4. Einen besonderen Zurücknahmegrund bietet endlich der Fall, dass die Erlaubniserteilung zu Gunsten des Empfängers durch eine rechts- widrige Einwirkung auf den handelnden Beamten herbeigeführt worden ist: durch Betrug, Drohung, Bestechung. Die Erlaubnis wird dadurch nicht von selbst nichtig; ungültig braucht sie ebenfalls nicht zu sein; sie kann noch ganz innerhalb der gesetzlichen Grenzen und namentlich im Bereich des freien Ermessens sich bewegen. Es handelt sich auch nicht um Geltendmachung der Ungültigkeit in einem Nach- prüfungsverfahren, für welches besondere Zuständigkeiten geordnet wären. Vielmehr ist lediglich die Zurücknahme durch die erlaubende Behörde oder für sie durch ihre Vorgesetzten in Frage: die Behörde macht sich frei von der Gebundenheit an die erschlichene Erlaubnis und der Empfänger kann sich um der ihm zuzurechnenden Verfehlung willen nicht darauf berufen; eine Art replicatio doli steht ihm ent- gegen28.
§ 22. Die Polizeistrafe.
Die Strafe ist ein Übel, welches von der öffentlichen Gewalt auf ein missbilligtes Verhalten des Unterthanen gesetzt ist.
Sie findet insbesondere auch Anwendung, wenn die Missbilligung des Verhaltens gerade darauf beruht, dass es als eine Störung der guten Ordnung des Gemeinwesens, als Polizeiwidrigkeit an- gesehen wird.
Im Gegensatz zu der Ungehorsamsstrafe, Exekutivstrafe oder Ordnungsstrafe, welche die Strafe durch Verwaltungsakt im Einzelfall androht zum Zweck der Zwangsvollstreckung (unten § 23, I), verstehen wir unter Polizeistrafe lediglich die durch Rechtssatz angedrohte Strafe, die auf die Polizeiwidrigkeit gesetzt ist, um einzuschärfen, dass sie nicht sein soll.
I. Die Polizeistrafe hat im heutigen Recht den Anschluss an das gemeine Strafrecht gefunden, indem sie den Grundsatz annahm: nulla poena sine lege. Das bedeutet nicht einfach wieder die gesetzliche Grundlage; dieses Erfordernis wäre im Verfassungsstaat gegenüber einem Eingriff in Freiheit und Eigentum, wie die Strafe ihn vorstellt,
28 v. Stengel in Wörterbuch II S. 800; Bad. Verord. v. 12. Juli 1864 § 87. Gegen einen Nachfolger im Unternehmen wird also dieser Zurücknahmegrund nicht wirken.
Die Polizeigewalt.
4. Einen besonderen Zurücknahmegrund bietet endlich der Fall, daſs die Erlaubniserteilung zu Gunsten des Empfängers durch eine rechts- widrige Einwirkung auf den handelnden Beamten herbeigeführt worden ist: durch Betrug, Drohung, Bestechung. Die Erlaubnis wird dadurch nicht von selbst nichtig; ungültig braucht sie ebenfalls nicht zu sein; sie kann noch ganz innerhalb der gesetzlichen Grenzen und namentlich im Bereich des freien Ermessens sich bewegen. Es handelt sich auch nicht um Geltendmachung der Ungültigkeit in einem Nach- prüfungsverfahren, für welches besondere Zuständigkeiten geordnet wären. Vielmehr ist lediglich die Zurücknahme durch die erlaubende Behörde oder für sie durch ihre Vorgesetzten in Frage: die Behörde macht sich frei von der Gebundenheit an die erschlichene Erlaubnis und der Empfänger kann sich um der ihm zuzurechnenden Verfehlung willen nicht darauf berufen; eine Art replicatio doli steht ihm ent- gegen28.
§ 22. Die Polizeistrafe.
Die Strafe ist ein Übel, welches von der öffentlichen Gewalt auf ein miſsbilligtes Verhalten des Unterthanen gesetzt ist.
