Im einzelnen entfaltet sich das Rechtsinstitut unter diesem Satze folgendermassen.
I. Der Polizeibefehl kommt zur Erscheinung in zwei Haupt- arten: als allgemeine Regel und als Bestimmung des Einzelfalls, Rechtssatz und Verwaltungsakt.
Beides kann in der Form des Gesetzes gegeben werden; nur ist dieses seiner Natur nach zur Ordnung des Einzelfalls weniger ge- eignet, wird auch im gewöhnlichen Gang der Dinge nicht leicht dazu greifen. Wie wir unter Verwaltungsgesetz ein solches verstehen, das einen Rechtssatz für die Verwaltung enthält (oben S. 119), so verstehen wir unter Polizeigesetz ein solches mit einem Rechtssatz polizeilicher Art. Es können noch andere polizeiliche Anordnungen in gesetzlichen Rechts- sätzen gegeben werden als Befehle; wenn wir von Polizeigesetz schlechthin sprechen, so ist ein Gesetz gemeint, welches mit seiner allgemein bindenden Kraft einen Polizeibefehl aufstellt, einen gesetz- lichen Polizeibefehlsrechtssatz.
Beides, Rechtssatz und Einzelbefehl, erscheint aber auch als Willenserklärung der vollziehenden Gewalt und zwar hier eines so gut wie das andere, auch äusserlich wohl unterschieden.
Die Verordnung als Willenserklärung eines Gliedes der voll- ziehenden Gewalt zur Ausübung der ihm übertragenen Fähigkeit, namens des Staates bindende Regeln aufzustellen, hat ihr wichtigstes Feld auf dem Gebiete der Polizei, wo sie ihrer Natur nach in Rechts- sätzen zu wirken berufen ist. Diese Rechtssätze sind hauptsächlich Befehle. Wenn wir von Polizeiverordnung schlechthin sprechen, so verstehen wir darunter eine solche, die einen Polizeibefehlsrechts- satz enthält.
Der Verwaltungsakt, der einen Polizeibefehl für den Einzelfall enthält, bleibt wegen der erwähnten Selbstbeschränkung des Gesetzes thatsächlich der vollziehenden Gewalt allein. Er ist als Entscheidung wie als Verfügung denkbar, thatsächlich überwiegt die Verfügung. Wenn man von Polizeiverfügung spricht, so versteht man dar- unter einen Verwaltungsakt mit Polizeibefehl oder auch mit Gewäh- rung oder Versagung einer Polizeierlaubnis; das letztere geht uns hier vorerst noch nicht an.
Vom Standpunkt des Rechtsstaates aus ist es nicht gleich- gültig, in welcher Weise diese verschiedenen Erscheinungsarten des Polizeibefehls zur Verwendung kommen.
Die Forderung ist, dass alles möglichst durch Rechtssatz, also Polizeigesetz und Polizeiverordnung bestimmt sei (oben S. 66). Verfassungsrechtlich ist es zweifellos zulässig, dass ein Gesetz Polizei-
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 18
§ 20. Der Polizeibefehl.
Im einzelnen entfaltet sich das Rechtsinstitut unter diesem Satze folgendermaſsen.
I. Der Polizeibefehl kommt zur Erscheinung in zwei Haupt- arten: als allgemeine Regel und als Bestimmung des Einzelfalls, Rechtssatz und Verwaltungsakt.
Beides kann in der Form des Gesetzes gegeben werden; nur ist dieses seiner Natur nach zur Ordnung des Einzelfalls weniger ge- eignet, wird auch im gewöhnlichen Gang der Dinge nicht leicht dazu greifen. Wie wir unter Verwaltungsgesetz ein solches verstehen, das einen Rechtssatz für die Verwaltung enthält (oben S. 119), so verstehen wir unter Polizeigesetz ein solches mit einem Rechtssatz polizeilicher Art. Es können noch andere polizeiliche Anordnungen in gesetzlichen Rechts- sätzen gegeben werden als Befehle; wenn wir von Polizeigesetz schlechthin sprechen, so ist ein Gesetz gemeint, welches mit seiner allgemein bindenden Kraft einen Polizeibefehl aufstellt, einen gesetz- lichen Polizeibefehlsrechtssatz.
Beides, Rechtssatz und Einzelbefehl, erscheint aber auch als Willenserklärung der vollziehenden Gewalt und zwar hier eines so gut wie das andere, auch äuſserlich wohl unterschieden.
