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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Nach einem kurzen Bedenken und einigen unwesent-
lichen Hinzufügungen und Ausführungen nahm der Kaima-
kam die Bedingungen an. Er verwandte sich sehr für den
Makredsch und verlangte die Auslieferung desselben, doch
ging Ali nicht darauf ein. Es wurde Papier herbei-
geschafft; ich entwarf den Vertrag, und beide unterzeich-
neten: der eine durch die Unterschrift seines Namens und
der andere mit seinem Bu-kendim *). Dann kehrte der Offi-
zier in das Thal zurück, wobei es ihm erlaubt wurde,
seine drei Soldaten wieder mitzunehmen.

Nun wartete Pali auf die Befehle seines Vorgesetzten.

"Willst du mir einen Brief an den Mutessarif schrei-
ben?" fragte mich dieser.

"Gern! Was willst du ihm mitteilen?"

"Die jetzige Lage seiner Truppen. Dann sollst du
ihm sagen, daß ich mit ihm zu verhandeln wünsche, daß
ich ihn entweder hier erwarte oder in Dscherraijah mit
ihm zusammentreffen will. Er darf aber eine Begleitung
von höchstens fünfzig Mann mitbringen und hat sich aller
Feindseligkeiten zu enthalten. Die Zusammenkunft findet
übermorgen bis zum Mittag statt. Versäumt er, zu kom-
men, so töte ich den Makredsch und lasse seine Truppen
ihre eigenen Kartätschen fühlen. Dies geschieht auch dann,
sobald ich bemerke, daß er gesonnen ist, die Feindselig-
keiten fortzusetzen. Kannst du dies schreiben?"

"Ja."

"Ich werde Pali noch ganz besondere Aufträge er-
teilen. Schreibe so schnell wie möglich, damit er bald auf-
brechen kann!"

Einige Minuten später saß ich im Zelte und schrieb
mit meinem Bleistifte, nach orientalischer Manier das

*) Wörtlich: "Dieses ich selbst" oder "Dieses bin ich selbst" -- ein statt der
Namensunterschrift geltendes Zeichen.

Nach einem kurzen Bedenken und einigen unweſent-
lichen Hinzufügungen und Ausführungen nahm der Kaima-
kam die Bedingungen an. Er verwandte ſich ſehr für den
Makredſch und verlangte die Auslieferung desſelben, doch
ging Ali nicht darauf ein. Es wurde Papier herbei-
geſchafft; ich entwarf den Vertrag, und beide unterzeich-
neten: der eine durch die Unterſchrift ſeines Namens und
der andere mit ſeinem Bu-kendim *). Dann kehrte der Offi-
zier in das Thal zurück, wobei es ihm erlaubt wurde,
ſeine drei Soldaten wieder mitzunehmen.

Nun wartete Pali auf die Befehle ſeines Vorgeſetzten.

„Willſt du mir einen Brief an den Muteſſarif ſchrei-
ben?“ fragte mich dieſer.

„Gern! Was willſt du ihm mitteilen?“

„Die jetzige Lage ſeiner Truppen. Dann ſollſt du
ihm ſagen, daß ich mit ihm zu verhandeln wünſche, daß
ich ihn entweder hier erwarte oder in Dſcherraijah mit
ihm zuſammentreffen will. Er darf aber eine Begleitung
von höchſtens fünfzig Mann mitbringen und hat ſich aller
Feindſeligkeiten zu enthalten. Die Zuſammenkunft findet
übermorgen bis zum Mittag ſtatt. Verſäumt er, zu kom-
men, ſo töte ich den Makredſch und laſſe ſeine Truppen
ihre eigenen Kartätſchen fühlen. Dies geſchieht auch dann,
ſobald ich bemerke, daß er geſonnen iſt, die Feindſelig-
keiten fortzuſetzen. Kannſt du dies ſchreiben?“

„Ja.“

„Ich werde Pali noch ganz beſondere Aufträge er-
teilen. Schreibe ſo ſchnell wie möglich, damit er bald auf-
brechen kann!“

Einige Minuten ſpäter ſaß ich im Zelte und ſchrieb
mit meinem Bleiſtifte, nach orientaliſcher Manier das

*) Wörtlich: „Dieſes ich ſelbſt“ oder „Dieſes bin ich ſelbſt“ — ein ſtatt der
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[79/0093] Nach einem kurzen Bedenken und einigen unweſent- lichen Hinzufügungen und Ausführungen nahm der Kaima- kam die Bedingungen an. Er verwandte ſich ſehr für den Makredſch und verlangte die Auslieferung desſelben, doch ging Ali nicht darauf ein. Es wurde Papier herbei- geſchafft; ich entwarf den Vertrag, und beide unterzeich- neten: der eine durch die Unterſchrift ſeines Namens und der andere mit ſeinem Bu-kendim *). Dann kehrte der Offi- zier in das Thal zurück, wobei es ihm erlaubt wurde, ſeine drei Soldaten wieder mitzunehmen. Nun wartete Pali auf die Befehle ſeines Vorgeſetzten. „Willſt du mir einen Brief an den Muteſſarif ſchrei- ben?“ fragte mich dieſer. „Gern! Was willſt du ihm mitteilen?“ „Die jetzige Lage ſeiner Truppen. Dann ſollſt du ihm ſagen, daß ich mit ihm zu verhandeln wünſche, daß ich ihn entweder hier erwarte oder in Dſcherraijah mit ihm zuſammentreffen will. Er darf aber eine Begleitung von höchſtens fünfzig Mann mitbringen und hat ſich aller Feindſeligkeiten zu enthalten. Die Zuſammenkunft findet übermorgen bis zum Mittag ſtatt. Verſäumt er, zu kom- men, ſo töte ich den Makredſch und laſſe ſeine Truppen ihre eigenen Kartätſchen fühlen. Dies geſchieht auch dann, ſobald ich bemerke, daß er geſonnen iſt, die Feindſelig- keiten fortzuſetzen. Kannſt du dies ſchreiben?“ „Ja.“ „Ich werde Pali noch ganz beſondere Aufträge er- teilen. Schreibe ſo ſchnell wie möglich, damit er bald auf- brechen kann!“ Einige Minuten ſpäter ſaß ich im Zelte und ſchrieb mit meinem Bleiſtifte, nach orientaliſcher Manier das *) Wörtlich: „Dieſes ich ſelbſt“ oder „Dieſes bin ich ſelbſt“ — ein ſtatt der Namensunterſchrift geltendes Zeichen.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/93>, abgerufen am 26.11.2024.