Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
gehörigen Autonomie obliegt, können zugleich staatliche Geschäfte
zur Besorgung übertragen sein, insbesondere auch ein dazu gehöriges
Polizeiverordnungsrecht. Dann schaffen sie dem entsprechend neben
einander Rechtssätze von zweierlei Art, die durch ihre rechtliche
Natur und die Bedingungen ihrer Erzeugung getrennt sind14. --

Wie in der Staatsverwaltung neben den Verordnungen noch all-
gemeine Anordnungen stehen, die davon zu scheiden waren, so auch
in der Selbstverwaltung neben diesen Akten der Selbstgesetzgebung.
Wir finden da zunächst wieder Verwaltungsvorschriften der nämlichen
Art wie dort: Dienstvorschriften für die Gemeindebeamten, Ordnungen
für die Benutzung gemeindlicher Anstalten u. s. w. Das hat keine
Schwierigkeiten15.

Ausserdem giebt es aber hier auch noch eine zweite Art von
Statuten, die Vereins- oder Körperschaftsstatuten, ge-
gründet auf die genossenschaftliche Autonomie und ihrerseits gleich-
falls bindende Regeln enthaltend, die als Satzungen bezeichnet
werden.

Diese Ordnungen sind nun trotz des gleichen Namens, den sie
führen, von unserer Rechtsquelle wohl zu scheiden.

Sie gehen aus von einer ganz entgegengesetzten Grundlage, die
zum Teil noch ausserhalb des Gebietes des öffentlichen Rechtes liegt.

Der Verein, die Körperschaft gehören zunächst dem Civilrecht
an. Der Verein entsteht durch vertragsmässige Vereinigung
mehrerer Personen für einen gemeinsamen Zweck. Er hat seine
Statuten, welche die Verfassung, die Rechte und Pflichten seiner
Mitglieder bestimmen. Die Gesamtheit oder für sie die Vorstand-
schaft verfährt danach gegenüber den Einzelnen, wendet die
Vereinssatzungen auf sie an und entfaltet sie weiter durch neue
Satzungen. Darin besteht die Vereinsgewalt über die Mitglieder,
entsprechend einer durch die Mitgliedschaft begründeten rechtlichen
Bestimmbarkeit derselben innerhalb des Vertrags und des Vereinszweckes.

Wenn der Verein juristische Persönlichkeit erhält, zur Körper-
schaft
wird, so ändert sich dadurch auch das innere Verhältnis in-
soweit, als die Mitgliedschaftsrechte und -Pflichten fortan der juri-
stischen Person gegenüber bestehen und jene Vereinsgewalt in ihrem
Namen gehandhabt wird.

14 Der Gegensatz wird im Bayr. R. bezeichnet mit "Gemeindestatuten" einer-
seits und "ortspolizeilichen Vorschriften" andererseits; Seydel, Bayr. St.R. III
S. 41 ff.; Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 306. In Sachsen spricht man von "Ortsstatuten"
und "polizeilichen Regulativen"; Leuthold, Sächs. V.R. S. 78 Anm. 7.
15 F. F. Mayer, Grunds. des V.R. S. 295 zählt das irrtümlicherweise alles
noch unter die "Selbstgesetzgebung" der Gemeinde.

Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.
gehörigen Autonomie obliegt, können zugleich staatliche Geschäfte
zur Besorgung übertragen sein, insbesondere auch ein dazu gehöriges
Polizeiverordnungsrecht. Dann schaffen sie dem entsprechend neben
einander Rechtssätze von zweierlei Art, die durch ihre rechtliche
Natur und die Bedingungen ihrer Erzeugung getrennt sind14. —

Wie in der Staatsverwaltung neben den Verordnungen noch all-
gemeine Anordnungen stehen, die davon zu scheiden waren, so auch
in der Selbstverwaltung neben diesen Akten der Selbstgesetzgebung.
Wir finden da zunächst wieder Verwaltungsvorschriften der nämlichen
Art wie dort: Dienstvorschriften für die Gemeindebeamten, Ordnungen
für die Benutzung gemeindlicher Anstalten u. s. w. Das hat keine
Schwierigkeiten15.

Auſserdem giebt es aber hier auch noch eine zweite Art von
Statuten, die Vereins- oder Körperschaftsstatuten, ge-
gründet auf die genossenschaftliche Autonomie und ihrerseits gleich-
falls bindende Regeln enthaltend, die als Satzungen bezeichnet
werden.

Diese Ordnungen sind nun trotz des gleichen Namens, den sie
führen, von unserer Rechtsquelle wohl zu scheiden.

