Wenn ich es dazwischen, dem Gebrauche mich fügend, in anderem Sinne anwende, muss das aus dem Zusammenhange erkennbar sein; sonst wäre es allerdings ein Fehler. Aber schulmeistern dürfen wir uns hier nicht.
Etwas ganz anderes ist es, wenn ein Wort in verschiedenem Sinne gebraucht wird deshalb, weil man über den dahinter stehenden Begriff selbst verschiedener Meinung ist; Rechtsstaat, vollziehende Gewalt, Verwaltungsrechtspflege, öffentliches Eigentum sind Beispiele dafür. Da giebt es natürlich kein Zweierlei, sondern das einmal Er- kannte muss unverändert beibehalten und durchgeführt werden.
Ich habe mich auch bemüht, einer Reihe von häufig vorkommenden Ausdrücken, die man in einer gewissen Unbestimmtheit und Ver- schwommenheit zu verwenden gewohnt ist, ein schärferes Gepräge zu geben, indem ich sie an einen festen juristischen Begriff band. Da trete ich in einen Widerspruch mit dem herrschenden Sprachgebrauch, dem ich zumute, sich einzuschränken. Dem wäre leicht auszuweichen gewesen, wenn ich jedesmal ein ganz neues Wort gewählt hätte, am besten ein auf seinen Sinn ohnehin nicht so genau nachprüfbares Fremdwort. Aber ich habe geglaubt, es darauf ankommen lassen zu sollen, ob nicht der richtig erkannte Begriff genügende Anziehungs- kraft auf den nächstliegenden Ausdruck bewährt. Das wäre wenigstens der natürliche Weg für die so notwendige weitere Ausbildung unserer Rechtssprache. Die Hauptsache wird immer sein, dass der unter diese Bezeichnung gestellte Begriff selbst etwas taugt, d. h. geeignet ist, die Erscheinungen, welche die Wirklichkeit des Rechtes uns bietet, verständlicher und übersichtlicher zu machen.
Strassburg, den 3. Oktober 1895.
Otto Mayer.
Vorwort.
Wenn ich es dazwischen, dem Gebrauche mich fügend, in anderem Sinne anwende, muſs das aus dem Zusammenhange erkennbar sein; sonst wäre es allerdings ein Fehler. Aber schulmeistern dürfen wir uns hier nicht.
Etwas ganz anderes ist es, wenn ein Wort in verschiedenem Sinne gebraucht wird deshalb, weil man über den dahinter stehenden Begriff selbst verschiedener Meinung ist; Rechtsstaat, vollziehende Gewalt, Verwaltungsrechtspflege, öffentliches Eigentum sind Beispiele dafür. Da giebt es natürlich kein Zweierlei, sondern das einmal Er- kannte muſs unverändert beibehalten und durchgeführt werden.
Ich habe mich auch bemüht, einer Reihe von häufig vorkommenden Ausdrücken, die man in einer gewissen Unbestimmtheit und Ver- schwommenheit zu verwenden gewohnt ist, ein schärferes Gepräge zu geben, indem ich sie an einen festen juristischen Begriff band. Da trete ich in einen Widerspruch mit dem herrschenden Sprachgebrauch, dem ich zumute, sich einzuschränken. Dem wäre leicht auszuweichen gewesen, wenn ich jedesmal ein ganz neues Wort gewählt hätte, am besten ein auf seinen Sinn ohnehin nicht so genau nachprüfbares Fremdwort. Aber ich habe geglaubt, es darauf ankommen lassen zu sollen, ob nicht der richtig erkannte Begriff genügende Anziehungs- kraft auf den nächstliegenden Ausdruck bewährt. Das wäre wenigstens der natürliche Weg für die so notwendige weitere Ausbildung unserer Rechtssprache. Die Hauptsache wird immer sein, daſs der unter diese Bezeichnung gestellte Begriff selbst etwas taugt, d. h. geeignet ist, die Erscheinungen, welche die Wirklichkeit des Rechtes uns bietet, verständlicher und übersichtlicher zu machen.
Straſsburg, den 3. Oktober 1895.
Otto Mayer.
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[IX/0015]
Vorwort.
Wenn ich es dazwischen, dem Gebrauche mich fügend, in anderem
Sinne anwende, muſs das aus dem Zusammenhange erkennbar sein;
sonst wäre es allerdings ein Fehler. Aber schulmeistern dürfen wir
uns hier nicht.
Etwas ganz anderes ist es, wenn ein Wort in verschiedenem
Sinne gebraucht wird deshalb, weil man über den dahinter stehenden
Begriff selbst verschiedener Meinung ist; Rechtsstaat, vollziehende
Gewalt, Verwaltungsrechtspflege, öffentliches Eigentum sind Beispiele
dafür. Da giebt es natürlich kein Zweierlei, sondern das einmal Er-
kannte muſs unverändert beibehalten und durchgeführt werden.
Ich habe mich auch bemüht, einer Reihe von häufig vorkommenden
Ausdrücken, die man in einer gewissen Unbestimmtheit und Ver-
schwommenheit zu verwenden gewohnt ist, ein schärferes Gepräge zu
geben, indem ich sie an einen festen juristischen Begriff band. Da
trete ich in einen Widerspruch mit dem herrschenden Sprachgebrauch,
dem ich zumute, sich einzuschränken. Dem wäre leicht auszuweichen
gewesen, wenn ich jedesmal ein ganz neues Wort gewählt hätte, am
besten ein auf seinen Sinn ohnehin nicht so genau nachprüfbares
Fremdwort. Aber ich habe geglaubt, es darauf ankommen lassen zu
sollen, ob nicht der richtig erkannte Begriff genügende Anziehungs-
kraft auf den nächstliegenden Ausdruck bewährt. Das wäre wenigstens
der natürliche Weg für die so notwendige weitere Ausbildung unserer
Rechtssprache. Die Hauptsache wird immer sein, daſs der unter diese
Bezeichnung gestellte Begriff selbst etwas taugt, d. h. geeignet ist,
die Erscheinungen, welche die Wirklichkeit des Rechtes uns bietet,
verständlicher und übersichtlicher zu machen.
Straſsburg, den 3. Oktober 1895.
Otto Mayer.
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/15>, abgerufen am 22.12.2024.
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