auf alle Fälle sicher, und so erhob sich auch sofort der älteste der Krieger, nahm Mohammed und mich bei der Hand und beteuerte mit drohender Stimme:
"Wer diese Emire kränkt, der ist mein Feind. Ser babe men -- beim Haupte meines Vaters!"
Dieser Schwur des angesehensten Kurden war kräftig genug, uns von jetzt an gegen die Beleidigungen des Kiaja zu schützen. Dieser fragte nun:
"Welches ist die Botschaft, die du uns auszurichten hast?"
"Ich habe euch zu sagen, daß der Bey von Gumri der Gefangene des Melek von Lizan ist --"
"Das wußten wir vorher; dazu brauchst du nicht zu uns zu kommen."
"Wenn du in die Dschehennah zu deinen Vätern kommst, so bedanke dich bei ihnen dafür, daß sie dich zu einem so höflichen Mann gemacht haben. Nur bei den Negern und Adschani *) ist es Sitte, einander nicht voll- ständig aussprechen zu lassen; dein Chodschah **) aber hat die Rute verdient!"
Trotzdem ich die Zurechtweisung also selbst über- nommen hatte, zog doch auch der alte Kurde seine Pistole hervor und meinte gleichmütig:
"Ser babe men -- beim Haupte meines Vaters! Viel- leicht wird man bald die Stimme dieses Gewehres ver- nehmen! Fahre weiter fort, Emir!"
Es war gewiß eine eigentümliche Lage. Wir beiden Fremdlinge wurden gegen den eigenen Anführer in Schutz genommen. Was würde wohl ein civilisierter Kavallerie- rittmeister dazu sagen? Solche Dinge können nur im wilden Kurdenlande vorkommen! Ich folgte der Aufforderung und redete weiter:
*) Bei den Kurden Schimpfnamen für die persischen Schiiten.
**) Schulmeister.
auf alle Fälle ſicher, und ſo erhob ſich auch ſofort der älteſte der Krieger, nahm Mohammed und mich bei der Hand und beteuerte mit drohender Stimme:
„Wer dieſe Emire kränkt, der iſt mein Feind. Ser babe men — beim Haupte meines Vaters!“
Dieſer Schwur des angeſehenſten Kurden war kräftig genug, uns von jetzt an gegen die Beleidigungen des Kiaja zu ſchützen. Dieſer fragte nun:
„Welches iſt die Botſchaft, die du uns auszurichten haſt?“
„Ich habe euch zu ſagen, daß der Bey von Gumri der Gefangene des Melek von Lizan iſt —“
„Das wußten wir vorher; dazu brauchſt du nicht zu uns zu kommen.“
„Wenn du in die Dſchehennah zu deinen Vätern kommſt, ſo bedanke dich bei ihnen dafür, daß ſie dich zu einem ſo höflichen Mann gemacht haben. Nur bei den Negern und Adſchani *) iſt es Sitte, einander nicht voll- ſtändig ausſprechen zu laſſen; dein Chodſchah **) aber hat die Rute verdient!“
Trotzdem ich die Zurechtweiſung alſo ſelbſt über- nommen hatte, zog doch auch der alte Kurde ſeine Piſtole hervor und meinte gleichmütig:
„Ser babe men — beim Haupte meines Vaters! Viel- leicht wird man bald die Stimme dieſes Gewehres ver- nehmen! Fahre weiter fort, Emir!“
Es war gewiß eine eigentümliche Lage. Wir beiden Fremdlinge wurden gegen den eigenen Anführer in Schutz genommen. Was würde wohl ein civiliſierter Kavallerie- rittmeiſter dazu ſagen? Solche Dinge können nur im wilden Kurdenlande vorkommen! Ich folgte der Aufforderung und redete weiter:
*) Bei den Kurden Schimpfnamen für die perſiſchen Schiiten.