Die Verordnung als Willenserklärung eines Gliedes der voll- ziehenden Gewalt zur Ausübung der ihm übertragenen Fähigkeit, namens des Staates bindende Regeln aufzustellen, hat ihr wichtigstes Feld auf dem Gebiete der Polizei, wo sie ihrer Natur nach in Rechts- sätzen zu wirken berufen ist. Diese Rechtssätze sind hauptsächlich Befehle. Wenn wir von Polizeiverordnung schlechthin sprechen, so verstehen wir darunter eine solche, die einen Polizeibefehlsrechts- satz enthält.
Der Verwaltungsakt, der einen Polizeibefehl für den Einzelfall enthält, bleibt wegen der erwähnten Selbstbeschränkung des Gesetzes thatsächlich der vollziehenden Gewalt allein. Er ist als Entscheidung wie als Verfügung denkbar, thatsächlich überwiegt die Verfügung. Wenn man von Polizeiverfügung spricht, so versteht man dar- unter einen Verwaltungsakt mit Polizeibefehl oder auch mit Gewäh- rung oder Versagung einer Polizeierlaubnis; das letztere geht uns hier vorerst noch nicht an.
Vom Standpunkt des Rechtsstaates aus ist es nicht gleich- gültig, in welcher Weise diese verschiedenen Erscheinungsarten des Polizeibefehls zur Verwendung kommen.
Die Forderung ist, daſs alles möglichst durch Rechtssatz, also Polizeigesetz und Polizeiverordnung bestimmt sei (oben S. 66). Verfassungsrechtlich ist es zweifellos zulässig, daſs ein Gesetz Polizei-
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 18
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§ 20. Der Polizeibefehl.
Im einzelnen entfaltet sich das Rechtsinstitut unter diesem Satze
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I. Der Polizeibefehl kommt zur Erscheinung in zwei Haupt-
arten: als allgemeine Regel und als Bestimmung des Einzelfalls,
Rechtssatz und Verwaltungsakt.
Beides kann in der Form des Gesetzes gegeben werden; nur
ist dieses seiner Natur nach zur Ordnung des Einzelfalls weniger ge-
eignet, wird auch im gewöhnlichen Gang der Dinge nicht leicht dazu
greifen. Wie wir unter Verwaltungsgesetz ein solches verstehen, das
einen Rechtssatz für die Verwaltung enthält (oben S. 119), so verstehen
wir unter Polizeigesetz ein solches mit einem Rechtssatz polizeilicher Art.
Es können noch andere polizeiliche Anordnungen in gesetzlichen Rechts-
sätzen gegeben werden als Befehle; wenn wir von Polizeigesetz
schlechthin sprechen, so ist ein Gesetz gemeint, welches mit seiner
allgemein bindenden Kraft einen Polizeibefehl aufstellt, einen gesetz-
lichen Polizeibefehlsrechtssatz.
Beides, Rechtssatz und Einzelbefehl, erscheint aber auch als
Willenserklärung der vollziehenden Gewalt und zwar hier eines so
gut wie das andere, auch äuſserlich wohl unterschieden.
Die Verordnung als Willenserklärung eines Gliedes der voll-
ziehenden Gewalt zur Ausübung der ihm übertragenen Fähigkeit,
namens des Staates bindende Regeln aufzustellen, hat ihr wichtigstes
Feld auf dem Gebiete der Polizei, wo sie ihrer Natur nach in Rechts-
sätzen zu wirken berufen ist. Diese Rechtssätze sind hauptsächlich
Befehle. Wenn wir von Polizeiverordnung schlechthin sprechen,
so verstehen wir darunter eine solche, die einen Polizeibefehlsrechts-
satz enthält.
Der Verwaltungsakt, der einen Polizeibefehl für den Einzelfall
enthält, bleibt wegen der erwähnten Selbstbeschränkung des Gesetzes
thatsächlich der vollziehenden Gewalt allein. Er ist als Entscheidung
wie als Verfügung denkbar, thatsächlich überwiegt die Verfügung.
Wenn man von Polizeiverfügung spricht, so versteht man dar-
unter einen Verwaltungsakt mit Polizeibefehl oder auch mit Gewäh-
rung oder Versagung einer Polizeierlaubnis; das letztere geht uns hier
vorerst noch nicht an.
Vom Standpunkt des Rechtsstaates aus ist es nicht gleich-
gültig, in welcher Weise diese verschiedenen Erscheinungsarten des
Polizeibefehls zur Verwendung kommen.
Die Forderung ist, daſs alles möglichst durch Rechtssatz, also
Polizeigesetz und Polizeiverordnung bestimmt sei (oben S. 66).
Verfassungsrechtlich ist es zweifellos zulässig, daſs ein Gesetz Polizei-
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/293>, abgerufen am 23.12.2024.
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