§ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.
recht die entsprechenden Rechtsinstitute entwickelt. Darüber unten in der Lehre von der öffentlichen Dienstpflicht und von den juristischen Personen des öffentlichen Rechtes.
Die also Berufenen sollen nun aber ihrerseits wieder thätig werden nach aussen, namens des Staates, des Selbstverwaltungs- körpers den Unterthanen gegenüber. Ihre Ordnung bedeutet dem- nach eine Form der Einwirkung der öffentlichen Gewalt auf den Unterthanen und ist als solche wiederum verwaltungsrechtlich be- deutsam. Die Gültigkeit der Verwaltungsmassregel kann bedingt sein von der Beobachtung dieser Bestimmungen; es können sogar mit Rücksicht auf die Art der Einwirkungen, die von ihr ausgehen sollen, für die Schaffung der Behörde selbst gewisse Forderungen sich er- geben1. Das verteilt sich aber wieder auf das ganze Verwaltungsrecht als nebensächliche Stücke seiner verschiedenen Ordnungen.
Will man die Behördenordnung als einheitliches Ganze für sich betrachten, so treten diese rein verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkte in den Hintergrund. In rechtlichen Bedingtheiten, die sie dafür schaffen, äussern ja auch die Verfassungsbestimmungen einen gewissen Einfluss auf das Verhältnis in der Verwaltung. Der Schwerpunkt liegt aber bei ihnen in ganz anderen Abgrenzungen menschlicher Willensmacht: auf die Machtstellung der Herrscherfamilie kommt es an, auf die Ansprüche des Volkes und seiner Vertreter, auf politisch bevorzugte Klassen. Das ist's, was dem Verfassungsrecht seine eigne Art giebt. Ganzähnlich steht es mit der Behördenordnung. Die Einzelnen, die darnach zur Thätigkeit berufen werden, sind weit entfernt, blosse Werkzeuge zu sein. Sie haben eine gewisse Selbständigkeit im Ge- brauch der Macht, die ihnen anvertraut ist; das Recht ist darauf ein- gerichtet, diese zu sichern. Hinter ihnen stehen gewisse gesell- schaftliche Mächte, aus denen sie der rechtlichen Ordnung ge- mäss hervorgehen, Berufsstände, wirtschaftliche Klassen, örtliche Ge- meinschaften. Die Verwaltungsorganisation ist zugleich die Form, in welcher diesen ihr Einfluss und ihr Anteil an der Verwaltung zu- gemessen wird. Nur in diesem Zusammenhang ist sie recht zu ver- stehen. Es handelt sich hier um politisches Recht wie bei der Verfassung2. Die Behördenordnung wird deshalb, wie es ja auch
1 Darüber die Ausführungen bei Laband, St.R. I S. 682, 683.
2 Über die Art, wie für die Behandlung des Verfassungsrechts und der Be- hördenordnung der politische Hintergrund juristisch verwertbar wird: Gerber, Grundzüge S. 237 ff. -- Das Vorbild für wissenschaftliche Behandlung der Be- hördenordnung in diesem Sinn hat Gneist gegeben: Engl. V.R. 1883/84; Verwaltung, Justiz, Rechtsweg 1869; der Rechtsstaat 2. Aufl. 1879.
§ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.
recht die entsprechenden Rechtsinstitute entwickelt. Darüber unten in der Lehre von der öffentlichen Dienstpflicht und von den juristischen Personen des öffentlichen Rechtes.
Die also Berufenen sollen nun aber ihrerseits wieder thätig werden nach auſsen, namens des Staates, des Selbstverwaltungs- körpers den Unterthanen gegenüber. Ihre Ordnung bedeutet dem- nach eine Form der Einwirkung der öffentlichen Gewalt auf den Unterthanen und ist als solche wiederum verwaltungsrechtlich be- deutsam. Die Gültigkeit der Verwaltungsmaſsregel kann bedingt sein von der Beobachtung dieser Bestimmungen; es können sogar mit Rücksicht auf die Art der Einwirkungen, die von ihr ausgehen sollen, für die Schaffung der Behörde selbst gewisse Forderungen sich er- geben1. Das verteilt sich aber wieder auf das ganze Verwaltungsrecht als nebensächliche Stücke seiner verschiedenen Ordnungen.
