Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht. scharf von den auf dem Boden der Gleichheit der Rechtssubjekte ge-bauten Rechtsinstituten des Civilrechts3. II. Nicht alle Lebensäusserungen der Verwaltung bewegen sich in Diese Grenze ist nicht so schwer zu bestimmen, unter einer Vor- 3 In diesem Sinne Jellinek, Ges. und Verord. S. 248: "Ein Verwaltungsakt
kann ein bestehenden (d. h. civilrechtlichen) Rechtsverhältnissen mehr oder weniger analoges Verhältnis schaffen". -- In Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 333 wird ausgeführt, es sei ein Irrtum, zu glauben, dass alle im Civilrecht behandelten Rechtsinstitute auch ausschliesslich privatrechtlich wären; es giebt "öffentlichrechtliche Servituten, öffentlichrechtliche Klageverjährung, öffentlichrechtliche Obligationen ex lege und Eigentumserwerbstitel". Dabei ist freilich gemeint, dass diese Rechtsinstitute wesent- lich civilrechtlich bleiben und öffentlichrechtlich nur heissen, weil sie "in das öffentliche Recht einschlagen". Noch unbefangener Funke, Verw. in ihrem Verh. zur Just. S. 46: Das öffentliche Recht "begreift auch die den Staat angehenden Verhältnisse, bei welchen, obschon sie objektiv dem öffentlichen Rechte an- gehören, der privatrechtliche Charakter als vorherrschend anzusehen ist". Als Beispiel erwähnt er den Staatsdienstvertrag. Da wird einfach nicht beachtet, dass das Verwaltungsrecht eine eigene Rechtsart ist. -- Ich habe die ganze Tiefe des Gegensatzes zum Ausdruck zu bringen gesucht in der Abhandlung über den öffent- lichrechtlichen Vertrag in Arch. f. öff. R. II S. 3 ff. Dieses Rechtsgeschäft ist ge- rade deshalb, weil es öffentlichrechtlich ist, kein Vertrag nach der Rechtsgestalt des civilrechtlichen Vertrags. G. Meyer, mit welchem ich in der sachlichen Auf- fassung übereinstimme, ist der Meinung, dass dann auch der Ausdruck Vertrag nicht beibehalten werden sollte (V.R. I S. 34 Note 8). Allein es ist doch wohl eine Thatsache, dass unsere Wissenschaft ohne civilrechtliche Ausdrücke, die sie in ihrem Sinne versteht, nicht auskommt. Hier hat die Anlehnung aber auch noch eine besondere Wichtigkeit; vgl. oben § 8 Note 5; ohne das wäre es allerdings nicht der Mühe wert, auf dem Ausdruck zu bestehen. Ein Missstand ist allerdings insofern nicht abzustreiten, als auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts auch echte Verträge wirksam werden können, in den sekundären Rechtsverhältnissen der Verbandlasten nämlich und zwischen Selbstverwaltungskörpern. Vielleicht würde man diese nach Jellinek, Subj. öff. R. S. 193 ff., als Vereinbarungen be- zeichnen können. Doch dürfen wir von allen Verbesserungen der Ausdrucksweise hier absehen, da wir den Namen öffentlichrechtlicher Vertrag, nachdem er seinen Dienst gethan hat, ohnehin nicht weiter verwerten wollen. § 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht. scharf von den auf dem Boden der Gleichheit der Rechtssubjekte ge-bauten Rechtsinstituten des Civilrechts3. II. Nicht alle Lebensäuſserungen der Verwaltung bewegen sich in Diese Grenze ist nicht so schwer zu bestimmen, unter einer Vor- 3 In diesem Sinne Jellinek, Ges. und Verord. S. 248: „Ein Verwaltungsakt
kann ein bestehenden (d. h. civilrechtlichen) Rechtsverhältnissen mehr oder weniger analoges Verhältnis schaffen“. — In Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 333 wird ausgeführt, es sei ein Irrtum, zu glauben, daſs alle im Civilrecht behandelten Rechtsinstitute auch ausschlieſslich privatrechtlich wären; es giebt „öffentlichrechtliche Servituten, öffentlichrechtliche Klageverjährung, öffentlichrechtliche Obligationen ex lege und Eigentumserwerbstitel“. Dabei ist freilich gemeint, daſs diese Rechtsinstitute wesent- lich civilrechtlich bleiben und öffentlichrechtlich nur heiſsen, weil sie „in das öffentliche Recht einschlagen“. Noch unbefangener Funke, Verw. in ihrem Verh. zur Just. S. 46: Das öffentliche Recht „begreift auch die den Staat angehenden Verhältnisse, bei welchen, obschon sie objektiv dem öffentlichen Rechte an- gehören, der privatrechtliche Charakter als vorherrschend anzusehen ist“. Als Beispiel erwähnt er den Staatsdienstvertrag. Da wird einfach nicht beachtet, daſs das Verwaltungsrecht eine eigene Rechtsart ist. — Ich habe die ganze Tiefe des Gegensatzes zum Ausdruck zu bringen gesucht in der Abhandlung über den öffent- lichrechtlichen Vertrag in Arch. f. öff. R. II S. 3 ff. Dieses Rechtsgeschäft ist ge- rade deshalb, weil es öffentlichrechtlich ist, kein Vertrag nach der Rechtsgestalt des civilrechtlichen Vertrags. G. Meyer, mit welchem ich in der sachlichen Auf- fassung übereinstimme, ist der Meinung, daſs dann auch der Ausdruck Vertrag nicht beibehalten werden sollte (V.R. I S. 34 Note 8). Allein es ist doch wohl eine Thatsache, daſs unsere Wissenschaft ohne civilrechtliche Ausdrücke, die sie in ihrem Sinne versteht, nicht auskommt. Hier hat die Anlehnung aber auch noch eine besondere Wichtigkeit; vgl. oben § 8 Note 5; ohne das wäre es allerdings nicht der Mühe wert, auf dem Ausdruck zu bestehen. Ein Miſsstand ist allerdings insofern nicht abzustreiten, als auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts auch echte Verträge wirksam werden können, in den sekundären Rechtsverhältnissen der Verbandlasten nämlich und zwischen Selbstverwaltungskörpern. Vielleicht würde man diese nach Jellinek, Subj. öff. R. S. 193 ff., als Vereinbarungen be- zeichnen können. Doch dürfen wir von allen Verbesserungen der Ausdrucksweise hier absehen, da wir den Namen öffentlichrechtlicher Vertrag, nachdem er seinen Dienst gethan hat, ohnehin nicht weiter verwerten wollen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0157" n="137"/><fw place="top" type="header">§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.</fw><lb/> scharf von den auf dem Boden der Gleichheit der Rechtssubjekte ge-<lb/> bauten Rechtsinstituten des Civilrechts<note place="foot" n="3">In diesem Sinne <hi rendition="#g">Jellinek,</hi> Ges. und Verord. 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§ 11. Das Verwaltungsrechtsinstitut und die Scheidung vom Civilrecht.
