§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
sie unverbrüchlich gemäss den allgemeinen Grundsätzen der Ordnung der Behördengewalt, wonach der von den oberen Stellen ausgehende Staatswille als der bessere und stärkere angesehen ist. Von der Beschwerdebehörde dagegen, die ihn erlassen hat, kann er nach den- selben Regeln abgeändert werden, die überhaupt für die Zurücknahme eigener Akte gelten und ebenso stehen ihm deren Oberbehörden ganz in derselben Weise gegenüber, wie überhaupt Oberbehörden einem in unterer Instanz erlassenen Akte. Es kommt nur darauf an, inwieweit diese Behörden zuständiger Weise wieder in die Lage kommen, sich mit dem Akte zu befassen.
Alles Besondere an den Wirkungen dieses Aktes beruht also lediglich auf dem behördlichen Überordnungsverhältnis. Diese Be- sonderheit würde er aber gerade so haben, wenn er auf eine einfache Beschwerde hin ergangen wäre oder auch, wenn die Behörde ihn von Amtswegen erlassen hätte. Der Umstand, dass er im Wege der förm- lichen Beschwerde und durch Geltendmachung des Beschwerderechts erwirkt worden ist, giebt ihm keine weitere rechtliche Eigenschaft, keine neue rechtliche Kraft und Bedeutung. Das ist der Punkt, in welchem der Gegensatz zwischen Beschwerdeweg und Verwaltungs- rechtsweg offenbar werden soll.
§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
Der Begriff der Verwaltungsrechtspflege geht von dem der Civil- rechtspflege aus. Er enthält diesem gegenüber einen Gegensatz der Behördenart, von welcher die Thätigkeit geübt wird, beginnt also mit der Scheidung von bürgerlichen Gerichten einerseits und Ver- waltungsbehörden andererseits. Er enthält aber auch eine Gleichheit der Thätigkeitsart: die der Verwaltungsorganisation angehörige Behörde handelt wie ein Gericht und zwar wie ein Gericht bei Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten1.
1 Daher auch die Verwaltungsrechtspflege früherhin so oft als ein ungehöriger Eingriff in das, was den Civilgerichten gebührt, bekämpft worden ist. In diesem Sinne ging seiner Zeit (1725) der Reichshofrat gegen die bedeutsame Schöpfung Friedrich Wilhelms I., die Preussische Kriegs- und Domänenkammer vor, weil sie eine ge- wisse Rechtsprechung in Finanzsachen über sollte; Pfeiffer, Prakt. Ausf. III S. 229. Wegen des Streites über die "Zulässigkeit" der Verwaltungsrechtspflege bei Beginn der neueren Zeit vgl. oben § 5 Note 16. Ein merkwürdiges Denkmal dieser Feindseligkeit ist die Bestimmung der Reichsverfassung von 1849 § 183:
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 11
§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
sie unverbrüchlich gemäſs den allgemeinen Grundsätzen der Ordnung der Behördengewalt, wonach der von den oberen Stellen ausgehende Staatswille als der bessere und stärkere angesehen ist. Von der Beschwerdebehörde dagegen, die ihn erlassen hat, kann er nach den- selben Regeln abgeändert werden, die überhaupt für die Zurücknahme eigener Akte gelten und ebenso stehen ihm deren Oberbehörden ganz in derselben Weise gegenüber, wie überhaupt Oberbehörden einem in unterer Instanz erlassenen Akte. Es kommt nur darauf an, inwieweit diese Behörden zuständiger Weise wieder in die Lage kommen, sich mit dem Akte zu befassen.
Alles Besondere an den Wirkungen dieses Aktes beruht also lediglich auf dem behördlichen Überordnungsverhältnis. Diese Be- sonderheit würde er aber gerade so haben, wenn er auf eine einfache Beschwerde hin ergangen wäre oder auch, wenn die Behörde ihn von Amtswegen erlassen hätte. Der Umstand, daſs er im Wege der förm- lichen Beschwerde und durch Geltendmachung des Beschwerderechts erwirkt worden ist, giebt ihm keine weitere rechtliche Eigenschaft, keine neue rechtliche Kraft und Bedeutung. Das ist der Punkt, in welchem der Gegensatz zwischen Beschwerdeweg und Verwaltungs- rechtsweg offenbar werden soll.
