§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.
sonderen Teile zu gebenden Darstellung der einzelnen Verwaltungs- rechtsinstitute und braucht also hier noch nicht weiter durchgeführt zu werden.
III. Mit der Ausscheidung des Anwendungsgebietes civilrecht- licher und öffentlichrechtlicher Rechtsinstitute hängen zwei Begriffe zusammen, welche je dem einen und dem andern Gebiete besonders zugehören, ohne sich völlig mit ihm zu decken. Das ist die öffent- liche Verwaltung und der Fiskus.
1. Die Verwaltung des Staates und der Selbstverwaltungskörper, insofern sie deren Zwecke verfolgt, ist Thätigkeit für öffentliche Interessen. Ob sie das im Einzelfall in privatwirtschaftlicher Weise thut oder in der Weise der öffentlichen Gewalt, ist für diese Beurteilung gleichgültig. Wohl aber macht es auch hierfür einen Unterschied, wenn das Gemeinwesen mit einem ganzen Thätigkeitszweig geradezu die Stellung eines privatwirtschaftlichen Unter- nehmers neben den andern einnimmt. Der Staat wird Gutsbesitzer, Kaufmann, Fabrikant oder betreibt sonst ein Gewerbe, nützt einen Besitz, ein Kapital aus wie ein Privater. Für die einzelnen Be- ziehungen, die sich daraus ergeben, ist die Anwendbarkeit des Civil- rechts selbstverständlich. Überdies tritt er aber mit dieser ganzen Art von Thätigkeit aus seiner allgemeinen Rolle heraus. Verwaltung ist auch das noch, aber doch nur in dem Sinne, wie etwa die Ver- waltung der eigenen Angelegenheiten bei einem Privaten. Man spricht hier von fiskalischen Verwaltungen. Das Gemeinwesen ver- folgt dabei, wie man sagt, nicht öffentliche Interessen, sondern seine Privatinteressen7.
Im Gegensatz dazu bezeichnen wir das, was übrig bleibt, die ganze Masse der Verwaltung, welche der Staat nicht als Privatunter- nehmer betreibt, als die öffentliche Verwaltung. Das hat die Bedeutung, dass erst in dieser Abgrenzung, nach Ausschluss also jener besonderen Thätigkeitszweige, die Eigenart der staatlichen Verwaltung in Bezug auf das für sie anzuwendende Recht zur Geltung kommt. Nur von der öffentlichen Verwaltung gilt der Satz, dass das öffent- liche Recht für den Staat das natürliche, selbstverständliche ist. Deshalb streitet hier für dessen Anwendbarkeit die Vermutung. Damit ist nicht gesagt, dass nicht auch hieraus einzelne Beziehungen sich ergeben können, welche privatwirtschaftlicher Art sind und den Staat dem
7Neumann in Annalen 1886 S. 363; O.V.G. 4. Nov. 1878 (Samml. IV S. 67 Note); V.G.H. 1. Febr. 1881. Ebendahin gehört die Unterscheidung von "Regiminal- und Wirtschaftsbeamten des Staates"; Reger, VIII S. 118.
§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.
sonderen Teile zu gebenden Darstellung der einzelnen Verwaltungs- rechtsinstitute und braucht also hier noch nicht weiter durchgeführt zu werden.
III. Mit der Ausscheidung des Anwendungsgebietes civilrecht- licher und öffentlichrechtlicher Rechtsinstitute hängen zwei Begriffe zusammen, welche je dem einen und dem andern Gebiete besonders zugehören, ohne sich völlig mit ihm zu decken. Das ist die öffent- liche Verwaltung und der Fiskus.
1. Die Verwaltung des Staates und der Selbstverwaltungskörper, insofern sie deren Zwecke verfolgt, ist Thätigkeit für öffentliche Interessen. Ob sie das im Einzelfall in privatwirtschaftlicher Weise thut oder in der Weise der öffentlichen Gewalt, ist für diese Beurteilung gleichgültig. Wohl aber macht es auch hierfür einen Unterschied, wenn das Gemeinwesen mit einem ganzen Thätigkeitszweig geradezu die Stellung eines privatwirtschaftlichen Unter- nehmers neben den andern einnimmt. Der Staat wird Gutsbesitzer, Kaufmann, Fabrikant oder betreibt sonst ein Gewerbe, nützt einen Besitz, ein Kapital aus wie ein Privater. Für die einzelnen Be- ziehungen, die sich daraus ergeben, ist die Anwendbarkeit des Civil- rechts selbstverständlich. Überdies tritt er aber mit dieser ganzen Art von Thätigkeit aus seiner allgemeinen Rolle heraus. Verwaltung ist auch das noch, aber doch nur in dem Sinne, wie etwa die Ver- waltung der eigenen Angelegenheiten bei einem Privaten. Man spricht hier von fiskalischen Verwaltungen. Das Gemeinwesen ver- folgt dabei, wie man sagt, nicht öffentliche Interessen, sondern seine Privatinteressen7.
