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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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A. Mayer:
mag sich bei der Zustimmung zu den -- wie wir hoffen wollen
-- wohlthätigen aber unleugbar illiberalen Maigesetzen, mit Un-
behagen an die Phrasen seiner eigenen Partei aus dem Jahre
48 und selbst noch während der Confliktsperiode erinnert haben.

Auf keinem Gebiete hat freilich der radicale Liberalismus
so gründlich Schiffbruch gelitten als auf dem ökonomischen.
Haben sich doch unter seinem Wahlspruche des "laisser faire"
vielfache wirthschaftliche Zustände herausgebildet, welche über
das Verhältniß zwischen Frohnherr und Leibeigenen zu stellen
pharisäische Heuchelei wäre.

Aber auch sonst ist die gleichartige Wirkung der gleich-
artigen Ursache nicht zu verkennen. Allerdings bis in die Zu-
stände der Gelehrtenwelt hinein pflegt man derartige Einwir-
kungen nicht zu suchen, da jene unabhängig von modischen
Regierungsgrundsätzen ihre Organisation erlangt und bewahrt
hat. Und doch läßt sich nachweisen, daß gerade die deutschen
Universitäten diese ausschließlichen Mittelpunkte unseres Ge-
lehrtenthums ihren streug liberalistischen Einrichtungen neben
den berühmten Vorzügen auch schwere Schädigungen verdanken,
über welche man nur jenen zu Liebe die Augen schließt, als
wenn beide untrennbar mit einander verbunden wären.

Daß zunächst die Jnstitutionen unserer Hochschulen nicht
blos liberal, daß sie wirklich liberalistisch sind, liegt für den
unbefangenen Beobachter klar zu Tage. Nicht blos die Selbst-
ständigkeit unserer Fakultäten den Ministerien gegenüber, welche
sich historisch aus den Corporationsrechten der alten reichlich
mit Privilegien ausgerüsteten hohen Schulen einer schwachen
Staatsgewalt gegenüber erklären läßt1), haben wir hierbei im

1) "Es ist sehr merkwürdig", sagt Helmholz in seiner Berliner Rec-
toratsrede (1877 S. 15), "wie unter den Kriegsstürmen und politischen
Umwälzungen, in den mit dem zerfallenden Kaiserthum um die Befestigung


A. Mayer:
mag ſich bei der Zuſtimmung zu den — wie wir hoffen wollen
— wohlthätigen aber unleugbar illiberalen Maigeſetzen, mit Un-
behagen an die Phraſen ſeiner eigenen Partei aus dem Jahre
48 und ſelbſt noch während der Confliktsperiode erinnert haben.

Auf keinem Gebiete hat freilich der radicale Liberalismus
ſo gründlich Schiffbruch gelitten als auf dem ökonomiſchen.
Haben ſich doch unter ſeinem Wahlſpruche des „laisser faire
vielfache wirthſchaftliche Zuſtände herausgebildet, welche über
das Verhältniß zwiſchen Frohnherr und Leibeigenen zu ſtellen
phariſäiſche Heuchelei wäre.

Aber auch ſonſt iſt die gleichartige Wirkung der gleich-
artigen Urſache nicht zu verkennen. Allerdings bis in die Zu-
ſtände der Gelehrtenwelt hinein pflegt man derartige Einwir-
kungen nicht zu ſuchen, da jene unabhängig von modiſchen
Regierungsgrundſätzen ihre Organiſation erlangt und bewahrt
hat. Und doch läßt ſich nachweiſen, daß gerade die deutſchen
Univerſitäten dieſe ausſchließlichen Mittelpunkte unſeres Ge-
lehrtenthums ihren ſtreug liberaliſtiſchen Einrichtungen neben
den berühmten Vorzügen auch ſchwere Schädigungen verdanken,
über welche man nur jenen zu Liebe die Augen ſchließt, als
wenn beide untrennbar mit einander verbunden wären.

Daß zunächſt die Jnſtitutionen unſerer Hochſchulen nicht
blos liberal, daß ſie wirklich liberaliſtiſch ſind, liegt für den
unbefangenen Beobachter klar zu Tage. Nicht blos die Selbſt-
ſtändigkeit unſerer Fakultäten den Miniſterien gegenüber, welche
ſich hiſtoriſch aus den Corporationsrechten der alten reichlich
mit Privilegien ausgerüſteten hohen Schulen einer ſchwachen
Staatsgewalt gegenüber erklären läßt1), haben wir hierbei im

1) „Es iſt ſehr merkwürdig‟, ſagt Helmholz in ſeiner Berliner Rec-
toratsrede (1877 S. 15), „wie unter den Kriegsſtürmen und politiſchen
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[166 [6]/0008] A. Mayer: mag ſich bei der Zuſtimmung zu den — wie wir hoffen wollen — wohlthätigen aber unleugbar illiberalen Maigeſetzen, mit Un- behagen an die Phraſen ſeiner eigenen Partei aus dem Jahre 48 und ſelbſt noch während der Confliktsperiode erinnert haben. Auf keinem Gebiete hat freilich der radicale Liberalismus ſo gründlich Schiffbruch gelitten als auf dem ökonomiſchen. Haben ſich doch unter ſeinem Wahlſpruche des „laisser faire‟ vielfache wirthſchaftliche Zuſtände herausgebildet, welche über das Verhältniß zwiſchen Frohnherr und Leibeigenen zu ſtellen phariſäiſche Heuchelei wäre. Aber auch ſonſt iſt die gleichartige Wirkung der gleich- artigen Urſache nicht zu verkennen. Allerdings bis in die Zu- ſtände der Gelehrtenwelt hinein pflegt man derartige Einwir- kungen nicht zu ſuchen, da jene unabhängig von modiſchen Regierungsgrundſätzen ihre Organiſation erlangt und bewahrt hat. Und doch läßt ſich nachweiſen, daß gerade die deutſchen Univerſitäten dieſe ausſchließlichen Mittelpunkte unſeres Ge- lehrtenthums ihren ſtreug liberaliſtiſchen Einrichtungen neben den berühmten Vorzügen auch ſchwere Schädigungen verdanken, über welche man nur jenen zu Liebe die Augen ſchließt, als wenn beide untrennbar mit einander verbunden wären. Daß zunächſt die Jnſtitutionen unſerer Hochſchulen nicht blos liberal, daß ſie wirklich liberaliſtiſch ſind, liegt für den unbefangenen Beobachter klar zu Tage. Nicht blos die Selbſt- ſtändigkeit unſerer Fakultäten den Miniſterien gegenüber, welche ſich hiſtoriſch aus den Corporationsrechten der alten reichlich mit Privilegien ausgerüſteten hohen Schulen einer ſchwachen Staatsgewalt gegenüber erklären läßt 1), haben wir hierbei im 1) „Es iſt ſehr merkwürdig‟, ſagt Helmholz in ſeiner Berliner Rec- toratsrede (1877 S. 15), „wie unter den Kriegsſtürmen und politiſchen Umwälzungen, in den mit dem zerfallenden Kaiſerthum um die Befeſtigung

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 166 [6]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/8>, abgerufen am 24.11.2024.