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Mayer, Adolf: Das Düngerkapital und der Raubbau. Heidelberg, 1869.

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Das Düngerkapital.
beobachtet, so wird dieser, wenn er einen Mahlgang nach dem an-
dern eingehen sieht, ungefähr folgende Reflexionen anstellen. Wenn
der Vater voriges Jahr einen Gang hat eingehen lassen und die-
ses Jahr wieder einen eingehen läßt und dies so fort geht, so hat
er, da er noch zwanzig Gänge hat, nach eben so viel Jahren kei-
nen Gang mehr. Niemand wird bestreiten, daß dies logisch ge-
dacht ist und daß sich durch diese Consequenzen eine trübe Per-
spektive für den kleinen Sohn eröffnet. Niemand wird aber auch
die falsche Voraussetzung übersehen, auf der jene Schlußfolgerungen
beruhen und Niemand wird sich des Lächelns erwehren können,
wenn er nun sieht, wie der kleine Junge seinen Vater dringend
beschwört, doch ja in seinem Beginnen inne zu halten, denn ohne
Mahlgänge könne man kein Mehl machen, und vom Mehlmachen
müßten sie doch leben, er solle doch nicht sich und seine Nachkom-
men in's Unglück stürzen! -- -- Es wird hier bedenklich die Pa-
rallele weiter zu ziehen.

Der einsichtige oder auch nur praktische Müller wird sich durch
diese Deklamationen und auch nicht durch den scharfsinnigen Beweis,
daß wenn man immer Mahlgänge entferne und keine neuen wieder
anschaffe, diese sich verminderen, und daß man mit weniger Gängen auch
weniger Mehl machen könne, nicht irre machen lassen, sondern seine
Rechnung anstellen, und erst Einhalt thun, wenn er es rentabel
findet, das Betriebskapital nicht weiter zu reduciren.

Für den landwirthschaftlichen Betrieb ist es nun allerdings
schwieriger, das Zusammenwirken der Produktionsbedingungen zu
überblicken; aber eine gewissenhafte Prüfung wird einen Jeden zu
Einsicht führen, daß man genau denselben Fehlschluß macht, wie
der kleine Sohn des Müllers in unserem Vergleich, wenn man aus
den sehr bekannten Betrachtungen über den Raubbau jene Folge-
rungen zieht, die schon manches Gemüth geängstigt haben, es sei

Das Düngerkapital.
beobachtet, ſo wird dieſer, wenn er einen Mahlgang nach dem an-
dern eingehen ſieht, ungefähr folgende Reflexionen anſtellen. Wenn
der Vater voriges Jahr einen Gang hat eingehen laſſen und die-
ſes Jahr wieder einen eingehen läßt und dies ſo fort geht, ſo hat
er, da er noch zwanzig Gänge hat, nach eben ſo viel Jahren kei-
nen Gang mehr. Niemand wird beſtreiten, daß dies logiſch ge-
dacht iſt und daß ſich durch dieſe Conſequenzen eine trübe Per-
ſpektive für den kleinen Sohn eröffnet. Niemand wird aber auch
die falſche Vorausſetzung überſehen, auf der jene Schlußfolgerungen
beruhen und Niemand wird ſich des Lächelns erwehren können,
wenn er nun ſieht, wie der kleine Junge ſeinen Vater dringend
beſchwört, doch ja in ſeinem Beginnen inne zu halten, denn ohne
Mahlgänge könne man kein Mehl machen, und vom Mehlmachen
müßten ſie doch leben, er ſolle doch nicht ſich und ſeine Nachkom-
men in’s Unglück ſtürzen! — — Es wird hier bedenklich die Pa-
rallele weiter zu ziehen.

Der einſichtige oder auch nur praktiſche Müller wird ſich durch
dieſe Deklamationen und auch nicht durch den ſcharfſinnigen Beweis,
daß wenn man immer Mahlgänge entferne und keine neuen wieder
anſchaffe, dieſe ſich verminderen, und daß man mit weniger Gängen auch
weniger Mehl machen könne, nicht irre machen laſſen, ſondern ſeine
Rechnung anſtellen, und erſt Einhalt thun, wenn er es rentabel
findet, das Betriebskapital nicht weiter zu reduciren.

Für den landwirthſchaftlichen Betrieb iſt es nun allerdings
ſchwieriger, das Zuſammenwirken der Produktionsbedingungen zu
überblicken; aber eine gewiſſenhafte Prüfung wird einen Jeden zu
Einſicht führen, daß man genau denſelben Fehlſchluß macht, wie
der kleine Sohn des Müllers in unſerem Vergleich, wenn man aus
den ſehr bekannten Betrachtungen über den Raubbau jene Folge-
rungen zieht, die ſchon manches Gemüth geängſtigt haben, es ſei

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[47/0057] Das Düngerkapital. beobachtet, ſo wird dieſer, wenn er einen Mahlgang nach dem an- dern eingehen ſieht, ungefähr folgende Reflexionen anſtellen. Wenn der Vater voriges Jahr einen Gang hat eingehen laſſen und die- ſes Jahr wieder einen eingehen läßt und dies ſo fort geht, ſo hat er, da er noch zwanzig Gänge hat, nach eben ſo viel Jahren kei- nen Gang mehr. Niemand wird beſtreiten, daß dies logiſch ge- dacht iſt und daß ſich durch dieſe Conſequenzen eine trübe Per- ſpektive für den kleinen Sohn eröffnet. Niemand wird aber auch die falſche Vorausſetzung überſehen, auf der jene Schlußfolgerungen beruhen und Niemand wird ſich des Lächelns erwehren können, wenn er nun ſieht, wie der kleine Junge ſeinen Vater dringend beſchwört, doch ja in ſeinem Beginnen inne zu halten, denn ohne Mahlgänge könne man kein Mehl machen, und vom Mehlmachen müßten ſie doch leben, er ſolle doch nicht ſich und ſeine Nachkom- men in’s Unglück ſtürzen! — — Es wird hier bedenklich die Pa- rallele weiter zu ziehen. Der einſichtige oder auch nur praktiſche Müller wird ſich durch dieſe Deklamationen und auch nicht durch den ſcharfſinnigen Beweis, daß wenn man immer Mahlgänge entferne und keine neuen wieder anſchaffe, dieſe ſich verminderen, und daß man mit weniger Gängen auch weniger Mehl machen könne, nicht irre machen laſſen, ſondern ſeine Rechnung anſtellen, und erſt Einhalt thun, wenn er es rentabel findet, das Betriebskapital nicht weiter zu reduciren. Für den landwirthſchaftlichen Betrieb iſt es nun allerdings ſchwieriger, das Zuſammenwirken der Produktionsbedingungen zu überblicken; aber eine gewiſſenhafte Prüfung wird einen Jeden zu Einſicht führen, daß man genau denſelben Fehlſchluß macht, wie der kleine Sohn des Müllers in unſerem Vergleich, wenn man aus den ſehr bekannten Betrachtungen über den Raubbau jene Folge- rungen zieht, die ſchon manches Gemüth geängſtigt haben, es ſei

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Das Düngerkapital und der Raubbau. Heidelberg, 1869, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_duengerkapital_1869/57>, abgerufen am 21.11.2024.