Im Gegensatz dazu bezeichnen wir das, was übrig bleibt, die ganze Masse der Verwaltung, welche der Staat nicht als Privatunter- nehmer betreibt, als die öffentliche Verwaltung. Das hat die Bedeutung, daſs erst in dieser Abgrenzung, nach Ausschluſs also jener besonderen Thätigkeitszweige, die Eigenart der staatlichen Verwaltung in Bezug auf das für sie anzuwendende Recht zur Geltung kommt. Nur von der öffentlichen Verwaltung gilt der Satz, daſs das öffent- liche Recht für den Staat das natürliche, selbstverständliche ist. Deshalb streitet hier für dessen Anwendbarkeit die Vermutung. Damit ist nicht gesagt, daſs nicht auch hieraus einzelne Beziehungen sich ergeben können, welche privatwirtschaftlicher Art sind und den Staat dem
7Neumann in Annalen 1886 S. 363; O.V.G. 4. Nov. 1878 (Samml. IV S. 67 Note); V.G.H. 1. Febr. 1881. Ebendahin gehört die Unterscheidung von „Regiminal- und Wirtschaftsbeamten des Staates“; Reger, VIII S. 118.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0161"n="141"/><fwplace="top"type="header">§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.</fw><lb/>
sonderen Teile zu gebenden Darstellung der einzelnen Verwaltungs-<lb/>
rechtsinstitute und braucht also hier noch nicht weiter durchgeführt<lb/>
zu werden.</p><lb/><p>III. Mit der Ausscheidung des Anwendungsgebietes civilrecht-<lb/>
licher und öffentlichrechtlicher Rechtsinstitute hängen zwei Begriffe<lb/>
zusammen, welche je dem einen und dem andern Gebiete besonders<lb/>
zugehören, ohne sich völlig mit ihm zu decken. Das ist die öffent-<lb/>
liche Verwaltung und der Fiskus.</p><lb/><p>1. Die Verwaltung des Staates und der Selbstverwaltungskörper,<lb/>
insofern sie deren Zwecke verfolgt, ist Thätigkeit für <hirendition="#g">öffentliche<lb/>
Interessen</hi>. Ob sie das im Einzelfall in privatwirtschaftlicher<lb/>
Weise thut oder in der Weise der öffentlichen Gewalt, ist für diese<lb/>
Beurteilung gleichgültig. Wohl aber macht es auch hierfür einen<lb/>
Unterschied, wenn das Gemeinwesen mit einem ganzen Thätigkeitszweig<lb/>
geradezu die <hirendition="#g">Stellung eines privatwirtschaftlichen Unter-<lb/>
nehmers</hi> neben den andern einnimmt. Der Staat wird Gutsbesitzer,<lb/>
Kaufmann, Fabrikant oder betreibt sonst ein Gewerbe, nützt einen<lb/>
Besitz, ein Kapital aus wie ein Privater. Für die einzelnen Be-<lb/>
ziehungen, die sich daraus ergeben, ist die Anwendbarkeit des Civil-<lb/>
rechts selbstverständlich. Überdies tritt er aber mit dieser ganzen<lb/>
Art von Thätigkeit aus seiner allgemeinen Rolle heraus. Verwaltung<lb/>
ist auch das noch, aber doch nur in dem Sinne, wie etwa die Ver-<lb/>
waltung der eigenen Angelegenheiten bei einem Privaten. Man spricht<lb/>
hier von <hirendition="#g">fiskalischen Verwaltungen</hi>. Das Gemeinwesen ver-<lb/>
folgt dabei, wie man sagt, nicht öffentliche Interessen, sondern <hirendition="#g">seine<lb/>
Privatinteressen</hi><noteplace="foot"n="7"><hirendition="#g">Neumann</hi> in Annalen 1886 S. 363; O.V.G. 4. Nov. 1878 (Samml. IV S. 67<lb/>
Note); V.G.H. 1. Febr. 1881. Ebendahin gehört die Unterscheidung von „Regiminal-<lb/>
und Wirtschaftsbeamten des Staates“; <hirendition="#g">Reger,</hi> VIII S. 118.</note>.</p><lb/><p>Im Gegensatz dazu bezeichnen wir das, was übrig bleibt, die<lb/>
ganze Masse der Verwaltung, welche der Staat nicht als Privatunter-<lb/>
nehmer betreibt, als die <hirendition="#g">öffentliche Verwaltung</hi>. Das hat die<lb/>
Bedeutung, daſs erst in dieser Abgrenzung, nach Ausschluſs also jener<lb/>
besonderen Thätigkeitszweige, die Eigenart der staatlichen Verwaltung<lb/>
in Bezug auf das für sie anzuwendende Recht zur Geltung kommt.<lb/>
Nur von der öffentlichen Verwaltung gilt der Satz, daſs das öffent-<lb/>
liche Recht für den Staat das natürliche, selbstverständliche ist.<lb/>
Deshalb streitet hier für dessen Anwendbarkeit die <hirendition="#g">Vermutung</hi>.<lb/>
Damit ist nicht gesagt, daſs nicht auch hieraus einzelne Beziehungen sich<lb/>
ergeben können, welche privatwirtschaftlicher Art sind und den Staat dem<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[141/0161]
§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.
