sie von Amtswegen gewidmet sein soll oder welche sie für sich in Anspruch nehmen: obervormundschaftliche Überwachung, Auseinander- setzung von Verlassenschaften, Beurkundung von Rechtsgeschäften, Führung von Grund- und Hypothekenbüchern. Die Verabsäumung der Dienstpflicht in diesen Dingen macht nicht bloss dienstrechtlich ver- antwortlich dem Staat gegenüber, sondern auch civilrechtlich den Einzelnen gegenüber, welchen sie zu gute kommen sollte14.
Diese Haftung hängt nicht an der persönlichen Stellung des Richters, sondern lediglich an der Richtung des Dienstauftrags auf den Vorteil des Einzelnen. Wo derartiges auf dem Gebiete der Ver- waltung erscheint, müssen die gleichen Regeln gelten. Wir sehen sie deshalb in grossem Massstabe zur Anwendung kommen bei dem Betrieb der öffentlichen Anstalten, die ihre Nutzungen den Einzelnen ge- währen sollen. Wenn es geschieht in der Form civilrechtlicher Ver- träge, haftet für die Nichterfüllung dem Einzelnen, der dadurch ge- schädigt wird, der Staat, dem Staate sein Beamter. Wenn es aber geschieht in Formen des öffentlichen Rechts, entsteht wieder jene un- mittelbare Haftung des Beamten dem Einzelnen gegenüber aus ver- letzter Dienstpflicht. In der Lehre von der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung wird das genauer auszuführen sein15. Auch die civil-
14Foerster-Eccius, Preuss. Pr.R. II S. 541 Note 33; R.G. 10. Juni 1887 (Samml. 22 S. 235). Den Gegensatz zu dieser fürsorgenden Thätigkeit für den Einzelnen, zu diesem Dienstleisten, bildet die Handhabung der obrigkeitlichen Ge- walt über den Einzelnen. Die richtige Grenzlinie hat Pfizer, a. a. O. S. 105, verfehlt, indem er zu letzterer nur die Thätigkeit des Strafrichters und Polizei- beamten, nicht aber auch die des Spruchrichters in Civilsachen zählt; dieser soll bei ihm, im Widerspruche mit dem geltenden Rechte, strenger als jene, nämlich quasi ex contractu, haften; in Wahrheit steht er den beiden andern gleich. Die nämliche falsche Auffassung scheint übrigens auch in den Mot. zu B.G.B. II S. 824 zum Ausdruck zu kommen.
15 Dahin gehört die Haftung der Post- und Telegraphenbeamten wegen des Schadens, den sie dem Absender durch Nichtbesorgung der ihnen dienstlich ob- liegenden Geschäfte zufügen; hat man doch sogar diese Geltendmachung der Pflicht- verletzung gegenüber dem Staat durch den Dritten auf eine actio cessa zurück- führen wollen: Meili, Haftpflicht der Postanstalten S. 141 ff. -- Wegen Unrichtig- keit der erteilten amtlichen Auskunft oder des ausgestellten Zeugnisses haftet der dazu im Interesse der Beteiligten bestellte Beamte: Pfizer, Arch. f. civ. Pr. 72 S. 96 ff. -- O.Tr. 22. Juni 1857 (Str. 25 S. 236) macht den Rechnungsrat, der die Vermessungsarbeiten bei einer Separation leitet, für den Schaden verantwortlich, den die Beteiligten durch seinen Irrtum erlitten haben. -- Nicht haftet der Be- amte für Vernachlässigung einer Dienstpflicht, die nicht in solcher Weise dem be- stimmten Einzelnen gewidmet ist, auch wenn ein Einzelner Schaden daraus hat. C.C.H. 13. Febr. 1864 (J.M.Bl. 1864 S. 93): das Brückengeländer war nicht im Stand,
§ 17. Civilrechtliche Haftung aus Amtshandlungen.
sie von Amtswegen gewidmet sein soll oder welche sie für sich in Anspruch nehmen: obervormundschaftliche Überwachung, Auseinander- setzung von Verlassenschaften, Beurkundung von Rechtsgeschäften, Führung von Grund- und Hypothekenbüchern. Die Verabsäumung der Dienstpflicht in diesen Dingen macht nicht bloſs dienstrechtlich ver- antwortlich dem Staat gegenüber, sondern auch civilrechtlich den Einzelnen gegenüber, welchen sie zu gute kommen sollte14.
