Freund wie der eurige; ich werde auch ihnen nicht sagen, wie stark ihr gekommen seid."
"Du bist vorsichtiger, als es nötig ist. Glaubst du wirklich, daß sie den Bey töten werden, wenn wir sie an- greifen?"
"Ich bin überzeugt davon."
"Werden sie ihn freigeben, wenn wir uns zurück- ziehen?"
"Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es. Der Melek wird auf meine Rede hören."
"Aber es sind mehrere der Unsrigen getötet worden: sie müssen gerächt werden."
"Habt ihr nicht vorher Tausende der Nasarah ge- tötet?"
"Zehn Kurden gelten höher als tausend Nasarah!"
"Und die Chaldani denken, daß zehn Nasarah höher gelten, als tausend Kurden."
"Würden sie uns den Blutpreis bezahlen?"
"Ich weiß es nicht, aber ich gestehe euch offen, daß ich an ihrer Stelle es nicht thun würde."
"So wirst du ihnen den Rat geben, es nicht zu thun?"
"Nein, denn ich rede sowohl bei euch als auch bei ihnen nur das, was zum Frieden dient. Sie haben wenige von euch getötet, ihr aber Tausende von ihnen; also wären nur sie es, die einen Preis zu fordern hätten. Außerdem haben sie den Bey in ihrer Gewalt, und wenn ihr ernst- lich nachdenkt, so werdet ihr erkennen, daß sie euch gegen- über im Vorteile sind."
"Sind sie sehr kriegerisch gestimmt?"
Eigentlich hätte ich jetzt "Nein" sagen sollen, ich zog es aber vor, eine ausweichende Antwort zu geben:
"Habt ihr sie gestern vielleicht feig gesehen? Meßt das Blut, welches den Zab hinabgeflossen ist; zählt die
Freund wie der eurige; ich werde auch ihnen nicht ſagen, wie ſtark ihr gekommen ſeid.“
„Du biſt vorſichtiger, als es nötig iſt. Glaubſt du wirklich, daß ſie den Bey töten werden, wenn wir ſie an- greifen?“
„Ich bin überzeugt davon.“
„Werden ſie ihn freigeben, wenn wir uns zurück- ziehen?“
„Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es. Der Melek wird auf meine Rede hören.“
„Aber es ſind mehrere der Unſrigen getötet worden: ſie müſſen gerächt werden.“
„Habt ihr nicht vorher Tauſende der Naſarah ge- tötet?“
„Zehn Kurden gelten höher als tauſend Naſarah!“
„Und die Chaldani denken, daß zehn Naſarah höher gelten, als tauſend Kurden.“
„Würden ſie uns den Blutpreis bezahlen?“
„Ich weiß es nicht, aber ich geſtehe euch offen, daß ich an ihrer Stelle es nicht thun würde.“
„So wirſt du ihnen den Rat geben, es nicht zu thun?“
„Nein, denn ich rede ſowohl bei euch als auch bei ihnen nur das, was zum Frieden dient. Sie haben wenige von euch getötet, ihr aber Tauſende von ihnen; alſo wären nur ſie es, die einen Preis zu fordern hätten. Außerdem haben ſie den Bey in ihrer Gewalt, und wenn ihr ernſt- lich nachdenkt, ſo werdet ihr erkennen, daß ſie euch gegen- über im Vorteile ſind.“
„Sind ſie ſehr kriegeriſch geſtimmt?“
Eigentlich hätte ich jetzt „Nein“ ſagen ſollen, ich zog es aber vor, eine ausweichende Antwort zu geben:
„Habt ihr ſie geſtern vielleicht feig geſehen? Meßt das Blut, welches den Zab hinabgefloſſen iſt; zählt die
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Freund wie der eurige; ich werde auch ihnen nicht ſagen,
wie ſtark ihr gekommen ſeid.“
„Du biſt vorſichtiger, als es nötig iſt. Glaubſt du
wirklich, daß ſie den Bey töten werden, wenn wir ſie an-
greifen?“
„Ich bin überzeugt davon.“
„Werden ſie ihn freigeben, wenn wir uns zurück-
ziehen?“
„Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es. Der Melek
wird auf meine Rede hören.“
„Aber es ſind mehrere der Unſrigen getötet worden:
ſie müſſen gerächt werden.“
„Habt ihr nicht vorher Tauſende der Naſarah ge-
tötet?“
„Zehn Kurden gelten höher als tauſend Naſarah!“
„Und die Chaldani denken, daß zehn Naſarah höher
gelten, als tauſend Kurden.“
„Würden ſie uns den Blutpreis bezahlen?“
„Ich weiß es nicht, aber ich geſtehe euch offen, daß
ich an ihrer Stelle es nicht thun würde.“
„So wirſt du ihnen den Rat geben, es nicht zu thun?“
„Nein, denn ich rede ſowohl bei euch als auch bei
ihnen nur das, was zum Frieden dient. Sie haben wenige
von euch getötet, ihr aber Tauſende von ihnen; alſo wären
nur ſie es, die einen Preis zu fordern hätten. Außerdem
haben ſie den Bey in ihrer Gewalt, und wenn ihr ernſt-
lich nachdenkt, ſo werdet ihr erkennen, daß ſie euch gegen-
über im Vorteile ſind.“
„Sind ſie ſehr kriegeriſch geſtimmt?“
Eigentlich hätte ich jetzt „Nein“ ſagen ſollen, ich zog
es aber vor, eine ausweichende Antwort zu geben:
„Habt ihr ſie geſtern vielleicht feig geſehen? Meßt
das Blut, welches den Zab hinabgefloſſen iſt; zählt die
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/564>, abgerufen am 23.12.2024.
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