeden einzelnen Fall des Zuwiderhandelns die
Strafe gedacht ist; hier können schliesslich mehrere Strafen zusammengerechnet
und in Einem verhängt werden: O.V.G. 25. Okt. 1886. Vgl. auch Anschütz in
Verw.Arch. I S. 455.

§ 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung.
die Ungehorsamsstrafe ihr Recht. Die Verhängung hat zu unter-
bleiben14.

Die einmal ausgesprochene Strafe schafft ein neues
Rechtsverhältnis des Verurteilten, welches der freien Verfügung der
Behörde nicht mehr unterliegt; sie hat kein Begnadigungsrecht. Die
Geldstrafe bildet den Gegenstand eines Forderungsrechtes des Staates,
auf welches sie nicht verzichten kann; sie wird im administrativen
Zwangsbeitreibungsverfahren vollstreckt. Die etwa erkannte Haft geht
über in die entsprechenden Formen des Strafvollzugs. —

Aber damit ist die Sache noch nicht erledigt. Wenn die Zu-
widerhandlung gegen das Verbot fortdauert, dem Gebote immer
noch nicht genügt wird, steht die Strafe nach ihrer Natur als Zwangs-
mittel der Behörde noch weiter zur Verfügung. Daſs der Thatbestand,
gegen welchen sie sich wendet, einfach der gleiche ist, der nur fort-
dauert, hindert nicht; der Satz ne bis in idem gilt für sie nicht. Die
Strafe kann von neuem angedroht werden für den nämlichen Befehl
und wegen des nämlichen Ungehorsamsfalles, weshalb der Straf-
ausspruch soeben erfolgt ist. Die neue Androhung geschieht gleich-
zeitig mit der Verhängung der verwirkten Strafe oder nachher. Es
ist dem Zwecke widersprechend und deshalb unzulässig, mehrmalige
Androhungen zusammenzusparen und schlieſslich mit einem Male die
Strafen daraus zu verhängen. Denn die Kundgabe der verwirkten
Strafe soll jedesmal die Kraft der neuen Androhung verstärken;
die Verhängung ist, wie erwähnt, selbst als ein Mittel zur Brechung
des Ungehorsams gedacht und muſs als solches gebraucht werden15.

Die Wiederholung der Strafandrohung und Strafverhängung kann
so lange fortgesetzt werden, bis der Zweck erledigt oder aber die
Grenze des der Behörde im ganzen zur Verfügung stehenden Straf-

14 So O.V.G. 31. Jan. 1877, 9. Juni 1877, 20. Juni 1880. — Anders nach
württemb. Rechte: die Strafe ist verwirkt wie die Polizeistrafe; Schicker,
Württemb. Pol.Stf.R. S. 77 Note 2.
15 O.V.G. 10. Juni 1880 (Samml. VII S. 341): die Verhängung der Ungehorsams-
strafe ist selbst „ein Zwangsmittel, um den Betroffenen behufs Erreichung eines
bestimmten Zweckes zum Gehorsam zu nötigen“. — Die erste Androhung muſs er-
ledigt sein durch Verhängung der Strafe, bevor eine neue Androhung erfolgt:
Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 21 Abs. 3. Jene Straffestsetzung braucht jedoch nicht auch
rechtskräftig geworden sein: O.V.G. 11. Dez. 1880 (Samml. VII S. 388), woraus
Parey, Rechtsgrundsätze S. 367 n. 4, seltsamerweise das Gegenteil herausliest.
Anders, wenn von vornherein auf jeden einzelnen Fall des Zuwiderhandelns die
Strafe gedacht ist; hier können schlieſslich mehrere Strafen zusammengerechnet
und in Einem verhängt werden: O.V.G. 25. Okt. 1886. Vgl. auch Anschütz in
Verw.Arch. I S. 455.
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[333/0353] § 23. Polizeiliche Zwangsvollstreckung. die Ungehorsamsstrafe ihr Recht. Die Verhängung hat zu unter- bleiben 14. Die einmal ausgesprochene Strafe schafft ein neues Rechtsverhältnis des Verurteilten, welches der freien Verfügung der Behörde nicht mehr unterliegt; sie hat kein Begnadigungsrecht. Die Geldstrafe bildet den Gegenstand eines Forderungsrechtes des Staates, auf welches sie nicht verzichten kann; sie wird im administrativen Zwangsbeitreibungsverfahren vollstreckt. Die etwa erkannte Haft geht über in die entsprechenden Formen des Strafvollzugs. — Aber damit ist die Sache noch nicht erledigt. Wenn die Zu- widerhandlung gegen das Verbot fortdauert, dem Gebote immer noch nicht genügt wird, steht die Strafe nach ihrer Natur als Zwangs- mittel der Behörde noch weiter zur Verfügung. Daſs der Thatbestand, gegen welchen sie sich wendet, einfach der gleiche ist, der nur fort- dauert, hindert nicht; der Satz ne bis in idem gilt für sie nicht. Die Strafe kann von neuem angedroht werden für den nämlichen Befehl und wegen des nämlichen Ungehorsamsfalles, weshalb der Straf- ausspruch soeben erfolgt ist. Die neue Androhung geschieht gleich- zeitig mit der Verhängung der verwirkten Strafe oder nachher. Es ist dem Zwecke widersprechend und deshalb unzulässig, mehrmalige Androhungen zusammenzusparen und schlieſslich mit einem Male die Strafen daraus zu verhängen. Denn die Kundgabe der verwirkten Strafe soll jedesmal die Kraft der neuen Androhung verstärken; die Verhängung ist, wie erwähnt, selbst als ein Mittel zur Brechung des Ungehorsams gedacht und muſs als solches gebraucht werden 15. Die Wiederholung der Strafandrohung und Strafverhängung kann so lange fortgesetzt werden, bis der Zweck erledigt oder aber die Grenze des der Behörde im ganzen zur Verfügung stehenden Straf- 14 So O.V.G. 31. Jan. 1877, 9. Juni 1877, 20. Juni 1880. — Anders nach württemb. Rechte: die Strafe ist verwirkt wie die Polizeistrafe; Schicker, Württemb. Pol.Stf.R. S. 77 Note 2. 15 O.V.G. 10. Juni 1880 (Samml. VII S. 341): die Verhängung der Ungehorsams- strafe ist selbst „ein Zwangsmittel, um den Betroffenen behufs Erreichung eines bestimmten Zweckes zum Gehorsam zu nötigen“. — Die erste Androhung muſs er- ledigt sein durch Verhängung der Strafe, bevor eine neue Androhung erfolgt: Bayr. Pol.Stf.G.B. Art. 21 Abs. 3. Jene Straffestsetzung braucht jedoch nicht auch rechtskräftig geworden sein: O.V.G. 11. Dez. 1880 (Samml. VII S. 388), woraus Parey, Rechtsgrundsätze S. 367 n. 4, seltsamerweise das Gegenteil herausliest. Anders, wenn von vornherein auf jeden einzelnen Fall des Zuwiderhandelns die Strafe gedacht ist; hier können schlieſslich mehrere Strafen zusammengerechnet und in Einem verhängt werden: O.V.G. 25. Okt. 1886. Vgl. auch Anschütz in Verw.Arch. I S. 455.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/353>, abgerufen am 23.12.2024.