Sie findet insbesondere auch Anwendung, wenn die Miſsbilligung des Verhaltens gerade darauf beruht, daſs es als eine Störung der guten Ordnung des Gemeinwesens, als Polizeiwidrigkeit an- gesehen wird.
Im Gegensatz zu der Ungehorsamsstrafe, Exekutivstrafe oder Ordnungsstrafe, welche die Strafe durch Verwaltungsakt im Einzelfall androht zum Zweck der Zwangsvollstreckung (unten § 23, I), verstehen wir unter Polizeistrafe lediglich die durch Rechtssatz angedrohte Strafe, die auf die Polizeiwidrigkeit gesetzt ist, um einzuschärfen, daſs sie nicht sein soll.
I. Die Polizeistrafe hat im heutigen Recht den Anschluſs an das gemeine Strafrecht gefunden, indem sie den Grundsatz annahm: nulla poena sine lege. Das bedeutet nicht einfach wieder die gesetzliche Grundlage; dieses Erfordernis wäre im Verfassungsstaat gegenüber einem Eingriff in Freiheit und Eigentum, wie die Strafe ihn vorstellt,
28 v. Stengel in Wörterbuch II S. 800; Bad. Verord. v. 12. Juli 1864 § 87. Gegen einen Nachfolger im Unternehmen wird also dieser Zurücknahmegrund nicht wirken.
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[306/0326]
Die Polizeigewalt.
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die Erlaubniserteilung zu Gunsten des Empfängers durch eine rechts-
widrige Einwirkung auf den handelnden Beamten herbeigeführt
worden ist: durch Betrug, Drohung, Bestechung. Die Erlaubnis wird
dadurch nicht von selbst nichtig; ungültig braucht sie ebenfalls nicht
zu sein; sie kann noch ganz innerhalb der gesetzlichen Grenzen und
namentlich im Bereich des freien Ermessens sich bewegen. Es handelt
sich auch nicht um Geltendmachung der Ungültigkeit in einem Nach-
prüfungsverfahren, für welches besondere Zuständigkeiten geordnet
wären. Vielmehr ist lediglich die Zurücknahme durch die erlaubende
Behörde oder für sie durch ihre Vorgesetzten in Frage: die Behörde
macht sich frei von der Gebundenheit an die erschlichene Erlaubnis
und der Empfänger kann sich um der ihm zuzurechnenden Verfehlung
willen nicht darauf berufen; eine Art replicatio doli steht ihm ent-
gegen 28.
§ 22.
Die Polizeistrafe.
Die Strafe ist ein Übel, welches von der öffentlichen Gewalt
auf ein miſsbilligtes Verhalten des Unterthanen gesetzt ist.
Sie findet insbesondere auch Anwendung, wenn die Miſsbilligung
des Verhaltens gerade darauf beruht, daſs es als eine Störung der
guten Ordnung des Gemeinwesens, als Polizeiwidrigkeit an-
gesehen wird.
Im Gegensatz zu der Ungehorsamsstrafe, Exekutivstrafe oder
Ordnungsstrafe, welche die Strafe durch Verwaltungsakt im Einzelfall
androht zum Zweck der Zwangsvollstreckung (unten § 23, I), verstehen
wir unter Polizeistrafe lediglich die durch Rechtssatz angedrohte
Strafe, die auf die Polizeiwidrigkeit gesetzt ist, um einzuschärfen, daſs
sie nicht sein soll.
I. Die Polizeistrafe hat im heutigen Recht den Anschluſs an das
gemeine Strafrecht gefunden, indem sie den Grundsatz annahm: nulla
poena sine lege. Das bedeutet nicht einfach wieder die gesetzliche
Grundlage; dieses Erfordernis wäre im Verfassungsstaat gegenüber
einem Eingriff in Freiheit und Eigentum, wie die Strafe ihn vorstellt,
28 v. Stengel in Wörterbuch II S. 800; Bad. Verord. v. 12. Juli 1864 § 87.
Gegen einen Nachfolger im Unternehmen wird also dieser Zurücknahmegrund nicht
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/326>, abgerufen am 22.12.2024.
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