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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
wie auf Berufung, so knüpft sich daran für die andere Seite des
freien Ermessens zugleich eine Nachprüfung wie auf Rekurs wegen
Machtüberschreitung im Sinne des französischen Rechtsinstituts. Da-
durch bleibt es immer noch eine beschränkte Rechtspflege, wenn sie
auch verhältnismässig weit in das Gebiet des freien Ermessens hinein
reicht29. --

Das alles erhält noch eine Ergänzung aus einem anderen Gesichts-
punkte. Die Rechtspflege des obersten Verwaltungsgerichts hat näm-
lich naturgemäss eine gewisse Abneigung gegen neue Beweis-
erhebungen,
mit welchen dieses Gericht belastet werden sollte.

Solche sind zum Teil schon ausgeschlossen durch die Natur des
Rechtsmittels und der Nachprüfung, die daraufhin zu handhaben ist.
Die Kassation, Revision oder Nichtigkeitsbeschwerde hat zum obersten
Zweck die Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit der Gesetzesauslegung.
Dass sie zugleich den Beteiligten zu Gute kommt, ist mehr nur ge-
dacht als ein Anreiz für diese, um sie zur Mitarbeiterschaft an dieser
Überwachung heranzuziehen. Deshalb kommt es hier nur darauf an,
ob aus dem angefochtenen Urteile selbst der Rechtsirrtum erkennbar
wird; der Thatbestand wird bei dieser Prüfung einfach genommen, wie
es ihn festgestellt hat30. In gleicher Weise wird verfahren bei dem
französischen Rekurs wegen Machtüberschreitung; er will nur die
Grenzen der behördlichen Vollmachten einschärfen31.

in abstracto möglich. Den Gegensatz zu letzterem bildet nach O.V.G. 26. Juli
1880 (Samml. X S. 267) der Fall, wo die Verfügung "ganz abwegig und zur Er-
reichung des erstrebten Zieles ungeeignet ist". Diese wäre also aufzuheben; da-
gegen ist nach O.V.G. 21. März 1879 (Samml. II S. 393) die Anfechtungsklage un-
wirksam, "wenn nur überhaupt der Vorwurf erhoben wird, die Behörde habe von
dem ihr zustehenden freien Ermessen einen verhältnismässig zu weit reichenden,
den Umständen nicht entsprechenden Gebrauch gemacht".
29 Tezner, Lehre v. freiem Ermessen S. 70 ff., hat diese Eigentümlichkeit
des Rechtsmittels wohl herausgefunden, wenn er daran hervorhebt "die entschlossene
und bewusste Verwerfung der Theorie von dem unüberprüfbaren verwaltungstech-
nischen Ermessen". -- Eben deshalb ist es nicht zufällig, dass Ziff. 2 des § 127
Abs. 2 nicht wiederholt, der Kläger müsse in seinen Rechten verletzt sein; diese
Worte müssen auch keineswegs etwa aus der Ziff. 1 heruntergenommen werden,
wie v. Stengel, Organis. Ges. S. 474, und v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 132,
meinen. "In seinen Rechten" bedeutet doch zum mindesten rechtlich umhegte
Interessen und solche giebt es bekanntlich nicht, wo das freie Ermessen der
Behörde waltet. Dass auch dieses zum Schutze des einfachen rein thatsächlichen
Interesses nachgeprüft wird, das eben ist hier das Besondere.
30 Das gilt für die verwaltungsgerichtliche Revision (oben Note 24) wie für
die civilgerichtliche: v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 95 Note 168.
31 Wie die Kassation; vgl. oben Note 18.

Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
wie auf Berufung, so knüpft sich daran für die andere Seite des
freien Ermessens zugleich eine Nachprüfung wie auf Rekurs wegen
Machtüberschreitung im Sinne des französischen Rechtsinstituts. Da-
durch bleibt es immer noch eine beschränkte Rechtspflege, wenn sie
auch verhältnismäſsig weit in das Gebiet des freien Ermessens hinein
reicht29. —

Das alles erhält noch eine Ergänzung aus einem anderen Gesichts-
punkte. Die Rechtspflege des obersten Verwaltungsgerichts hat näm-
lich naturgemäſs eine gewisse Abneigung gegen neue Beweis-
erhebungen,
mit welchen dieses Gericht belastet werden sollte.

Solche sind zum Teil schon ausgeschlossen durch die Natur des
Rechtsmittels und der Nachprüfung, die daraufhin zu handhaben ist.
Die Kassation, Revision oder Nichtigkeitsbeschwerde hat zum obersten
Zweck die Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit der Gesetzesauslegung.
Daſs sie zugleich den Beteiligten zu Gute kommt, ist mehr nur ge-
dacht als ein Anreiz für diese, um sie zur Mitarbeiterschaft an dieser
Überwachung heranzuziehen. Deshalb kommt es hier nur darauf an,
ob aus dem angefochtenen Urteile selbst der Rechtsirrtum erkennbar
wird; der Thatbestand wird bei dieser Prüfung einfach genommen, wie
es ihn festgestellt hat30. In gleicher Weise wird verfahren bei dem
französischen Rekurs wegen Machtüberschreitung; er will nur die
Grenzen der behördlichen Vollmachten einschärfen31.

