Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

lassung, uns zu überfallen? Muß er da just Scheik Adi
überfallen, wo jetzt Tausende von Menschen sind, die nicht
nach Mossul gehören, und die ihm auf keinen Fall etwas
schuldig sind? Kaimakam, du und ich, wir beide wissen
sehr genau, was es eigentlich ist, was der Gouverneur
von uns will: Geld und Beute. Es ist ihm nicht ge-
lungen, uns zu berauben, und so wollen wir also nicht
weiter über seine Gründe sprechen. Du bist weder ein
Jurist noch ein Steuereinnehmer; du bist Offizier, und
darum habe ich mit dir nur das zu besprechen, was deine
militärische Aufgabe betrifft. Du sollst reden, und ich
werde hören!"

"Ich habe von dir den Haradsch und die Mörder zu
verlangen, sonst muß ich auf Befehl des Mutessarif Scheik
Adi und alle Ortschaften der Dschesidi zerstören und einen
jeden töten, der mir Widerstand leistet."

"Und alles mit dir nehmen, was die Dschesidi be-
sitzen?"

"Alles!"

"So lautet der Befehl des Gouverneur?"

"So lautet er."

"Und du wirst ihn erfüllen?"

"Mit allen Kräften."

"Thue es!"

Er erhob sich, zum Zeichen, daß die Unterredung be-
endet sei. Der Kaimakam machte eine Bewegung, ihn
zurückzuhalten.

"Was wirst du beginnen, Bey?"

"Du wirst die Dörfer der Dschesidi zerstören und die
Einwohner derselben berauben, und ich, das Oberhaupt
der Dschesidi, werde meine Unterthanen zu beschützen wissen.
Ihr seid ohne vorherige Anmeldung bei mir eingebrochen;
ihr verteidigt das mit Gründen, welche Lügen sind; ihr

laſſung, uns zu überfallen? Muß er da juſt Scheik Adi
überfallen, wo jetzt Tauſende von Menſchen ſind, die nicht
nach Moſſul gehören, und die ihm auf keinen Fall etwas
ſchuldig ſind? Kaimakam, du und ich, wir beide wiſſen
ſehr genau, was es eigentlich iſt, was der Gouverneur
von uns will: Geld und Beute. Es iſt ihm nicht ge-
lungen, uns zu berauben, und ſo wollen wir alſo nicht
weiter über ſeine Gründe ſprechen. Du biſt weder ein
Juriſt noch ein Steuereinnehmer; du biſt Offizier, und
darum habe ich mit dir nur das zu beſprechen, was deine
militäriſche Aufgabe betrifft. Du ſollſt reden, und ich
werde hören!“

„Ich habe von dir den Haradſch und die Mörder zu
verlangen, ſonſt muß ich auf Befehl des Muteſſarif Scheik
Adi und alle Ortſchaften der Dſcheſidi zerſtören und einen
jeden töten, der mir Widerſtand leiſtet.“

„Und alles mit dir nehmen, was die Dſcheſidi be-
ſitzen?“

„Alles!“

„So lautet der Befehl des Gouverneur?“

„So lautet er.“

„Und du wirſt ihn erfüllen?“

„Mit allen Kräften.“

„Thue es!“

Er erhob ſich, zum Zeichen, daß die Unterredung be-
endet ſei. Der Kaimakam machte eine Bewegung, ihn
zurückzuhalten.