Will man die Behördenordnung als einheitliches Ganze für sich betrachten, so treten diese rein verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkte in den Hintergrund. In rechtlichen Bedingtheiten, die sie dafür schaffen, äuſsern ja auch die Verfassungsbestimmungen einen gewissen Einfluſs auf das Verhältnis in der Verwaltung. Der Schwerpunkt liegt aber bei ihnen in ganz anderen Abgrenzungen menschlicher Willensmacht: auf die Machtstellung der Herrscherfamilie kommt es an, auf die Ansprüche des Volkes und seiner Vertreter, auf politisch bevorzugte Klassen. Das ist’s, was dem Verfassungsrecht seine eigne Art giebt. Ganzähnlich steht es mit der Behördenordnung. Die Einzelnen, die darnach zur Thätigkeit berufen werden, sind weit entfernt, bloſse Werkzeuge zu sein. Sie haben eine gewisse Selbständigkeit im Ge- brauch der Macht, die ihnen anvertraut ist; das Recht ist darauf ein- gerichtet, diese zu sichern. Hinter ihnen stehen gewisse gesell- schaftliche Mächte, aus denen sie der rechtlichen Ordnung ge- mäſs hervorgehen, Berufsstände, wirtschaftliche Klassen, örtliche Ge- meinschaften. Die Verwaltungsorganisation ist zugleich die Form, in welcher diesen ihr Einfluſs und ihr Anteil an der Verwaltung zu- gemessen wird. Nur in diesem Zusammenhang ist sie recht zu ver- stehen. Es handelt sich hier um politisches Recht wie bei der Verfassung2. Die Behördenordnung wird deshalb, wie es ja auch
1 Darüber die Ausführungen bei Laband, St.R. I S. 682, 683.
2 Über die Art, wie für die Behandlung des Verfassungsrechts und der Be- hördenordnung der politische Hintergrund juristisch verwertbar wird: Gerber, Grundzüge S. 237 ff. — Das Vorbild für wissenschaftliche Behandlung der Be- hördenordnung in diesem Sinn hat Gneist gegeben: Engl. V.R. 1883/84; Verwaltung, Justiz, Rechtsweg 1869; der Rechtsstaat 2. Aufl. 1879.
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§ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft.
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in der Lehre von der öffentlichen Dienstpflicht und von den juristischen
Personen des öffentlichen Rechtes.
Die also Berufenen sollen nun aber ihrerseits wieder thätig
werden nach auſsen, namens des Staates, des Selbstverwaltungs-
körpers den Unterthanen gegenüber. Ihre Ordnung bedeutet dem-
nach eine Form der Einwirkung der öffentlichen Gewalt auf den
Unterthanen und ist als solche wiederum verwaltungsrechtlich be-
deutsam. Die Gültigkeit der Verwaltungsmaſsregel kann bedingt sein
von der Beobachtung dieser Bestimmungen; es können sogar mit
Rücksicht auf die Art der Einwirkungen, die von ihr ausgehen sollen,
für die Schaffung der Behörde selbst gewisse Forderungen sich er-
geben 1. Das verteilt sich aber wieder auf das ganze Verwaltungsrecht
als nebensächliche Stücke seiner verschiedenen Ordnungen.
Will man die Behördenordnung als einheitliches Ganze für sich
betrachten, so treten diese rein verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkte
in den Hintergrund. In rechtlichen Bedingtheiten, die sie dafür
schaffen, äuſsern ja auch die Verfassungsbestimmungen einen gewissen
Einfluſs auf das Verhältnis in der Verwaltung. Der Schwerpunkt
liegt aber bei ihnen in ganz anderen Abgrenzungen menschlicher
Willensmacht: auf die Machtstellung der Herrscherfamilie kommt es
an, auf die Ansprüche des Volkes und seiner Vertreter, auf politisch
bevorzugte Klassen. Das ist’s, was dem Verfassungsrecht seine eigne
Art giebt. Ganzähnlich steht es mit der Behördenordnung. Die Einzelnen,
die darnach zur Thätigkeit berufen werden, sind weit entfernt, bloſse
Werkzeuge zu sein. Sie haben eine gewisse Selbständigkeit im Ge-
brauch der Macht, die ihnen anvertraut ist; das Recht ist darauf ein-
gerichtet, diese zu sichern. Hinter ihnen stehen gewisse gesell-
schaftliche Mächte, aus denen sie der rechtlichen Ordnung ge-
mäſs hervorgehen, Berufsstände, wirtschaftliche Klassen, örtliche Ge-
meinschaften. Die Verwaltungsorganisation ist zugleich die Form, in
welcher diesen ihr Einfluſs und ihr Anteil an der Verwaltung zu-
gemessen wird. Nur in diesem Zusammenhang ist sie recht zu ver-
stehen. Es handelt sich hier um politisches Recht wie bei der
Verfassung 2. Die Behördenordnung wird deshalb, wie es ja auch
1 Darüber die Ausführungen bei Laband, St.R. I S. 682, 683.
2 Über die Art, wie für die Behandlung des Verfassungsrechts und der Be-
hördenordnung der politische Hintergrund juristisch verwertbar wird: Gerber,
Grundzüge S. 237 ff. — Das Vorbild für wissenschaftliche Behandlung der Be-
hördenordnung in diesem Sinn hat Gneist gegeben: Engl. V.R. 1883/84; Verwaltung,
Justiz, Rechtsweg 1869; der Rechtsstaat 2. Aufl. 1879.
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/35>, abgerufen am 22.07.2024.
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