Diese Haftung hängt nicht an der persönlichen Stellung des Richters, sondern lediglich an der Richtung des Dienstauftrags auf den Vorteil des Einzelnen. Wo derartiges auf dem Gebiete der Ver- waltung erscheint, müssen die gleichen Regeln gelten. Wir sehen sie deshalb in groſsem Maſsstabe zur Anwendung kommen bei dem Betrieb der öffentlichen Anstalten, die ihre Nutzungen den Einzelnen ge- währen sollen. Wenn es geschieht in der Form civilrechtlicher Ver- träge, haftet für die Nichterfüllung dem Einzelnen, der dadurch ge- schädigt wird, der Staat, dem Staate sein Beamter. Wenn es aber geschieht in Formen des öffentlichen Rechts, entsteht wieder jene un- mittelbare Haftung des Beamten dem Einzelnen gegenüber aus ver- letzter Dienstpflicht. In der Lehre von der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung wird das genauer auszuführen sein15. Auch die civil-
14Foerster-Eccius, Preuſs. Pr.R. II S. 541 Note 33; R.G. 10. Juni 1887 (Samml. 22 S. 235). Den Gegensatz zu dieser fürsorgenden Thätigkeit für den Einzelnen, zu diesem Dienstleisten, bildet die Handhabung der obrigkeitlichen Ge- walt über den Einzelnen. Die richtige Grenzlinie hat Pfizer, a. a. O. S. 105, verfehlt, indem er zu letzterer nur die Thätigkeit des Strafrichters und Polizei- beamten, nicht aber auch die des Spruchrichters in Civilsachen zählt; dieser soll bei ihm, im Widerspruche mit dem geltenden Rechte, strenger als jene, nämlich quasi ex contractu, haften; in Wahrheit steht er den beiden andern gleich. Die nämliche falsche Auffassung scheint übrigens auch in den Mot. zu B.G.B. II S. 824 zum Ausdruck zu kommen.
15 Dahin gehört die Haftung der Post- und Telegraphenbeamten wegen des Schadens, den sie dem Absender durch Nichtbesorgung der ihnen dienstlich ob- liegenden Geschäfte zufügen; hat man doch sogar diese Geltendmachung der Pflicht- verletzung gegenüber dem Staat durch den Dritten auf eine actio cessa zurück- führen wollen: Meili, Haftpflicht der Postanstalten S. 141 ff. — Wegen Unrichtig- keit der erteilten amtlichen Auskunft oder des ausgestellten Zeugnisses haftet der dazu im Interesse der Beteiligten bestellte Beamte: Pfizer, Arch. f. civ. Pr. 72 S. 96 ff. — O.Tr. 22. Juni 1857 (Str. 25 S. 236) macht den Rechnungsrat, der die Vermessungsarbeiten bei einer Separation leitet, für den Schaden verantwortlich, den die Beteiligten durch seinen Irrtum erlitten haben. — Nicht haftet der Be- amte für Vernachlässigung einer Dienstpflicht, die nicht in solcher Weise dem be- stimmten Einzelnen gewidmet ist, auch wenn ein Einzelner Schaden daraus hat. C.C.H. 13. Febr. 1864 (J.M.Bl. 1864 S. 93): das Brückengeländer war nicht im Stand,
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sie von Amtswegen gewidmet sein soll oder welche sie für sich in
Anspruch nehmen: obervormundschaftliche Überwachung, Auseinander-
setzung von Verlassenschaften, Beurkundung von Rechtsgeschäften,
Führung von Grund- und Hypothekenbüchern. Die Verabsäumung der
Dienstpflicht in diesen Dingen macht nicht bloſs dienstrechtlich ver-
antwortlich dem Staat gegenüber, sondern auch civilrechtlich den
Einzelnen gegenüber, welchen sie zu gute kommen sollte 14.