**) Schulmeiſter.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0558"n="544"/>
auf alle Fälle ſicher, und ſo erhob ſich auch ſofort der<lb/>
älteſte der Krieger, nahm Mohammed und mich bei der<lb/>
Hand und beteuerte mit drohender Stimme:</p><lb/><p>„Wer dieſe Emire kränkt, der iſt mein Feind. Ser<lb/>
babe men — beim Haupte meines Vaters!“</p><lb/><p>Dieſer Schwur des angeſehenſten Kurden war kräftig<lb/>
genug, uns von jetzt an gegen die Beleidigungen des Kiaja<lb/>
zu ſchützen. Dieſer fragte nun:</p><lb/><p>„Welches iſt die Botſchaft, die du uns auszurichten<lb/>
haſt?“</p><lb/><p>„Ich habe euch zu ſagen, daß der Bey von Gumri<lb/>
der Gefangene des Melek von Lizan iſt —“</p><lb/><p>„Das wußten wir vorher; dazu brauchſt du nicht zu<lb/>
uns zu kommen.“</p><lb/><p>„Wenn du in die Dſchehennah zu deinen Vätern<lb/>
kommſt, ſo bedanke dich bei ihnen dafür, daß ſie dich zu<lb/>
einem ſo höflichen Mann gemacht haben. Nur bei den<lb/>
Negern und Adſchani <noteplace="foot"n="*)">Bei den Kurden Schimpfnamen für die perſiſchen Schiiten.</note> iſt es Sitte, einander nicht voll-<lb/>ſtändig ausſprechen zu laſſen; dein Chodſchah <noteplace="foot"n="**)">Schulmeiſter.</note> aber hat<lb/>
die Rute verdient!“</p><lb/><p>Trotzdem ich die Zurechtweiſung alſo ſelbſt über-<lb/>
nommen hatte, zog doch auch der alte Kurde ſeine Piſtole<lb/>
hervor und meinte gleichmütig:</p><lb/><p>„Ser babe men — beim Haupte meines Vaters! Viel-<lb/>
leicht wird man bald die Stimme dieſes Gewehres ver-<lb/>
nehmen! Fahre weiter fort, Emir!“</p><lb/><p>Es war gewiß eine eigentümliche Lage. Wir beiden<lb/>
Fremdlinge wurden gegen den eigenen Anführer in Schutz<lb/>
genommen. Was würde wohl ein civiliſierter Kavallerie-<lb/>
rittmeiſter dazu ſagen? Solche Dinge können nur im wilden<lb/>
Kurdenlande vorkommen! Ich folgte der Aufforderung<lb/>
und redete weiter:</p><lb/></div></body></text></TEI>
[544/0558]
auf alle Fälle ſicher, und ſo erhob ſich auch ſofort der
älteſte der Krieger, nahm Mohammed und mich bei der
Hand und beteuerte mit drohender Stimme:
„Wer dieſe Emire kränkt, der iſt mein Feind. Ser
babe men — beim Haupte meines Vaters!“
Dieſer Schwur des angeſehenſten Kurden war kräftig
genug, uns von jetzt an gegen die Beleidigungen des Kiaja
zu ſchützen. Dieſer fragte nun:
„Welches iſt die Botſchaft, die du uns auszurichten
haſt?“
„Ich habe euch zu ſagen, daß der Bey von Gumri
der Gefangene des Melek von Lizan iſt —“
„Das wußten wir vorher; dazu brauchſt du nicht zu
uns zu kommen.“
„Wenn du in die Dſchehennah zu deinen Vätern
kommſt, ſo bedanke dich bei ihnen dafür, daß ſie dich zu
einem ſo höflichen Mann gemacht haben. Nur bei den
Negern und Adſchani *) iſt es Sitte, einander nicht voll-
ſtändig ausſprechen zu laſſen; dein Chodſchah **) aber hat
die Rute verdient!“
Trotzdem ich die Zurechtweiſung alſo ſelbſt über-
nommen hatte, zog doch auch der alte Kurde ſeine Piſtole
hervor und meinte gleichmütig:
„Ser babe men — beim Haupte meines Vaters! Viel-
leicht wird man bald die Stimme dieſes Gewehres ver-
nehmen! Fahre weiter fort, Emir!“
Es war gewiß eine eigentümliche Lage. Wir beiden
Fremdlinge wurden gegen den eigenen Anführer in Schutz
genommen. Was würde wohl ein civiliſierter Kavallerie-
rittmeiſter dazu ſagen? Solche Dinge können nur im wilden
Kurdenlande vorkommen! Ich folgte der Aufforderung
und redete weiter:
*) Bei den Kurden Schimpfnamen für die perſiſchen Schiiten.
**) Schulmeiſter.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/558>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.