§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
Der Begriff der Verwaltungsrechtspflege geht von dem der Civil- rechtspflege aus. Er enthält diesem gegenüber einen Gegensatz der Behördenart, von welcher die Thätigkeit geübt wird, beginnt also mit der Scheidung von bürgerlichen Gerichten einerseits und Ver- waltungsbehörden andererseits. Er enthält aber auch eine Gleichheit der Thätigkeitsart: die der Verwaltungsorganisation angehörige Behörde handelt wie ein Gericht und zwar wie ein Gericht bei Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten1.
1 Daher auch die Verwaltungsrechtspflege früherhin so oft als ein ungehöriger Eingriff in das, was den Civilgerichten gebührt, bekämpft worden ist. In diesem Sinne ging seiner Zeit (1725) der Reichshofrat gegen die bedeutsame Schöpfung Friedrich Wilhelms I., die Preuſsische Kriegs- und Domänenkammer vor, weil sie eine ge- wisse Rechtsprechung in Finanzsachen über sollte; Pfeiffer, Prakt. Ausf. III S. 229. Wegen des Streites über die „Zulässigkeit“ der Verwaltungsrechtspflege bei Beginn der neueren Zeit vgl. oben § 5 Note 16. Ein merkwürdiges Denkmal dieser Feindseligkeit ist die Bestimmung der Reichsverfassung von 1849 § 183:
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 11
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0181"n="161"/><fwplace="top"type="header">§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.</fw><lb/>
sie unverbrüchlich gemäſs den allgemeinen Grundsätzen der Ordnung<lb/>
der Behördengewalt, wonach der von den oberen Stellen ausgehende<lb/>
Staatswille als der bessere und stärkere angesehen ist. Von der<lb/>
Beschwerdebehörde dagegen, die ihn erlassen hat, kann er nach den-<lb/>
selben Regeln abgeändert werden, die überhaupt für die Zurücknahme<lb/>
eigener Akte gelten und ebenso stehen ihm deren Oberbehörden ganz<lb/>
in derselben Weise gegenüber, wie überhaupt Oberbehörden einem in<lb/>
unterer Instanz erlassenen Akte. Es kommt nur darauf an, inwieweit<lb/>
diese Behörden zuständiger Weise wieder in die Lage kommen, sich<lb/>
mit dem Akte zu befassen.</p><lb/><p>Alles Besondere an den Wirkungen dieses Aktes beruht also<lb/>
lediglich auf dem behördlichen Überordnungsverhältnis. Diese Be-<lb/>
sonderheit würde er aber gerade so haben, wenn er auf eine einfache<lb/>
Beschwerde hin ergangen wäre oder auch, wenn die Behörde ihn von<lb/>
Amtswegen erlassen hätte. Der Umstand, daſs er im Wege der förm-<lb/>
lichen Beschwerde und durch Geltendmachung des Beschwerderechts<lb/>
erwirkt worden ist, giebt ihm keine weitere rechtliche Eigenschaft,<lb/>
keine neue rechtliche Kraft und Bedeutung. Das ist der Punkt, in<lb/>
welchem der Gegensatz zwischen Beschwerdeweg und Verwaltungs-<lb/>
rechtsweg offenbar werden soll.</p></div><lb/><divn="3"><head>§ 13.<lb/><hirendition="#b">Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.</hi></head><lb/><p>Der Begriff der Verwaltungsrechtspflege geht von dem der Civil-<lb/>
rechtspflege aus. Er enthält diesem gegenüber einen Gegensatz der<lb/>
Behördenart, von welcher die Thätigkeit geübt wird, beginnt also<lb/>
mit der Scheidung von bürgerlichen Gerichten einerseits und Ver-<lb/>
waltungsbehörden andererseits. Er enthält aber auch eine Gleichheit<lb/>
der Thätigkeitsart: die der Verwaltungsorganisation angehörige Behörde<lb/>
handelt wie ein Gericht und zwar wie ein Gericht bei Entscheidung<lb/>
bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten<notexml:id="seg2pn_34_1"next="#seg2pn_34_2"place="foot"n="1">Daher auch die Verwaltungsrechtspflege früherhin so oft als ein ungehöriger<lb/>