„Was wirſt du beginnen, Bey?“

„Du wirſt die Dörfer der Dſcheſidi zerſtören und die
Einwohner derſelben berauben, und ich, das Oberhaupt
der Dſcheſidi, werde meine Unterthanen zu beſchützen wiſſen.
Ihr ſeid ohne vorherige Anmeldung bei mir eingebrochen;
ihr verteidigt das mit Gründen, welche Lügen ſind; ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="74"/>
la&#x017F;&#x017F;ung, uns zu überfallen? Muß er da ju&#x017F;t Scheik Adi<lb/>
überfallen, wo jetzt Tau&#x017F;ende von Men&#x017F;chen &#x017F;ind, die nicht<lb/>
nach Mo&#x017F;&#x017F;ul gehören, und die ihm auf keinen Fall etwas<lb/>
&#x017F;chuldig &#x017F;ind? Kaimakam, du und ich, wir beide wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ehr genau, was es eigentlich i&#x017F;t, was der Gouverneur<lb/>
von uns will: Geld und Beute. Es i&#x017F;t ihm nicht ge-<lb/>
lungen, uns zu berauben, und &#x017F;o wollen wir al&#x017F;o nicht<lb/>
weiter über &#x017F;eine Gründe &#x017F;prechen. Du bi&#x017F;t weder ein<lb/>
Juri&#x017F;t noch ein Steuereinnehmer; du bi&#x017F;t Offizier, und<lb/>
darum habe ich mit dir nur das zu be&#x017F;prechen, was deine<lb/>
militäri&#x017F;che Aufgabe betrifft. Du &#x017F;oll&#x017F;t reden, und ich<lb/>
werde hören!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich habe von dir den Harad&#x017F;ch und die Mörder zu<lb/>
verlangen, &#x017F;on&#x017F;t muß ich auf Befehl des Mute&#x017F;&#x017F;arif Scheik<lb/>
Adi und alle Ort&#x017F;chaften der D&#x017F;che&#x017F;idi zer&#x017F;tören und einen<lb/>
jeden töten, der mir Wider&#x017F;tand lei&#x017F;tet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und alles mit dir nehmen, was die D&#x017F;che&#x017F;idi be-<lb/>
&#x017F;itzen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alles!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So lautet der Befehl des Gouverneur?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So lautet er.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und du wir&#x017F;t ihn erfüllen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit allen Kräften.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Thue es!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er erhob &#x017F;ich, zum Zeichen, daß die Unterredung be-<lb/>
endet &#x017F;ei. Der Kaimakam machte eine Bewegung, ihn<lb/>
zurückzuhalten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was wir&#x017F;t du beginnen, Bey?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du wir&#x017F;t die Dörfer der D&#x017F;che&#x017F;idi zer&#x017F;tören und die<lb/>
Einwohner der&#x017F;elben berauben, und ich, das Oberhaupt<lb/>
der D&#x017F;che&#x017F;idi, werde meine Unterthanen zu be&#x017F;chützen wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ihr &#x017F;eid ohne vorherige Anmeldung bei mir eingebrochen;<lb/>
ihr verteidigt das mit Gründen, welche Lügen &#x017F;ind; ihr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0088] laſſung, uns zu überfallen? Muß er da juſt Scheik Adi überfallen, wo jetzt Tauſende von Menſchen ſind, die nicht nach Moſſul gehören, und die ihm auf keinen Fall etwas ſchuldig ſind? Kaimakam, du und ich, wir beide wiſſen ſehr genau, was es eigentlich iſt, was der Gouverneur von uns will: Geld und Beute. Es iſt ihm nicht ge- lungen, uns zu berauben, und ſo wollen wir alſo nicht weiter über ſeine Gründe ſprechen. Du biſt weder ein Juriſt noch ein Steuereinnehmer; du biſt Offizier, und darum habe ich mit dir nur das zu beſprechen, was deine militäriſche Aufgabe betrifft. Du ſollſt reden, und ich werde hören!“ „Ich habe von dir den Haradſch und die Mörder zu verlangen, ſonſt muß ich auf Befehl des Muteſſarif Scheik Adi und alle Ortſchaften der Dſcheſidi zerſtören und einen jeden töten, der mir Widerſtand leiſtet.“ „Und alles mit dir nehmen, was die Dſcheſidi be- ſitzen?“ „Alles!“ „So lautet der Befehl des Gouverneur?“ „So lautet er.“ „Und du wirſt ihn erfüllen?“ „Mit allen Kräften.“ „Thue es!“ Er erhob ſich, zum Zeichen, daß die Unterredung be- endet ſei. Der Kaimakam machte eine Bewegung, ihn zurückzuhalten. „Was wirſt du beginnen, Bey?“ „Du wirſt die Dörfer der Dſcheſidi zerſtören und die Einwohner derſelben berauben, und ich, das Oberhaupt der Dſcheſidi, werde meine Unterthanen zu beſchützen wiſſen. Ihr ſeid ohne vorherige Anmeldung bei mir eingebrochen; ihr verteidigt das mit Gründen, welche Lügen ſind; ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/88
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/88>, abgerufen am 26.11.2024.