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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 14. Arten der Verwaltungsstreitsachen.
der Verwaltungsrechtspflege geben. Alle dabei Zugelassenen werden
alsdann Parteien und die Rechtspflege bekommt dadurch wieder die
Zweiseitigkeit der entgegengesetzten Wirkung16.

In diesen Fällen kann auch der Staat selbst, sofern er wie ein
Privater in der Verbandlast steht oder an dem ergehenden Akte der
zweiten Art beteiligt ist, als Fiskus in dem Verfahren auftreten und
er ist dann eine richtige Partei wie eine andere mit allen Folgen,
die diese Stellung mit sich bringt17.

3. Wir können auf dem Gebiete des Civilprozesses eine volle
und eine beschränkte Rechtspflege unterscheiden, je nach dem
Umfange, in welchem sie ihren Fall erfasst. Das Regelmässige ist,
dass sie das ganze Verhältnis der Parteien, wie es ihr vorgelegt ist,
in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung prüft und danach aus-
spricht, was zwischen ihnen Rechtens ist. Ausnahmsweise ist die
Aufgabe des Richters gesetzlich darauf beschränkt, an den ihm vor-
gelegten Verhältnissen nur eine bestimmte Seite zu prüfen und nur
darüber seinen Ausspruch zu thun. Das ist der Fall bei dem Rechts-
mittel der Revision: geprüft wird nur die Rechtsanwendung und
festgestellt durch das Urteil nur die rechtliche Beurteilung des
Falles18.

16 Ein Hauptbeispiel bietet die Verwaltungsrechtspflege über Erteilung polizei-
licher Erlaubnis zu Gewerbeanlagen beim Einspruch Dritter; Gew.O. § 19 ff.;
Landmann, Komment. I S. 166 ff.
17 Nach Seydel, Bayr. St.R. II S. 482, würden auch die Prozesse über Ge-
bühren und Erbschaftssteuern vor den sogenannten verwaltungsrechtlichen Senaten
der Regierungsfinanzkammern ein Beispiel sein. Ein Staatsanwalt vertritt hier
das Ärar, d. h. die Staatsgewalt. Eine Staatsanwaltschaft ist auch am Verwaltungs-
gerichtshofe. Dort soll sie nicht die Staatsgewalt vertreten, "als an der Sache be-
teiligte Prozesspartei, sondern das öffentliche Interesse an einer richtigen und
gleichmässigen Rechtsprechung". Allein nach richtiger Auffassung ist ihr Zweck
auch bei den Regierungsfinanzkammern kein anderer; Krais, Komment. S. 242,
246. Es handelt sich also nur um eine Parteirolle. -- Eine wirkliche Parteistellung
bekommt der Staat jedesmal, wo die Sache zur Zuständigkeit der Civilgerichte ver-
wiesen ist; unten § 16.
18 Nicht jede oberste Nachprüfung hat die Form der Rechtspflege. Über
den Gegensatz des französischen recours en cassation und der reichsrechtlichen
Revision vgl. Begründung des Entw. d. C.Pr.O. S. 42 ff.: "Der Kassationshof
ist ein Organ der oberaufsehenden Gewalt des Staats, der Revisionshof ist ein
Gericht, welches den Parteien Recht spricht". Ähnlich auch schon der Entw. zur
Bayr. C.Pr.O. v. 1869 S. 635. Der Erstere spitzt den Gegensatz noch dadurch zu,
dass er behauptet, beim Kassationshof finde eine Vernichtung einseitig nur "im
öffentlichen Interesse" statt. Das ist eine Verwechslung mit dem Rekurs des
Staatsanwalts "dans l'interet de la loi". Der Rekurs der Parteien dagegen hat

§ 14. Arten der Verwaltungsstreitsachen.
der Verwaltungsrechtspflege geben. Alle dabei Zugelassenen werden
alsdann Parteien und die Rechtspflege bekommt dadurch wieder die
Zweiseitigkeit der entgegengesetzten Wirkung16.

In diesen Fällen kann auch der Staat selbst, sofern er wie ein
Privater in der Verbandlast steht oder an dem ergehenden Akte der
zweiten Art beteiligt ist, als Fiskus in dem Verfahren auftreten und
er ist dann eine richtige Partei wie eine andere mit allen Folgen,
die diese Stellung mit sich bringt17.

3. Wir können auf dem Gebiete des Civilprozesses eine volle
und eine beschränkte Rechtspflege unterscheiden, je nach dem
Umfange, in welchem sie ihren Fall erfaſst. Das Regelmäſsige ist,
daſs sie das ganze Verhältnis der Parteien, wie es ihr vorgelegt ist,
in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung prüft und danach aus-
spricht, was zwischen ihnen Rechtens ist. Ausnahmsweise ist die
Aufgabe des Richters gesetzlich darauf beschränkt, an den ihm vor-
gelegten Verhältnissen nur eine bestimmte Seite zu prüfen und nur
darüber seinen Ausspruch zu thun. Das ist der Fall bei dem Rechts-
mittel der Revision: geprüft wird nur die Rechtsanwendung und
festgestellt durch das Urteil nur die rechtliche Beurteilung des
Falles18.

