einzudringen vermochte, und so konnte ich das Innere des Bauwerkes ziemlich genau erkennen. Dasselbe bildete einen kahlen, viereckigen, roh aufgemauerten Raum, in dessen hinterster Ecke man einen starken Pfahl tief und fest in die Erde gerammt hatte. Neben demselben lag ein mäßiger Haufen von Streu und Blätterwerk, und in der Nähe erblickte ich neben einem gefüllten Wassernapfe einen großen Scherben, der früher wohl einmal zu einem Krug gehört hatte, jetzt aber als Schüssel benützt wurde und eine Masse enthielt, welche halb aus Tischlerleim und halb aus Regen- würmern oder Blutegeln zu bestehen schien.
Zwar hätte ich mich trotz meiner Fesseln doch immer- hin einigermaßen zu sträuben vermocht, aber ich ließ es ruhig geschehen, daß ich mit einem starken Strick an den Pfahl gebunden wurde. Dies geschah in der Weise, daß ich auf die Streu zu liegen kam. Meine Arme blieben nach wie vor auf den Achseln befestigt.
Das Weib war draußen vor dem Eingang stehen geblieben. Der eine meiner Begleiter verließ schweigsam die Hütte, der andere jedoch hielt es für notwendig, mir einige Verhaltungsmaßregeln zu erteilen.
"Du bist gefangen," bemerkte er ebenso treffend wie geistreich.
Ich antwortete nicht.
"Du kannst nicht entfliehen," belehrte er mich in sehr überflüssiger Weise.
Ich antwortete wieder nicht.
"Wir gehen jetzt," fuhr er fort; "aber dieses Weib wird dich sehr streng bewachen."
"So sage ihr wenigstens, daß sie draußen bleiben soll!" bemerkte ich endlich doch.
"Sie muß in der Hütte bleiben," erwiderte er; "sie darf dich nicht aus den Augen lassen und soll dich auch
einzudringen vermochte, und ſo konnte ich das Innere des Bauwerkes ziemlich genau erkennen. Dasſelbe bildete einen kahlen, viereckigen, roh aufgemauerten Raum, in deſſen hinterſter Ecke man einen ſtarken Pfahl tief und feſt in die Erde gerammt hatte. Neben demſelben lag ein mäßiger Haufen von Streu und Blätterwerk, und in der Nähe erblickte ich neben einem gefüllten Waſſernapfe einen großen Scherben, der früher wohl einmal zu einem Krug gehört hatte, jetzt aber als Schüſſel benützt wurde und eine Maſſe enthielt, welche halb aus Tiſchlerleim und halb aus Regen- würmern oder Blutegeln zu beſtehen ſchien.
Zwar hätte ich mich trotz meiner Feſſeln doch immer- hin einigermaßen zu ſträuben vermocht, aber ich ließ es ruhig geſchehen, daß ich mit einem ſtarken Strick an den Pfahl gebunden wurde. Dies geſchah in der Weiſe, daß ich auf die Streu zu liegen kam. Meine Arme blieben nach wie vor auf den Achſeln befeſtigt.
Das Weib war draußen vor dem Eingang ſtehen geblieben. Der eine meiner Begleiter verließ ſchweigſam die Hütte, der andere jedoch hielt es für notwendig, mir einige Verhaltungsmaßregeln zu erteilen.
„Du biſt gefangen,“ bemerkte er ebenſo treffend wie geiſtreich.
Ich antwortete nicht.
„Du kannſt nicht entfliehen,“ belehrte er mich in ſehr überflüſſiger Weiſe.
Ich antwortete wieder nicht.
„Wir gehen jetzt,“ fuhr er fort; „aber dieſes Weib wird dich ſehr ſtreng bewachen.“
„So ſage ihr wenigſtens, daß ſie draußen bleiben ſoll!“ bemerkte ich endlich doch.
„Sie muß in der Hütte bleiben,“ erwiderte er; „ſie darf dich nicht aus den Augen laſſen und ſoll dich auch
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einzudringen vermochte, und ſo konnte ich das Innere des
Bauwerkes ziemlich genau erkennen. Dasſelbe bildete einen
kahlen, viereckigen, roh aufgemauerten Raum, in deſſen
hinterſter Ecke man einen ſtarken Pfahl tief und feſt in
die Erde gerammt hatte. Neben demſelben lag ein mäßiger
Haufen von Streu und Blätterwerk, und in der Nähe
erblickte ich neben einem gefüllten Waſſernapfe einen großen
Scherben, der früher wohl einmal zu einem Krug gehört
hatte, jetzt aber als Schüſſel benützt wurde und eine Maſſe
enthielt, welche halb aus Tiſchlerleim und halb aus Regen-
würmern oder Blutegeln zu beſtehen ſchien.
Zwar hätte ich mich trotz meiner Feſſeln doch immer-
hin einigermaßen zu ſträuben vermocht, aber ich ließ es
ruhig geſchehen, daß ich mit einem ſtarken Strick an den
Pfahl gebunden wurde. Dies geſchah in der Weiſe, daß
ich auf die Streu zu liegen kam. Meine Arme blieben
nach wie vor auf den Achſeln befeſtigt.
Das Weib war draußen vor dem Eingang ſtehen
geblieben. Der eine meiner Begleiter verließ ſchweigſam
die Hütte, der andere jedoch hielt es für notwendig, mir
einige Verhaltungsmaßregeln zu erteilen.
„Du biſt gefangen,“ bemerkte er ebenſo treffend wie
geiſtreich.
Ich antwortete nicht.
„Du kannſt nicht entfliehen,“ belehrte er mich in ſehr
überflüſſiger Weiſe.
Ich antwortete wieder nicht.
„Wir gehen jetzt,“ fuhr er fort; „aber dieſes Weib
wird dich ſehr ſtreng bewachen.“
„So ſage ihr wenigſtens, daß ſie draußen bleiben
ſoll!“ bemerkte ich endlich doch.
„Sie muß in der Hütte bleiben,“ erwiderte er; „ſie
darf dich nicht aus den Augen laſſen und ſoll dich auch
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/572>, abgerufen am 28.11.2024.
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