Diese Haftung hängt nicht an der persönlichen Stellung des
Richters, sondern lediglich an der Richtung des Dienstauftrags auf
den Vorteil des Einzelnen. Wo derartiges auf dem Gebiete der Ver-
waltung erscheint, müssen die gleichen Regeln gelten. Wir sehen sie
deshalb in groſsem Maſsstabe zur Anwendung kommen bei dem Betrieb
der öffentlichen Anstalten, die ihre Nutzungen den Einzelnen ge-
währen sollen. Wenn es geschieht in der Form civilrechtlicher Ver-
träge, haftet für die Nichterfüllung dem Einzelnen, der dadurch ge-
schädigt wird, der Staat, dem Staate sein Beamter. Wenn es aber
geschieht in Formen des öffentlichen Rechts, entsteht wieder jene un-
mittelbare Haftung des Beamten dem Einzelnen gegenüber aus ver-
letzter Dienstpflicht. In der Lehre von der öffentlichrechtlichen
Anstaltsnutzung wird das genauer auszuführen sein 15. Auch die civil-
14 Foerster-Eccius, Preuſs. Pr.R. II S. 541 Note 33; R.G. 10. Juni 1887
(Samml. 22 S. 235). Den Gegensatz zu dieser fürsorgenden Thätigkeit für den
Einzelnen, zu diesem Dienstleisten, bildet die Handhabung der obrigkeitlichen Ge-
walt über den Einzelnen. Die richtige Grenzlinie hat Pfizer, a. a. O. S. 105,
verfehlt, indem er zu letzterer nur die Thätigkeit des Strafrichters und Polizei-
beamten, nicht aber auch die des Spruchrichters in Civilsachen zählt; dieser soll
bei ihm, im Widerspruche mit dem geltenden Rechte, strenger als jene, nämlich
quasi ex contractu, haften; in Wahrheit steht er den beiden andern gleich. Die
nämliche falsche Auffassung scheint übrigens auch in den Mot. zu B.G.B. II S. 824
zum Ausdruck zu kommen.
15 Dahin gehört die Haftung der Post- und Telegraphenbeamten wegen des
Schadens, den sie dem Absender durch Nichtbesorgung der ihnen dienstlich ob-
liegenden Geschäfte zufügen; hat man doch sogar diese Geltendmachung der Pflicht-
verletzung gegenüber dem Staat durch den Dritten auf eine actio cessa zurück-
führen wollen: Meili, Haftpflicht der Postanstalten S. 141 ff. — Wegen Unrichtig-
keit der erteilten amtlichen Auskunft oder des ausgestellten Zeugnisses haftet der
dazu im Interesse der Beteiligten bestellte Beamte: Pfizer, Arch. f. civ. Pr. 72
S. 96 ff. — O.Tr. 22. Juni 1857 (Str. 25 S. 236) macht den Rechnungsrat, der die
Vermessungsarbeiten bei einer Separation leitet, für den Schaden verantwortlich,
den die Beteiligten durch seinen Irrtum erlitten haben. — Nicht haftet der Be-
amte für Vernachlässigung einer Dienstpflicht, die nicht in solcher Weise dem be-
stimmten Einzelnen gewidmet ist, auch wenn ein Einzelner Schaden daraus hat.
C.C.H. 13. Febr. 1864 (J.M.Bl. 1864 S. 93): das Brückengeländer war nicht im Stand,
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/253>, abgerufen am 11.01.2025.
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