Eingriff in das, was den Civilgerichten gebührt, bekämpft worden ist. In diesem Sinne<lb/>
ging seiner Zeit (1725) der Reichshofrat gegen die bedeutsame Schöpfung Friedrich<lb/>
Wilhelms I., die Preuſsische Kriegs- und Domänenkammer vor, weil sie eine ge-<lb/>
wisse Rechtsprechung in Finanzsachen über sollte; <hirendition="#g">Pfeiffer,</hi> Prakt. Ausf. III<lb/>
S. 229. Wegen des Streites über die „Zulässigkeit“ der Verwaltungsrechtspflege<lb/>
bei Beginn der neueren Zeit vgl. oben § 5 Note 16. Ein merkwürdiges Denkmal<lb/>
dieser Feindseligkeit ist die Bestimmung der Reichsverfassung von 1849 § 183:</note>.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Binding,</hi> Handbuch. VI. 1: <hirendition="#g">Otto Mayer,</hi> Verwaltungsr. I. 11</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[161/0181]
§ 13. Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
sie unverbrüchlich gemäſs den allgemeinen Grundsätzen der Ordnung
der Behördengewalt, wonach der von den oberen Stellen ausgehende
Staatswille als der bessere und stärkere angesehen ist. Von der
Beschwerdebehörde dagegen, die ihn erlassen hat, kann er nach den-
selben Regeln abgeändert werden, die überhaupt für die Zurücknahme
eigener Akte gelten und ebenso stehen ihm deren Oberbehörden ganz
in derselben Weise gegenüber, wie überhaupt Oberbehörden einem in
unterer Instanz erlassenen Akte. Es kommt nur darauf an, inwieweit
diese Behörden zuständiger Weise wieder in die Lage kommen, sich
mit dem Akte zu befassen.
Alles Besondere an den Wirkungen dieses Aktes beruht also
lediglich auf dem behördlichen Überordnungsverhältnis. Diese Be-
sonderheit würde er aber gerade so haben, wenn er auf eine einfache
Beschwerde hin ergangen wäre oder auch, wenn die Behörde ihn von
Amtswegen erlassen hätte. Der Umstand, daſs er im Wege der förm-
lichen Beschwerde und durch Geltendmachung des Beschwerderechts
erwirkt worden ist, giebt ihm keine weitere rechtliche Eigenschaft,
keine neue rechtliche Kraft und Bedeutung. Das ist der Punkt, in
welchem der Gegensatz zwischen Beschwerdeweg und Verwaltungs-
rechtsweg offenbar werden soll.
§ 13.
Die Verwaltungsrechtspflege; Voraussetzungen und Wirkung.
Der Begriff der Verwaltungsrechtspflege geht von dem der Civil-
rechtspflege aus. Er enthält diesem gegenüber einen Gegensatz der
Behördenart, von welcher die Thätigkeit geübt wird, beginnt also
mit der Scheidung von bürgerlichen Gerichten einerseits und Ver-
waltungsbehörden andererseits. Er enthält aber auch eine Gleichheit
der Thätigkeitsart: die der Verwaltungsorganisation angehörige Behörde
handelt wie ein Gericht und zwar wie ein Gericht bei Entscheidung
bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten 1.
1 Daher auch die Verwaltungsrechtspflege früherhin so oft als ein ungehöriger
Eingriff in das, was den Civilgerichten gebührt, bekämpft worden ist. In diesem Sinne
ging seiner Zeit (1725) der Reichshofrat gegen die bedeutsame Schöpfung Friedrich
Wilhelms I., die Preuſsische Kriegs- und Domänenkammer vor, weil sie eine ge-
wisse Rechtsprechung in Finanzsachen über sollte; Pfeiffer, Prakt. Ausf. III
S. 229. Wegen des Streites über die „Zulässigkeit“ der Verwaltungsrechtspflege
bei Beginn der neueren Zeit vgl. oben § 5 Note 16. Ein merkwürdiges Denkmal
dieser Feindseligkeit ist die Bestimmung der Reichsverfassung von 1849 § 183:
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/181>, abgerufen am 03.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.