scharf von den auf dem Boden der Gleichheit der Rechtssubjekte ge-
bauten Rechtsinstituten des Civilrechts 3.
II. Nicht alle Lebensäuſserungen der Verwaltung bewegen sich in
den Formen der Verwaltungsrechtsinstitute. Der Grundsatz ist stehen
geblieben, daſs der Staat und die Selbstverwaltungskörper in ihrer Ver-
waltungsthätigkeit in gewissem Maſse dem Civilrecht unter-
liegen (vgl. oben § 5 a. A.). Hieran findet demnach das Anwendungs-
gebiet der Verwaltungsrechtsinstitute seine Grenze.
Diese Grenze ist nicht so schwer zu bestimmen, unter einer Vor-
aussetzung wenigstens: daſs man nämlich wisse, was man dadurch
von der Anwendbarkeit des Civilrechts scheidet, was ein Verwaltungs-
rechtsinstitut, was öffentliches Recht ist. Denn zuletzt müssen wir
doch immer darauf zurückkommen, in diesen Begriffen das ent-
scheidende Merkmal zu finden.
3 In diesem Sinne Jellinek, Ges. und Verord. S. 248: „Ein Verwaltungsakt
kann ein bestehenden (d. h. civilrechtlichen) Rechtsverhältnissen mehr oder weniger
analoges Verhältnis schaffen“. — In Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 333 wird ausgeführt,
es sei ein Irrtum, zu glauben, daſs alle im Civilrecht behandelten Rechtsinstitute
auch ausschlieſslich privatrechtlich wären; es giebt „öffentlichrechtliche Servituten,
öffentlichrechtliche Klageverjährung, öffentlichrechtliche Obligationen ex lege und
Eigentumserwerbstitel“. Dabei ist freilich gemeint, daſs diese Rechtsinstitute wesent-
lich civilrechtlich bleiben und öffentlichrechtlich nur heiſsen, weil sie „in das
öffentliche Recht einschlagen“. Noch unbefangener Funke, Verw. in ihrem Verh.
zur Just. S. 46: Das öffentliche Recht „begreift auch die den Staat angehenden
Verhältnisse, bei welchen, obschon sie objektiv dem öffentlichen Rechte an-
gehören, der privatrechtliche Charakter als vorherrschend anzusehen ist“. Als
Beispiel erwähnt er den Staatsdienstvertrag. Da wird einfach nicht beachtet, daſs
das Verwaltungsrecht eine eigene Rechtsart ist. — Ich habe die ganze Tiefe des
Gegensatzes zum Ausdruck zu bringen gesucht in der Abhandlung über den öffent-
lichrechtlichen Vertrag in Arch. f. öff. R. II S. 3 ff. Dieses Rechtsgeschäft ist ge-
rade deshalb, weil es öffentlichrechtlich ist, kein Vertrag nach der Rechtsgestalt
des civilrechtlichen Vertrags. G. Meyer, mit welchem ich in der sachlichen Auf-
fassung übereinstimme, ist der Meinung, daſs dann auch der Ausdruck Vertrag
nicht beibehalten werden sollte (V.R. I S. 34 Note 8). Allein es ist doch wohl
eine Thatsache, daſs unsere Wissenschaft ohne civilrechtliche Ausdrücke, die
sie in ihrem Sinne versteht, nicht auskommt. Hier hat die Anlehnung aber
auch noch eine besondere Wichtigkeit; vgl. oben § 8 Note 5; ohne das wäre es
allerdings nicht der Mühe wert, auf dem Ausdruck zu bestehen. Ein Miſsstand ist
allerdings insofern nicht abzustreiten, als auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts
auch echte Verträge wirksam werden können, in den sekundären Rechtsverhältnissen
der Verbandlasten nämlich und zwischen Selbstverwaltungskörpern. Vielleicht
würde man diese nach Jellinek, Subj. öff. R. S. 193 ff., als Vereinbarungen be-
zeichnen können. Doch dürfen wir von allen Verbesserungen der Ausdrucksweise
hier absehen, da wir den Namen öffentlichrechtlicher Vertrag, nachdem er seinen
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