Sie gehen aus von einer ganz entgegengesetzten Grundlage, die
zum Teil noch auſserhalb des Gebietes des öffentlichen Rechtes liegt.

Der Verein, die Körperschaft gehören zunächst dem Civilrecht
an. Der Verein entsteht durch vertragsmäſsige Vereinigung
mehrerer Personen für einen gemeinsamen Zweck. Er hat seine
Statuten, welche die Verfassung, die Rechte und Pflichten seiner
Mitglieder bestimmen. Die Gesamtheit oder für sie die Vorstand-
schaft verfährt danach gegenüber den Einzelnen, wendet die
Vereinssatzungen auf sie an und entfaltet sie weiter durch neue
Satzungen. Darin besteht die Vereinsgewalt über die Mitglieder,
entsprechend einer durch die Mitgliedschaft begründeten rechtlichen
Bestimmbarkeit derselben innerhalb des Vertrags und des Vereinszweckes.

Wenn der Verein juristische Persönlichkeit erhält, zur Körper-
schaft
wird, so ändert sich dadurch auch das innere Verhältnis in-
soweit, als die Mitgliedschaftsrechte und -Pflichten fortan der juri-
stischen Person gegenüber bestehen und jene Vereinsgewalt in ihrem
Namen gehandhabt wird.

