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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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vorüber und langten an dem Orte an, wo der "Heilige"
sich und seinen Feind der Rache geopfert hatte. Wir sahen
einen Aschenhügel, aus dem die halb verbrannten Stum-
mel starker Hölzer hervorragten. Vor demselben lag die
Leiche des erschossenen Parlamentärs. Die Hitze des Feuers
hatte wohl seine Kleider, nicht aber seinen Körper zerstört.
Er wurde entfernt, eine Arbeit, bei welcher unsere Ge-
ruchsnerven nicht wenig zu leiden hatten.

Die Asche war erkaltet. Die nahe liegenden Häuser
lieferten die nötigen Werkzeuge, und nun begann man eine
vorsichtige, nur Zoll für Zoll fortschreitende Wegräumung
der Aschendecke. Diese Abräumung mußte so sorglich vor-
genommen werden, daß sie eine sehr lange Zeit in An-
spruch nahm, während welcher ein Dschesidi mit einem
Maultiere anlangte, auf dessen Rücken die Urne befestigt
war. Ihre Form glich über dem Fuße derjenigen eines
umgestürzten Glasschirmes, wie wir sie auf unseren Lam-
pen zu sehen pflegen, und darauf ruhte ein Deckel, wel-
chen eine Sonne krönte. Auf diesem Gefäße waren eine
Abbildung und einige Worte im Kurmangdschi eingebrannt.

Es schien mir ganz unmöglich, die Ueberreste des
"Heiligen" von denen des Scheiterhaufens zu unterscheiden;
allein ich sollte mich bei dieser Annahme geirrt haben.
Als die Asche beinahe bis zum Boden herab fortgeräumt
worden war, wurden zwei formlose Klumpen bloßgelegt,
denen die Priester ihre ganze Aufmerksamkeit zuwandten.
Sie schienen nicht ins Reine kommen zu können, und Mir
Scheik Khan winkte mich hinzu.

Es war keine leichte Aufgabe, diese Gegenstände genau
zu untersuchen; man mußte sich Mund und Nase dabei
verschließen. Wir hatten wirklich die Körper der beiden
Toten vor uns. Sie waren halb verbraten und halb ver-
kohlt, auf ein Dritteil ihrer früheren Größe zusammen-

vorüber und langten an dem Orte an, wo der „Heilige“
ſich und ſeinen Feind der Rache geopfert hatte. Wir ſahen
einen Aſchenhügel, aus dem die halb verbrannten Stum-
mel ſtarker Hölzer hervorragten. Vor demſelben lag die
Leiche des erſchoſſenen Parlamentärs. Die Hitze des Feuers
hatte wohl ſeine Kleider, nicht aber ſeinen Körper zerſtört.
Er wurde entfernt, eine Arbeit, bei welcher unſere Ge-
ruchsnerven nicht wenig zu leiden hatten.

Die Aſche war erkaltet. Die nahe liegenden Häuſer
lieferten die nötigen Werkzeuge, und nun begann man eine
vorſichtige, nur Zoll für Zoll fortſchreitende Wegräumung
der Aſchendecke. Dieſe Abräumung mußte ſo ſorglich vor-
genommen werden, daß ſie eine ſehr lange Zeit in An-
ſpruch nahm, während welcher ein Dſcheſidi mit einem
Maultiere anlangte, auf deſſen Rücken die Urne befeſtigt
war. Ihre Form glich über dem Fuße derjenigen eines
umgeſtürzten Glasſchirmes, wie wir ſie auf unſeren Lam-
pen zu ſehen pflegen, und darauf ruhte ein Deckel, wel-
chen eine Sonne krönte. Auf dieſem Gefäße waren eine
Abbildung und einige Worte im Kurmangdſchi eingebrannt.

Es ſchien mir ganz unmöglich, die Ueberreſte des
„Heiligen“ von denen des Scheiterhaufens zu unterſcheiden;
allein ich ſollte mich bei dieſer Annahme geirrt haben.
Als die Aſche beinahe bis zum Boden herab fortgeräumt
worden war, wurden zwei formloſe Klumpen bloßgelegt,
denen die Prieſter ihre ganze Aufmerkſamkeit zuwandten.
Sie ſchienen nicht ins Reine kommen zu können, und Mir
Scheik Khan winkte mich hinzu.

Es war keine leichte Aufgabe, dieſe Gegenſtände genau
zu unterſuchen; man mußte ſich Mund und Naſe dabei
verſchließen. Wir hatten wirklich die Körper der beiden
Toten vor uns. Sie waren halb verbraten und halb ver-
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[85/0099] vorüber und langten an dem Orte an, wo der „Heilige“ ſich und ſeinen Feind der Rache geopfert hatte. Wir ſahen einen Aſchenhügel, aus dem die halb verbrannten Stum- mel ſtarker Hölzer hervorragten. Vor demſelben lag die Leiche des erſchoſſenen Parlamentärs. Die Hitze des Feuers hatte wohl ſeine Kleider, nicht aber ſeinen Körper zerſtört. Er wurde entfernt, eine Arbeit, bei welcher unſere Ge- ruchsnerven nicht wenig zu leiden hatten. Die Aſche war erkaltet. Die nahe liegenden Häuſer lieferten die nötigen Werkzeuge, und nun begann man eine vorſichtige, nur Zoll für Zoll fortſchreitende Wegräumung der Aſchendecke. Dieſe Abräumung mußte ſo ſorglich vor- genommen werden, daß ſie eine ſehr lange Zeit in An- ſpruch nahm, während welcher ein Dſcheſidi mit einem Maultiere anlangte, auf deſſen Rücken die Urne befeſtigt war. Ihre Form glich über dem Fuße derjenigen eines umgeſtürzten Glasſchirmes, wie wir ſie auf unſeren Lam- pen zu ſehen pflegen, und darauf ruhte ein Deckel, wel- chen eine Sonne krönte. Auf dieſem Gefäße waren eine Abbildung und einige Worte im Kurmangdſchi eingebrannt. Es ſchien mir ganz unmöglich, die Ueberreſte des „Heiligen“ von denen des Scheiterhaufens zu unterſcheiden; allein ich ſollte mich bei dieſer Annahme geirrt haben. Als die Aſche beinahe bis zum Boden herab fortgeräumt worden war, wurden zwei formloſe Klumpen bloßgelegt, denen die Prieſter ihre ganze Aufmerkſamkeit zuwandten. Sie ſchienen nicht ins Reine kommen zu können, und Mir Scheik Khan winkte mich hinzu. Es war keine leichte Aufgabe, dieſe Gegenſtände genau zu unterſuchen; man mußte ſich Mund und Naſe dabei verſchließen. Wir hatten wirklich die Körper der beiden Toten vor uns. Sie waren halb verbraten und halb ver- kohlt, auf ein Dritteil ihrer früheren Größe zuſammen-

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/99>, abgerufen am 25.11.2024.