in abstracto möglich. Den Gegensatz zu letzterem bildet nach O.V.G. 26. Juli
1880 (Samml. X S. 267) der Fall, wo die Verfügung „ganz abwegig und zur Er-
reichung des erstrebten Zieles ungeeignet ist“. Diese wäre also aufzuheben; da-
gegen ist nach O.V.G. 21. März 1879 (Samml. II S. 393) die Anfechtungsklage un-
wirksam, „wenn nur überhaupt der Vorwurf erhoben wird, die Behörde habe von
dem ihr zustehenden freien Ermessen einen verhältnismäſsig zu weit reichenden,
den Umständen nicht entsprechenden Gebrauch gemacht“.
29 Tezner, Lehre v. freiem Ermessen S. 70 ff., hat diese Eigentümlichkeit
des Rechtsmittels wohl herausgefunden, wenn er daran hervorhebt „die entschlossene
und bewuſste Verwerfung der Theorie von dem unüberprüfbaren verwaltungstech-
nischen Ermessen“. — Eben deshalb ist es nicht zufällig, daſs Ziff. 2 des § 127
Abs. 2 nicht wiederholt, der Kläger müsse in seinen Rechten verletzt sein; diese
Worte müssen auch keineswegs etwa aus der Ziff. 1 heruntergenommen werden,
wie v. Stengel, Organis. Ges. S. 474, und v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 132,
meinen. „In seinen Rechten“ bedeutet doch zum mindesten rechtlich umhegte
Interessen und solche giebt es bekanntlich nicht, wo das freie Ermessen der
Behörde waltet. Daſs auch dieses zum Schutze des einfachen rein thatsächlichen
Interesses nachgeprüft wird, das eben ist hier das Besondere.
30 Das gilt für die verwaltungsgerichtliche Revision (oben Note 24) wie für
die civilgerichtliche: v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 95 Note 168.
31 Wie die Kassation; vgl. oben Note 18.
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[194/0214] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. wie auf Berufung, so knüpft sich daran für die andere Seite des freien Ermessens zugleich eine Nachprüfung wie auf Rekurs wegen Machtüberschreitung im Sinne des französischen Rechtsinstituts. Da- durch bleibt es immer noch eine beschränkte Rechtspflege, wenn sie auch verhältnismäſsig weit in das Gebiet des freien Ermessens hinein reicht 29. — Das alles erhält noch eine Ergänzung aus einem anderen Gesichts- punkte. Die Rechtspflege des obersten Verwaltungsgerichts hat näm- lich naturgemäſs eine gewisse Abneigung gegen neue Beweis- erhebungen, mit welchen dieses Gericht belastet werden sollte. Solche sind zum Teil schon ausgeschlossen durch die Natur des Rechtsmittels und der Nachprüfung, die daraufhin zu handhaben ist. Die Kassation, Revision oder Nichtigkeitsbeschwerde hat zum obersten Zweck die Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit der Gesetzesauslegung. Daſs sie zugleich den Beteiligten zu Gute kommt, ist mehr nur ge- dacht als ein Anreiz für diese, um sie zur Mitarbeiterschaft an dieser Überwachung heranzuziehen. Deshalb kommt es hier nur darauf an, ob aus dem angefochtenen Urteile selbst der Rechtsirrtum erkennbar wird; der Thatbestand wird bei dieser Prüfung einfach genommen, wie es ihn festgestellt hat 30. In gleicher Weise wird verfahren bei dem französischen Rekurs wegen Machtüberschreitung; er will nur die Grenzen der behördlichen Vollmachten einschärfen 31. 28 29 Tezner, Lehre v. freiem Ermessen S. 70 ff., hat diese Eigentümlichkeit des Rechtsmittels wohl herausgefunden, wenn er daran hervorhebt „die entschlossene und bewuſste Verwerfung der Theorie von dem unüberprüfbaren verwaltungstech- nischen Ermessen“. — Eben deshalb ist es nicht zufällig, daſs Ziff. 2 des § 127 Abs. 2 nicht wiederholt, der Kläger müsse in seinen Rechten verletzt sein; diese Worte müssen auch keineswegs etwa aus der Ziff. 1 heruntergenommen werden, wie v. Stengel, Organis. Ges. S. 474, und v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 132, meinen. „In seinen Rechten“ bedeutet doch zum mindesten rechtlich umhegte Interessen und solche giebt es bekanntlich nicht, wo das freie Ermessen der Behörde waltet. Daſs auch dieses zum Schutze des einfachen rein thatsächlichen Interesses nachgeprüft wird, das eben ist hier das Besondere. 30 Das gilt für die verwaltungsgerichtliche Revision (oben Note 24) wie für die civilgerichtliche: v. Brauchitsch, V.Gesetze I S. 95 Note 168. 31 Wie die Kassation; vgl. oben Note 18. 28 in abstracto möglich. Den Gegensatz zu letzterem bildet nach O.V.G. 26. Juli 1880 (Samml. X S. 267) der Fall, wo die Verfügung „ganz abwegig und zur Er- reichung des erstrebten Zieles ungeeignet ist“. Diese wäre also aufzuheben; da- gegen ist nach O.V.G. 21. März 1879 (Samml. II S. 393) die Anfechtungsklage un- wirksam, „wenn nur überhaupt der Vorwurf erhoben wird, die Behörde habe von dem ihr zustehenden freien Ermessen einen verhältnismäſsig zu weit reichenden, den Umständen nicht entsprechenden Gebrauch gemacht“.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/214>, abgerufen am 23.12.2024.