"Siehst du die weiße Stelle auf meinem Hause?" fragte er.
"Ja. Es ist der Shawl."
"Wäre er verschwunden, so hätte ich ein Zeichen ge- geben, und fünfhundert meiner Leute wären Sturm hinab- gelaufen, unter dem Schutze der Kanonen, welche den Feind zurückgehalten hätten."
"Ich danke dir, Bey. Es ist mir nichts geschehen, als daß der Miralai einmal nach mir schoß; aber ohne mich zu treffen."
"Das soll er büßen!"
"Er hat es bereits gebüßt."
Ich erzählte ihm alles, was ich gesehen hatte, und berichtete ihm auch die Worte, in denen der Abschied des Pir von mir enthalten war. Er hörte aufmerksam und in tiefster Bewegung zu; aber als ich geendet hatte, sagte er nichts als:
"Er war ein Held!"
Dann versank er in ein tiefes Sinnen, aus welchem er erst nach einer Weile wieder erwachte.
"Und was sagst du? Sie haben meinen Boten getötet?"
"Sie haben ihn hingerichtet, erschossen."
"Wer hat den Befehl dazu erteilt?"
"Jedenfalls der Miralai."
"O lebte er noch!" knirschte er. "Ich ahnte, daß dem Boten etwas widerfahre. Ich hatte ihm gesagt, daß ich den Kampf wieder beginnen werde, wenn er binnen einer halben Stunde nicht zurückgekehrt sei. Aber ich werde ihn rächen; ich werde jetzt das Zeichen geben, daß nun endlich Ernst gemacht werden soll!"
"Warte noch, denn ich habe vorher mit dir zu reden. Der Kaimakam, welcher jetzt das Kommando führt, hat mich zu dir gesandt."
„Siehſt du die weiße Stelle auf meinem Hauſe?“ fragte er.
„Ja. Es iſt der Shawl.“
„Wäre er verſchwunden, ſo hätte ich ein Zeichen ge- geben, und fünfhundert meiner Leute wären Sturm hinab- gelaufen, unter dem Schutze der Kanonen, welche den Feind zurückgehalten hätten.“
„Ich danke dir, Bey. Es iſt mir nichts geſchehen, als daß der Miralai einmal nach mir ſchoß; aber ohne mich zu treffen.“
„Das ſoll er büßen!“
„Er hat es bereits gebüßt.“
Ich erzählte ihm alles, was ich geſehen hatte, und berichtete ihm auch die Worte, in denen der Abſchied des Pir von mir enthalten war. Er hörte aufmerkſam und in tiefſter Bewegung zu; aber als ich geendet hatte, ſagte er nichts als:
„Er war ein Held!“
Dann verſank er in ein tiefes Sinnen, aus welchem er erſt nach einer Weile wieder erwachte.
„Und was ſagſt du? Sie haben meinen Boten getötet?“
„Sie haben ihn hingerichtet, erſchoſſen.“
„Wer hat den Befehl dazu erteilt?“
„Jedenfalls der Miralai.“
„O lebte er noch!“ knirſchte er. „Ich ahnte, daß dem Boten etwas widerfahre. Ich hatte ihm geſagt, daß ich den Kampf wieder beginnen werde, wenn er binnen einer halben Stunde nicht zurückgekehrt ſei. Aber ich werde ihn rächen; ich werde jetzt das Zeichen geben, daß nun endlich Ernſt gemacht werden ſoll!“
„Warte noch, denn ich habe vorher mit dir zu reden. Der Kaimakam, welcher jetzt das Kommando führt, hat mich zu dir geſandt.“
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[66/0080]
„Siehſt du die weiße Stelle auf meinem Hauſe?“
fragte er.
„Ja. Es iſt der Shawl.“
„Wäre er verſchwunden, ſo hätte ich ein Zeichen ge-
geben, und fünfhundert meiner Leute wären Sturm hinab-
gelaufen, unter dem Schutze der Kanonen, welche den Feind
zurückgehalten hätten.“
„Ich danke dir, Bey. Es iſt mir nichts geſchehen,
als daß der Miralai einmal nach mir ſchoß; aber ohne
mich zu treffen.“
„Das ſoll er büßen!“
„Er hat es bereits gebüßt.“
Ich erzählte ihm alles, was ich geſehen hatte, und
berichtete ihm auch die Worte, in denen der Abſchied des
Pir von mir enthalten war. Er hörte aufmerkſam und
in tiefſter Bewegung zu; aber als ich geendet hatte, ſagte
er nichts als:
„Er war ein Held!“
Dann verſank er in ein tiefes Sinnen, aus welchem
er erſt nach einer Weile wieder erwachte.
„Und was ſagſt du? Sie haben meinen Boten getötet?“
„Sie haben ihn hingerichtet, erſchoſſen.“
„Wer hat den Befehl dazu erteilt?“
„Jedenfalls der Miralai.“
„O lebte er noch!“ knirſchte er. „Ich ahnte, daß
dem Boten etwas widerfahre. Ich hatte ihm geſagt, daß
ich den Kampf wieder beginnen werde, wenn er binnen
einer halben Stunde nicht zurückgekehrt ſei. Aber ich werde
ihn rächen; ich werde jetzt das Zeichen geben, daß nun
endlich Ernſt gemacht werden ſoll!“
„Warte noch, denn ich habe vorher mit dir zu reden.
Der Kaimakam, welcher jetzt das Kommando führt, hat
mich zu dir geſandt.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/80>, abgerufen am 23.12.2024.
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