Abnahme über alle angeblichen Gränzen hinaus- gedacht wird, also die Grössen y und x unend- lich klein werden, noch immer ein Verhältniß der- selben gedacht werden kann.
Ohne demnach y und x völlig verschwinden zu lassen, betrachtet man das Verhältniß a : 1 als das Gränzverhältniß, dem sich das von y : x ohne Ende immer mehr und mehr nähert, und man darf nun mit eben dem Rechte y : x = a : 1 setzen, als man z. B. die Summe der unendlichen Reihe (XXXII) = 1 setzt, da sie sich doch eigentlich diesem Werthe, nur ohne Ende nähert.
XXXV. Manche Schriftsteller betrachten die Null als die Gränze, der sich eine ohne Ende abnehmende Grösse immer mehr und mehr nä- hert. Diese Vorstellung kann man immer gelten lassen, wenn man die ohne Ende abnehmende oder unendlich kleine Grösse, nur nicht selbst für Null hält, oder glaubt daß sie es völlig werden könnte, weil dies dem Begriffe einer ohne Ende abneh- menden Grösse widerspricht (XX). Noch weniger darf man sich erlauben, eine unendlich kleine Grösse bald für Null zu halten, bald aber auch wieder als eine würkliche Grösse zu behandeln, wie so
häu-
Differenzial-Rechnung. Vorbegriffe.
Abnahme uͤber alle angeblichen Graͤnzen hinaus- gedacht wird, alſo die Groͤſſen y und x unend- lich klein werden, noch immer ein Verhaͤltniß der- ſelben gedacht werden kann.
Ohne demnach y und x voͤllig verſchwinden zu laſſen, betrachtet man das Verhaͤltniß a : 1 als das Graͤnzverhaͤltniß, dem ſich das von y : x ohne Ende immer mehr und mehr naͤhert, und man darf nun mit eben dem Rechte y : x = a : 1 ſetzen, als man z. B. die Summe der unendlichen Reihe (XXXII) = 1 ſetzt, da ſie ſich doch eigentlich dieſem Werthe, nur ohne Ende naͤhert.
XXXV. Manche Schriftſteller betrachten die Null als die Graͤnze, der ſich eine ohne Ende abnehmende Groͤſſe immer mehr und mehr naͤ- hert. Dieſe Vorſtellung kann man immer gelten laſſen, wenn man die ohne Ende abnehmende oder unendlich kleine Groͤſſe, nur nicht ſelbſt fuͤr Null haͤlt, oder glaubt daß ſie es voͤllig werden koͤnnte, weil dies dem Begriffe einer ohne Ende abneh- menden Groͤſſe widerſpricht (XX). Noch weniger darf man ſich erlauben, eine unendlich kleine Groͤſſe bald fuͤr Null zu halten, bald aber auch wieder als eine wuͤrkliche Groͤſſe zu behandeln, wie ſo
haͤu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0077"n="59"/><fwplace="top"type="header">Differenzial-Rechnung. Vorbegriffe.</fw><lb/>
Abnahme uͤber alle angeblichen Graͤnzen hinaus-<lb/>
gedacht wird, alſo die Groͤſſen <hirendition="#aq">y</hi> und <hirendition="#aq">x</hi> unend-<lb/>
lich klein werden, noch immer ein Verhaͤltniß der-<lb/>ſelben gedacht werden kann.</p><lb/><p>Ohne demnach <hirendition="#aq">y</hi> und <hirendition="#aq">x</hi> voͤllig verſchwinden zu<lb/>
laſſen, betrachtet man das Verhaͤltniß <hirendition="#aq">a</hi> : 1 als<lb/>
das <hirendition="#g">Graͤnzverhaͤltniß</hi>, dem ſich das von<lb/><hirendition="#aq">y : x</hi> ohne Ende immer mehr und mehr naͤhert,<lb/>
und man darf nun mit eben dem Rechte<lb/><hirendition="#aq">y : x = a : 1</hi>ſetzen, als man z. B. die Summe<lb/>
der unendlichen Reihe (<hirendition="#aq">XXXII</hi>) = 1 ſetzt, da<lb/>ſie ſich doch eigentlich dieſem Werthe, nur ohne<lb/>
Ende naͤhert.</p><lb/><p><hirendition="#aq">XXXV.</hi> Manche Schriftſteller betrachten die<lb/>
Null als die Graͤnze, der ſich eine ohne Ende<lb/>
abnehmende Groͤſſe immer mehr und mehr naͤ-<lb/>
hert. Dieſe Vorſtellung kann man immer gelten<lb/>
laſſen, wenn man die ohne Ende abnehmende oder<lb/>
unendlich kleine Groͤſſe, nur nicht ſelbſt fuͤr Null<lb/>
haͤlt, oder glaubt daß ſie es voͤllig werden koͤnnte,<lb/>
weil dies dem Begriffe einer ohne Ende abneh-<lb/>
menden Groͤſſe widerſpricht (<hirendition="#aq">XX</hi>). Noch weniger<lb/>
darf man ſich erlauben, eine unendlich kleine Groͤſſe<lb/>
bald fuͤr Null zu halten, bald aber auch wieder<lb/>
als eine wuͤrkliche Groͤſſe zu behandeln, wie ſo<lb/><fwplace="bottom"type="catch">haͤu-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[59/0077]
Differenzial-Rechnung. Vorbegriffe.
Abnahme uͤber alle angeblichen Graͤnzen hinaus-
gedacht wird, alſo die Groͤſſen y und x unend-
lich klein werden, noch immer ein Verhaͤltniß der-
ſelben gedacht werden kann.
Ohne demnach y und x voͤllig verſchwinden zu
laſſen, betrachtet man das Verhaͤltniß a : 1 als
das Graͤnzverhaͤltniß, dem ſich das von
y : x ohne Ende immer mehr und mehr naͤhert,
und man darf nun mit eben dem Rechte
y : x = a : 1 ſetzen, als man z. B. die Summe
der unendlichen Reihe (XXXII) = 1 ſetzt, da
ſie ſich doch eigentlich dieſem Werthe, nur ohne
Ende naͤhert.
XXXV. Manche Schriftſteller betrachten die
Null als die Graͤnze, der ſich eine ohne Ende
abnehmende Groͤſſe immer mehr und mehr naͤ-
hert. Dieſe Vorſtellung kann man immer gelten
laſſen, wenn man die ohne Ende abnehmende oder
unendlich kleine Groͤſſe, nur nicht ſelbſt fuͤr Null
haͤlt, oder glaubt daß ſie es voͤllig werden koͤnnte,
weil dies dem Begriffe einer ohne Ende abneh-
menden Groͤſſe widerſpricht (XX). Noch weniger
darf man ſich erlauben, eine unendlich kleine Groͤſſe
bald fuͤr Null zu halten, bald aber auch wieder
als eine wuͤrkliche Groͤſſe zu behandeln, wie ſo
haͤu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Johann Tobias: Vollständiger Lehrbegriff der höhern Analysis. Bd. 1. Göttingen, 1818, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_analysis01_1818/77>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.