sonderen Teile zu gebenden Darstellung der einzelnen Verwaltungs-
rechtsinstitute und braucht also hier noch nicht weiter durchgeführt
zu werden.
III. Mit der Ausscheidung des Anwendungsgebietes civilrecht-
licher und öffentlichrechtlicher Rechtsinstitute hängen zwei Begriffe
zusammen, welche je dem einen und dem andern Gebiete besonders
zugehören, ohne sich völlig mit ihm zu decken. Das ist die öffent-
liche Verwaltung und der Fiskus.
1. Die Verwaltung des Staates und der Selbstverwaltungskörper,
insofern sie deren Zwecke verfolgt, ist Thätigkeit für öffentliche
Interessen. Ob sie das im Einzelfall in privatwirtschaftlicher
Weise thut oder in der Weise der öffentlichen Gewalt, ist für diese
Beurteilung gleichgültig. Wohl aber macht es auch hierfür einen
Unterschied, wenn das Gemeinwesen mit einem ganzen Thätigkeitszweig
geradezu die Stellung eines privatwirtschaftlichen Unter-
nehmers neben den andern einnimmt. Der Staat wird Gutsbesitzer,
Kaufmann, Fabrikant oder betreibt sonst ein Gewerbe, nützt einen
Besitz, ein Kapital aus wie ein Privater. Für die einzelnen Be-
ziehungen, die sich daraus ergeben, ist die Anwendbarkeit des Civil-
rechts selbstverständlich. Überdies tritt er aber mit dieser ganzen
Art von Thätigkeit aus seiner allgemeinen Rolle heraus. Verwaltung
ist auch das noch, aber doch nur in dem Sinne, wie etwa die Ver-
waltung der eigenen Angelegenheiten bei einem Privaten. Man spricht
hier von fiskalischen Verwaltungen. Das Gemeinwesen ver-
folgt dabei, wie man sagt, nicht öffentliche Interessen, sondern seine
Privatinteressen 7.
Im Gegensatz dazu bezeichnen wir das, was übrig bleibt, die
ganze Masse der Verwaltung, welche der Staat nicht als Privatunter-
nehmer betreibt, als die öffentliche Verwaltung. Das hat die
Bedeutung, daſs erst in dieser Abgrenzung, nach Ausschluſs also jener
besonderen Thätigkeitszweige, die Eigenart der staatlichen Verwaltung
in Bezug auf das für sie anzuwendende Recht zur Geltung kommt.
Nur von der öffentlichen Verwaltung gilt der Satz, daſs das öffent-
liche Recht für den Staat das natürliche, selbstverständliche ist.
Deshalb streitet hier für dessen Anwendbarkeit die Vermutung.
Damit ist nicht gesagt, daſs nicht auch hieraus einzelne Beziehungen sich
ergeben können, welche privatwirtschaftlicher Art sind und den Staat dem
7 Neumann in Annalen 1886 S. 363; O.V.G. 4. Nov. 1878 (Samml. IV S. 67
Note); V.G.H. 1. Febr. 1881. Ebendahin gehört die Unterscheidung von „Regiminal-
und Wirtschaftsbeamten des Staates“; Reger, VIII S. 118.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/161>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.