16 Ein Hauptbeispiel bietet die Verwaltungsrechtspflege über Erteilung polizei-
licher Erlaubnis zu Gewerbeanlagen beim Einspruch Dritter; Gew.O. § 19 ff.;
Landmann, Komment. I S. 166 ff.
17 Nach Seydel, Bayr. St.R. II S. 482, würden auch die Prozesse über Ge-
bühren und Erbschaftssteuern vor den sogenannten verwaltungsrechtlichen Senaten
der Regierungsfinanzkammern ein Beispiel sein. Ein Staatsanwalt vertritt hier
das Ärar, d. h. die Staatsgewalt. Eine Staatsanwaltschaft ist auch am Verwaltungs-
gerichtshofe. Dort soll sie nicht die Staatsgewalt vertreten, „als an der Sache be-
teiligte Prozeſspartei, sondern das öffentliche Interesse an einer richtigen und
gleichmäſsigen Rechtsprechung“. Allein nach richtiger Auffassung ist ihr Zweck
auch bei den Regierungsfinanzkammern kein anderer; Krais, Komment. S. 242,
246. Es handelt sich also nur um eine Parteirolle. — Eine wirkliche Parteistellung
bekommt der Staat jedesmal, wo die Sache zur Zuständigkeit der Civilgerichte ver-
wiesen ist; unten § 16.
18 Nicht jede oberste Nachprüfung hat die Form der Rechtspflege. Über
den Gegensatz des französischen recours en cassation und der reichsrechtlichen
Revision vgl. Begründung des Entw. d. C.Pr.O. S. 42 ff.: „Der Kassationshof
ist ein Organ der oberaufsehenden Gewalt des Staats, der Revisionshof ist ein
Gericht, welches den Parteien Recht spricht“. Ähnlich auch schon der Entw. zur
Bayr. C.Pr.O. v. 1869 S. 635. Der Erstere spitzt den Gegensatz noch dadurch zu,
daſs er behauptet, beim Kassationshof finde eine Vernichtung einseitig nur „im
öffentlichen Interesse“ statt. Das ist eine Verwechslung mit dem Rekurs des
Staatsanwalts „dans l’intérêt de la loi“. Der Rekurs der Parteien dagegen hat
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[187/0207] § 14. Arten der Verwaltungsstreitsachen. der Verwaltungsrechtspflege geben. Alle dabei Zugelassenen werden alsdann Parteien und die Rechtspflege bekommt dadurch wieder die Zweiseitigkeit der entgegengesetzten Wirkung 16. In diesen Fällen kann auch der Staat selbst, sofern er wie ein Privater in der Verbandlast steht oder an dem ergehenden Akte der zweiten Art beteiligt ist, als Fiskus in dem Verfahren auftreten und er ist dann eine richtige Partei wie eine andere mit allen Folgen, die diese Stellung mit sich bringt 17. 3. Wir können auf dem Gebiete des Civilprozesses eine volle und eine beschränkte Rechtspflege unterscheiden, je nach dem Umfange, in welchem sie ihren Fall erfaſst. Das Regelmäſsige ist, daſs sie das ganze Verhältnis der Parteien, wie es ihr vorgelegt ist, in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung prüft und danach aus- spricht, was zwischen ihnen Rechtens ist. Ausnahmsweise ist die Aufgabe des Richters gesetzlich darauf beschränkt, an den ihm vor- gelegten Verhältnissen nur eine bestimmte Seite zu prüfen und nur darüber seinen Ausspruch zu thun. Das ist der Fall bei dem Rechts- mittel der Revision: geprüft wird nur die Rechtsanwendung und festgestellt durch das Urteil nur die rechtliche Beurteilung des Falles 18. 16 Ein Hauptbeispiel bietet die Verwaltungsrechtspflege über Erteilung polizei- licher Erlaubnis zu Gewerbeanlagen beim Einspruch Dritter; Gew.O. § 19 ff.; Landmann, Komment. I S. 166 ff. 17 Nach Seydel, Bayr. St.R. II S. 482, würden auch die Prozesse über Ge- bühren und Erbschaftssteuern vor den sogenannten verwaltungsrechtlichen Senaten der Regierungsfinanzkammern ein Beispiel sein. Ein Staatsanwalt vertritt hier das Ärar, d. h. die Staatsgewalt. Eine Staatsanwaltschaft ist auch am Verwaltungs- gerichtshofe. Dort soll sie nicht die Staatsgewalt vertreten, „als an der Sache be- teiligte Prozeſspartei, sondern das öffentliche Interesse an einer richtigen und gleichmäſsigen Rechtsprechung“. Allein nach richtiger Auffassung ist ihr Zweck auch bei den Regierungsfinanzkammern kein anderer; Krais, Komment. S. 242, 246. Es handelt sich also nur um eine Parteirolle. — Eine wirkliche Parteistellung bekommt der Staat jedesmal, wo die Sache zur Zuständigkeit der Civilgerichte ver- wiesen ist; unten § 16. 18 Nicht jede oberste Nachprüfung hat die Form der Rechtspflege. Über den Gegensatz des französischen recours en cassation und der reichsrechtlichen Revision vgl. Begründung des Entw. d. C.Pr.O. S. 42 ff.: „Der Kassationshof ist ein Organ der oberaufsehenden Gewalt des Staats, der Revisionshof ist ein Gericht, welches den Parteien Recht spricht“. Ähnlich auch schon der Entw. zur Bayr. C.Pr.O. v. 1869 S. 635. Der Erstere spitzt den Gegensatz noch dadurch zu, daſs er behauptet, beim Kassationshof finde eine Vernichtung einseitig nur „im öffentlichen Interesse“ statt. Das ist eine Verwechslung mit dem Rekurs des Staatsanwalts „dans l’intérêt de la loi“. Der Rekurs der Parteien dagegen hat

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/207>, abgerufen am 23.12.2024.