14 Der Gegensatz wird im Bayr. R. bezeichnet mit „Gemeindestatuten“ einer-
seits und „ortspolizeilichen Vorschriften“ andererseits; Seydel, Bayr. St.R. III
S. 41 ff.; Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 306. In Sachsen spricht man von „Ortsstatuten“
und „polizeilichen Regulativen“; Leuthold, Sächs. V.R. S. 78 Anm. 7.
15 F. F. Mayer, Grunds. des V.R. S. 295 zählt das irrtümlicherweise alles
noch unter die „Selbstgesetzgebung“ der Gemeinde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0148" n="128"/><fw place="top" type="header">Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung.</fw><lb/>
gehörigen Autonomie obliegt, können zugleich staatliche Geschäfte<lb/>
zur Besorgung übertragen sein, insbesondere auch ein dazu gehöriges<lb/>
Polizeiverordnungsrecht. Dann schaffen sie dem entsprechend neben<lb/>
einander Rechtssätze von zweierlei Art, die durch ihre rechtliche<lb/>
Natur und die Bedingungen ihrer Erzeugung getrennt sind<note place="foot" n="14">Der Gegensatz wird im Bayr. R. bezeichnet mit &#x201E;Gemeindestatuten&#x201C; einer-<lb/>
seits und &#x201E;ortspolizeilichen Vorschriften&#x201C; andererseits; <hi rendition="#g">Seydel,</hi> Bayr. St.R. III<lb/>
S. 41 ff.; Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 306. In Sachsen spricht man von &#x201E;Ortsstatuten&#x201C;<lb/>
und &#x201E;polizeilichen Regulativen&#x201C;; <hi rendition="#g">Leuthold,</hi> Sächs. V.R. S. 78 Anm. 7.</note>. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Wie in der Staatsverwaltung neben den Verordnungen noch all-<lb/>
gemeine Anordnungen stehen, die davon zu scheiden waren, so auch<lb/>
in der Selbstverwaltung neben diesen Akten der Selbstgesetzgebung.<lb/>
Wir finden da zunächst wieder Verwaltungsvorschriften der nämlichen<lb/>
Art wie dort: Dienstvorschriften für die Gemeindebeamten, Ordnungen<lb/>
für die Benutzung gemeindlicher Anstalten u. s. w. Das hat keine<lb/>
Schwierigkeiten<note place="foot" n="15">F. F. <hi rendition="#g">Mayer,</hi> Grunds. des V.R. S. 295 zählt das irrtümlicherweise alles<lb/>
noch unter die &#x201E;Selbstgesetzgebung&#x201C; der Gemeinde.</note>.</p><lb/>
            <p>Au&#x017F;serdem giebt es aber hier auch noch eine zweite Art von<lb/><hi rendition="#g">Statuten,</hi> die <hi rendition="#g">Vereins- oder Körperschaftsstatuten,</hi> ge-<lb/>
gründet auf die genossenschaftliche Autonomie und ihrerseits gleich-<lb/>
falls bindende Regeln enthaltend, die als Satzungen bezeichnet<lb/>
werden.</p><lb/>
            <p>Diese Ordnungen sind nun trotz des gleichen Namens, den sie<lb/>
führen, von unserer Rechtsquelle wohl zu scheiden.</p><lb/>
            <p>Sie gehen aus von einer ganz entgegengesetzten Grundlage, die<lb/>
zum Teil noch au&#x017F;serhalb des Gebietes des öffentlichen Rechtes liegt.</p><lb/>
            <p>Der Verein, die Körperschaft gehören zunächst dem Civilrecht<lb/>
an. Der <hi rendition="#g">Verein</hi> entsteht durch vertragsmä&#x017F;sige Vereinigung<lb/>
mehrerer Personen für einen gemeinsamen Zweck. Er hat seine<lb/>
Statuten, welche die Verfassung, die Rechte und Pflichten seiner<lb/>
Mitglieder bestimmen. Die Gesamtheit oder für sie die Vorstand-<lb/>
schaft verfährt danach gegenüber den Einzelnen, wendet die<lb/>
Vereinssatzungen auf sie an und entfaltet sie weiter durch neue<lb/>
Satzungen. Darin besteht die Vereinsgewalt über die Mitglieder,<lb/>
entsprechend einer durch die Mitgliedschaft begründeten rechtlichen<lb/>
Bestimmbarkeit derselben innerhalb des Vertrags und des Vereinszweckes.</p><lb/>
            <p>Wenn der Verein juristische Persönlichkeit erhält, zur <hi rendition="#g">Körper-<lb/>
schaft</hi> wird, so ändert sich dadurch auch das innere Verhältnis in-<lb/>
soweit, als die Mitgliedschaftsrechte und -Pflichten fortan der juri-<lb/>
stischen Person gegenüber bestehen und jene Vereinsgewalt in ihrem<lb/>
Namen gehandhabt wird.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0148] Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. gehörigen Autonomie obliegt, können zugleich staatliche Geschäfte zur Besorgung übertragen sein, insbesondere auch ein dazu gehöriges Polizeiverordnungsrecht. Dann schaffen sie dem entsprechend neben einander Rechtssätze von zweierlei Art, die durch ihre rechtliche Natur und die Bedingungen ihrer Erzeugung getrennt sind 14. — Wie in der Staatsverwaltung neben den Verordnungen noch all- gemeine Anordnungen stehen, die davon zu scheiden waren, so auch in der Selbstverwaltung neben diesen Akten der Selbstgesetzgebung. Wir finden da zunächst wieder Verwaltungsvorschriften der nämlichen Art wie dort: Dienstvorschriften für die Gemeindebeamten, Ordnungen für die Benutzung gemeindlicher Anstalten u. s. w. Das hat keine Schwierigkeiten 15. Auſserdem giebt es aber hier auch noch eine zweite Art von Statuten, die Vereins- oder Körperschaftsstatuten, ge- gründet auf die genossenschaftliche Autonomie und ihrerseits gleich- falls bindende Regeln enthaltend, die als Satzungen bezeichnet werden. Diese Ordnungen sind nun trotz des gleichen Namens, den sie führen, von unserer Rechtsquelle wohl zu scheiden. Sie gehen aus von einer ganz entgegengesetzten Grundlage, die zum Teil noch auſserhalb des Gebietes des öffentlichen Rechtes liegt. Der Verein, die Körperschaft gehören zunächst dem Civilrecht an. Der Verein entsteht durch vertragsmäſsige Vereinigung mehrerer Personen für einen gemeinsamen Zweck. Er hat seine Statuten, welche die Verfassung, die Rechte und Pflichten seiner Mitglieder bestimmen. Die Gesamtheit oder für sie die Vorstand- schaft verfährt danach gegenüber den Einzelnen, wendet die Vereinssatzungen auf sie an und entfaltet sie weiter durch neue Satzungen. Darin besteht die Vereinsgewalt über die Mitglieder, entsprechend einer durch die Mitgliedschaft begründeten rechtlichen Bestimmbarkeit derselben innerhalb des Vertrags und des Vereinszweckes. Wenn der Verein juristische Persönlichkeit erhält, zur Körper- schaft wird, so ändert sich dadurch auch das innere Verhältnis in- soweit, als die Mitgliedschaftsrechte und -Pflichten fortan der juri- stischen Person gegenüber bestehen und jene Vereinsgewalt in ihrem Namen gehandhabt wird. 14 Der Gegensatz wird im Bayr. R. bezeichnet mit „Gemeindestatuten“ einer- seits und „ortspolizeilichen Vorschriften“ andererseits; Seydel, Bayr. St.R. III S. 41 ff.; Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 306. In Sachsen spricht man von „Ortsstatuten“ und „polizeilichen Regulativen“; Leuthold, Sächs. V.R. S. 78 Anm. 7. 15 F. F. Mayer, Grunds. des V.R. S. 295 zählt das irrtümlicherweise alles noch unter die „Selbstgesetzgebung“ der Gemeinde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/148
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/148>, abgerufen am 27.11.2024.